Vor dem Weltfinanzgipfel: Alles starrt nach Washington
Alles starrt derzeit nach Washington. Schon das ist problematisch. Denn schon jetzt lässt sich sagen, dass New York der bessere Tagungsort gewesen wäre und Ban Ki-moon der geeignetere Gastgeber. Der Kontext wäre der der Vereinten Nationen gewesen und nicht der Schwebezustand zwischen einem abgewirtschafteten und einem voller Hoffnungen erwarteten US-Präsidenten. Dennoch gibt es kaum jemanden, der sich nicht für das morgen Abend beginnende Ereignis positioniert hätte (hier ein Photo von einem G20-Finanzministertreffen letztes Jahr in Kapstadt). In Windeseile haben zivilgesellschaftliche Organisationen aus aller Welt Forderungspapiere zusammengestellt. Diese bemängeln teils die nicht gerade partizipativen Vorgehensweisem im G20-Kreis, teils wiederholen sie alte Forderungen, die in ihrer Allgemeinheit kaum zu überbieten sind. Wesentlich substanzieller dagegen ist ein Papier, das Oxfam International heute unter dem Titel If Not Now, When? vorgelegt hat.
Über viele dieser Stimmen vor dem Gipfel habe ich in unserem englischsprachigen Nachrichtenblog berichtet (>>> The European Civil Society Round-Up), so auch über die Washington Declaration, mit der der International Gewerkschaftsbund (ITUC) in die US-Hauptstadt fährt. Was die Gewerkschaftsinternationale von den anderen NGOs unterscheidet, die sich mit den Finanzgipfel-Themen beschäftigen: Sie hat unmittelbaren Zugang zu denjenigen, die sich auf dem Gipfel versammeln. So treffen sich die Gewerkschafter noch vor dem Gipfel mit Strauss-Kahn (IWF) und Zoellick (Weltbank) sowie diversen G20-Führern zusammen, denen sie ihre Reformpläne erläutern.
ITUC oder Oxfam verfügen inzwischen über recht ausgearbeitete konzeptionelle Vorstellungen, die sich an einem neuen New Deal orientieren. Dieser müsse heute „sowohl global als auch grün“ sein, wie es in dem Oxfam-Papier treffend heißt. Eher feuilletonistisch geraten sind dagegen zwei aktuelle Stellungnahmen aus dem Bereich der arrivierten Politikberatung, auch wenn dort ebenfalls in dieser Richtung nachgedacht wird. Simon Maxwell vom Oversees Development Institute in London und Dirk Messner vom Deutschen Institut für Entwicklungspolitik beschworen eine neue globale Ordnung, die in fünf Schritten entstehen soll – in einem Aufsatz in OpenDemocracy, dessen deutsche Fassung in der aktuellen „Zeit“ nachzulesen ist. Mehr als überschwänglich ist ihre Hoffnung auf Europa. Dabei übersehen sie, dass sich die Europäer (siehe ihre Bockigkeit gegenüber einer IWF-Reform) auf dem Weg zu einem neuen Bretton Woods derzeit selbst im Weg stehen. Geradezu pessimistisch dagegen sind Heribert Dieter von der Stiftung Wissenschaft und Politik und Richard Higgort von der Universität Warwick. Sie befürchten, dass der Weltfinanzgipfel und die sich daran wahrscheinlich anschließende Serie von Beratungen eher scheitern könnten (wie die Londoner Weltwirtschaftskonferenz von 1933) als dass daraus etwas wird, was wirklich den Namen „Bretton Woods II“ verdient. Nimmt man die Blockierer in den USA, die auch im Obama-Lager zu finden sind, und die Europäer zusammen, dann ist das nicht auszuschließen.
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