9. November 2008

G20-Finanzminister in Sao Paulo: Selbstbewusste Schwellenländer

Die Schwellenländer haben das G20-Finanzministertreffen in Sao Paulo an diesem Wochenende genutzt, um mehr Einfluss in den internationalen Finanzinstitutionen wie IWF und Weltbank zu fordern und „neue, offenere und partizipatorischere Governance-Strukturen“ (Lula) zu verlangen. Die internationale Regulierung der Finanzmärkte sollte nicht den reichen Ländern überlassen werden. Besonders der brasilianische Präsident Lula nutzte die Gelegenheit, um den Industrieländern einen Vorgeschmack darauf zu geben, was sie bei dem G20-Weltfinanzgipfel in der kommenden Woche in Washington erwartet. Lula rief auf zu einem „Pakt zwischen den Regierungen, um eine neue Finanzarchitektur für die Welt zu schaffen“. Bereits am Vorabend der G20-Konferenz hatte zur Abstimmung untereinander ein Treffen der sog. BRIC-Staaten (Brasilien, Russland, Indien und China) stattgefunden.



Unterdessen hatte der Geschäftsführende Direktor des IWF, Dominique Strauss-Kahn in einem Financial-Times-Interview die Erwartungen an den Washingtoner Gipfel gedämpft, indem er darauf hinwies, dass er nicht gedenke, das aufwendige Quotenverfahren, in dem die Stimmrechtsverteilung unter den IWF-Mitgliedsländern festgelegt wird, erneut zu eröffnen. Damit zeigt Strauss-Kahn erstmals seit seinem Amtsantritt offen, dass ihm das europäische Hemd näher als der globale Rock ist. Die Europäer orientieren zwar auf eine Stärkung des IWF als Watchdog gegen zukünftige Finanzkrisen, stellen aber mit ihrer Überrepräsentation im IWF (so hält Belgien genauso viel Stimmen wie Brasilien) das größte Hindernis für eine tiefgreifende Reform des Fonds dar.

In seiner neuen Ausgabe (>>> W&E 11/2008) analysiert der Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwicklung ausführlich den derzeitigen Wettlauf zu einem neuen Bretton Woods: Zwar ist das G20-Format ein Fortschritt gegenüber dem G8- oder G8+5-Modell, voreilig ist es jedoch, dieses Gremium sogleich zum „Steering Committee“ der Weltwirtschaft zu stilisieren. Auch ist in der gegenwärtigen Situation nicht von vorneherein auszuschließen, den IWF durch eine völlig neue internationale Finanzorganisation zu ersetzen, wie sie u.a. der Wirtschaftsnobelpreisträger Stiglitz vorgeschlagen hat (>>> Prinzipien für eine Reform des Finanzsystems). Peter Wahl (attac/weed) plädiert demgegenüber in einem bemerkenswerten Papier (Titel: With Realistic Radicalism) dafür, die (um ärmere Länder erweiterte) G20 zum Steuerungsausschuss des IWF zu machen. Fragt sich nur: Was ist daran radikal und was realistisch?

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