30. August 2013

Norwegisches Schuldenaudit setzt Massstaebe

Im Auftrag der norwegischen Regierung hat die Buchprüfungsfirma Deloitte die Forderungen des Landes an sieben Entwicklungs- und Schwellenländer aus der Zeit von 1978 und 2000 auf ihre Legitimität überprüft. Der Bericht kommt zu dem Ergebnis, dass die damaligen Vergabestandards weitgehend eingehalten wurden. Den aktuellen strengeren Kreditvergaberichtlinien der norwegischen Außenwirtschaftspolitik oder den UNCTAD-Prinzipien für eine verantwortliche Kreditvergabe (>>> Neue Regeln für das internationale Kreditgeschäft) würden einige Finanzierungen aber nicht mehr genügen.

Norwegen hatte schon vor der Veröffentlichung des Berichts aus Gründen der Gläubiger-Mitverantwortung einen Teil der Forderungen an die genannten Länder gestrichen und plant dies auch auf der Grundlage des Berichts in Zukunft. Die norwegische Initiative wurde wesentlich von der norwegischen Entschuldungskampagne SLUG mit angestoßen. SLUG bedauert, dass die gewählten Maßstäbe für die Illegitimität von Forderung nur sehr eng gefasst wurden, und wird seinen eigenen Schattenbericht zu zweien der untersuchten Länder vorlegen.

Auch Deutschland stünde ein unabhängiges Schuldenaudit gut zu Gesicht, meint Jürgen Kaiser von der deutschen Erlassjahr-Kampagne: „Dass bei den deutschen Waffenlieferungen an Griechenland, die erheblich zur griechischen Überschuldung beigetragen haben, offenbar Korruption im Spiel war, zeigt, wie dringend Deutschland dem norwegischen Beispiel folgen sollte. Deutschland hat sich die UNCTAD-Prinzipien offiziell zu eigen gemacht, aber scheint es mit ihrer Anwendung offenbar nicht sehr genau zu nehmen.“

29. August 2013

Zwischen Jackson Hole und St. Petersburg: Waehrungspolitik? Fehlanzeige!


Währungen unter Druck

Die Welt ist zu einem endlosen Zyklus von Spekulationsblasen, Finanzkrisen und Währungszusammen-brüchen verdammt und sollte sich daran gewöhnen. Das war einem Bericht der Financial Times zufolge der Konsens unter den Zentralbankern, die sich Ende letzter Woche zu ihrem alljährlichen Get-together in Jackson Hole/USA versammelt hatten. Die gesamte Debatte, so der Autor, sei bestimmt gewesen von einer fatalistischen Akzeptanz des Status quo und dem Verzicht auf jeglichen Ehrgeiz bei der Reform des internationalen Finanzsystems. Wenn dies zutrifft, ist das kein gutes Omen für den G20-Gipfel, der nächste Woche am 5./6. September in St. Petersburg stattfinden soll. Denn die Zentralbanker sitzen dort mit am Tisch.

Dabei ist der Abwertungsdruck, der gegenwärtig auf vielen Schwellenländern lastet (s. Grafik), eine drastische Erinnerung daran, wie notwendig es wäre, endlich eine Reform der internationalen Währungs(un)ordnung in Angriff zu nehmen. Denn seit das System der festen Wechselkurse von Bretton Woods 1971 aufgegeben und der Volatilität freier Lauf gelassen wurde, bleibt den Staaten im Kampf gegen die Instabilität der Währungen nur die Selbstversicherung durch die Bildung von Währungsreserven (um gegebenenfalls in den Märkt intervenieren zu können) oder der Griff zu Kapitalverkehrskontrollen oder aber Phlegma und Nichtstun. Dass auch Kapitalverkehrskontrollen wenig ausrichten können, wenn sie halbherzig und dilettantisch angegangen werden, hat Indien soeben vorexerziert. (Auch nach der Begrenzung des Abflusses von heimischem Kapital, hat die Rupie weiter an Wert verloren, und zwar im Rekordtempo.)

Die Fehler des internationalen Währungssystems sind also älter als die aktuellen Währungsprobleme der Schwellenländer. Ein kardinales Problem ist, dass das derzeitige System keinerlei Handhabe bietet, um Überschussländer zu Korrekturen zu zwingen. Ein weiteres liegt darin, darin, dass die wichtigste internationale Reservewährung immer noch eine nationale Währung, der US-Dollar, ist. Einzig die FED entscheidet deshalb über die Menge, in der diese Währung zur Verfügung steht. Und wenn die Weltwirtschaft wie derzeit insgesamt schneller wächst als die US-Wirtschaft, verstärkt sich die Tendenz zur Verknappung internationaler Liquidität zusätzlich.

Zur Lösung dieses Problems stehen schon länger Lösungen bereit, die sich mit dem Namen Keynes verbinden: die Schaffung eines internationalen Reservesystems mit Regeln für die Bewertung nationaler Währungen (im Verhältnis zu den internationalen Reserven) und Sanktionsmechanismen gegen Defizit- und Überschussländer. Nach der jüngsten globalen Finanzkrise wurden mehrere solcher Vorschläge zur Stabilisierung der globalen Finanzen auf den Tisch gelegt, etwa von der Stiglitz-Kommission. In einem neuen Buch (>>> Against the Consensus) unterbreitet jetzt auch der ehemalige (und erste) chinesische Chefökonom der Weltbank, Justin Yifu Lin, einen Vorschlag zur Schaffung einer solchen globalen Reservewährung (in Form von Papier-Gold – „p-gold“). Es wäre an der Zeit, solche Alternativen zu dem jetzigen Chaos-System wieder hervorzuholen. Doch weder auf die Zentralbanker noch auf die G20 kann man dabei setzen.

28. August 2013

Geier gegen Argentinien: Konsequenzen für Entwicklungswelt



Am 23. August entschied das zweite Berufungsgericht der USA in dem als Jahrhundertprozess bezeichneten Rechtsstreit zwischen dem Hedgefonds NML Capital und dem souveränen Staat Argentinien zu Gunsten des Hedgefonds. Damit bestätigte das Gericht ein Urteil, demzufolge Argentinien 1,33 Mrd. US-Dollar an den sog. Geierfonds zahlen muss. Das Urteil könnte weitreichende Konsequenzen – auch für andere Schuldnerländer im Süden – haben, sollte der Oberste Gerichtshof kein Veto einlegen.

In dem aktuell tobenden Rechtsstreit fordert der Hedgefonds den vollen Wert von argentinischen Staatsanleihen, die er während der argentinischen Finanzkrise zu Beginn des Jahrtausends spottbillig aufgekauft hatte, vor US-Gerichten ein und möchte somit aus dem Elend der Krisenopfer in Argentinien und auf Kosten der gutwilligen Mehrheit der damaligen argentinischen Gläubiger Profit schlagen. Das lateinamerikanische Land bot dem Hedgefonds damals die Rückzahlung der Schulden zu denselben Bedingungen an, auf die es sich mit 92% seiner Gläubiger zuvor geeinigt hatte – NML Capital lehnte ab.

Nach Ansicht von Jürgen Kaiser vom deutschen Entschuldungsbündnis erlassjahr.de wären die Konsequenzen für bisherig angewandte Konzepte zur Restrukturierung von untragbaren Schulden ohne einen Einspruch des US Supreme Courts gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts katastrophal. Nicht nur werde die Souveränität von verschuldeten Staaten ausgehebelt und der unmoralischen Geschäftspolitik der Geierfonds zu Lasten der ärmsten Menschen der Welt ein Nährboden bereitet. Auch für hochverschuldete ärmere Entwicklungsstaaten und deren Bevölkerung könnte das Urteil Folgen haben. Denn auch sie gehören seit den 1990er Jahren zu den Zielobjekten der Geierfonds. Erst 2007 musste Sambia Mittel, die eigentlich in die Armutsbekämpfung investiert werden sollten, an einen solchen Hedgefonds zahlen.

Das Geschäftsmodell der Geierfonds funktioniert dabei so: Zu einem günstigen Nominalwert werden Gläubigern die finanziellen Forderungen an hochverschuldete Staaten in der Krise abgekauft. Hat sich das Land erholt, fordern die Fonds vor Gerichten die Schulden zu einem Wert ein, der den Erwerbspreis um ein vielfaches übersteigt. Hat diese Praxis nun Aussicht auf Erfolg, bedeutet dies, dass Umschuldungsregelungen zwischen zahlungsunfähigen Staaten und ihren Gläubigern in Zukunft beinahe unmöglich werden. Denn Gläubiger, die sich bisher aus guten Gründen zu Gunsten der Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit auf Teile ihre Forderungen verzichteten, haben dazu dann kaum einen Anreiz mehr. Das große Geld, so machen es die Geierfonds vor, winkt schließlich vor Gericht. 

26. August 2013

Wieder da: Das Gespenst der Asienkrise



Noch pumpt die US-Zentralbank FED pro Monat 85 Mrd. Dollar in die Märkte, und doch reicht schon die vage Ankündigung, dass die lockere Geldpolitik nicht endlos fortgeführt werden könnte, um in den Schwellenländern ökonomische Erschütterungen auszulösen. Der Hintergrund: Anders als die Konjunkturprogramme unmittelbar nach der Finanzkrise hat das „Quantitative Easing“ (QE) nicht die Realökonomie stimuliert, sondern die Anleger zu massiven Carry-Trade-Strategien beflügelt, die sich auf der Suche nach Renditen in spekulativen Kapitalzuflüssen in die Emerging Economies niederschlugen. Seit der ersten Ankündigung der Beendigung von QE im Mai und mit den wieder steigenden Zinsen für langfristige Kapitalanlagen in den USA hat sich der Wind nun gedreht und viele Schwellenländer werden zu Opfern massiven Kapitalabflusses.

Wohl haben die Schwellenländer nach der Asienkrise der 1990er Jahre hohe Währungsreserven angelegt, um für solche Situationen gewappnet zu sein. Doch vor allem Länder mit großen Leistungsbilanzdefiziten wie Indien und Indonesien, aber auch die Türkei und Südafrika, stehen jetzt unter Druck, da sie zur Deckung dieser Defizite nach wie vor auf ausländisches Kapital angewiesen sind und ihre bis vor kurzem hohen Wachstumsraten sowieso nachgegeben haben. Die Kombination aus hohen Leistungsbilanzdefiziten, Umkehr der Kapitalflüsse, an Wert verlierenden Währungen und der Aussicht auf steigende Zinssätze kann zu einer tödlichen Mischung werden, so dass bereits wieder von der Rückkehr des Gespensts der Asienkrise die Rede ist. (Ende der 1990er Jahre hatte eine ähnliche Umkehr der Kapitalflüsse im asiatischen Raum zu einer schweren Finanzkrise geführt.)

Und so reiben sich viele Analysen nach der Rückkehr aus der Sommerpause verwundert die Augen: Die Rede vom sensationellen Aufstieg der Schwellenländer ist plötzlich der Beschwörung ihres Abstiegs gewichen, und zurück ist auch die Zeit der Belehrungen, in den Emerging Economies seien Strukturreformen längst überfällig, auch wenn diese noch vor gar nicht allzu langer Zeit als Konjunkturlokomotiven der Weltwirtschaft gepriesen wurden, auf deren Wachstum alle Konjunkturprognosen ihren Optimismus stützten. Natürlich war die Rede vom sensationellen Aufstieg genauso übertrieben wie die von ihrem Abstieg – aber die Titelfrage „Kehrt die Finanzkrise zurück?“ (>>> W&E-Hintergrund Juli 2013) hat über den Sommer sicher neue Nahrung bekommen. Auch der IWF, dessen Image noch aus der letzten Asienkrise ramponiert ist, hat sich vorsichtshalber schon mal in Stellung gebracht. Wie seine Geschäftsführende Direktorin, Christine Lagarde, am Wochenende betonte, „steht der Fonds bereit“, um in den Schwellenländern einzugreifen.

16. August 2013

Correa: Yasuni-ITT-Initiative Ekuadors gescheitert



Der ekuadorianische Präsident, Rafael Correa, hat die Yasuní-Initiative für gescheitert erklärt. Correa unterschrieb das Präsidialdekret Nr. 74, das den Treuhandfond auflöst, der für die Sammlung der internationalen Kompensationsgelder für die Nicht-Förderung des Erdöls unter einem der weltweit artenreichsten Regenwaldgebiete zuständig ist. Dies muss zwar noch vom Parlament bestätigt werden, aber das nationale Erdölunternehmen Petroamazonas wird in den nächsten Wochen bereits mit der Förderung beginnen.

Die Ankündigung der Regierung Ecuadors aus dem Jahr 2007 hatte in den letzten Jahren national und international für viel Aufmerksamkeit gesorgt: Die Regierung bot an, die rund 920 Mio. t Erdöl im Block Ishpingo-Tambococha-Tiputini unter dem Yasuní-Nationalpark nicht zu fördern, wenn die Hälfte der zu erwarteten Einnahmen von der Weltgemeinschaft erstattet wird. Die Gelder aus diesem Yasuní-Fonds sollten eine nachhaltige Entwicklung des Landes unabhängig vom Erdöl finanzieren. Weltweit wollte Ekuador für den Fonds 100 Mio. US-Dollar einwerben.

Präsident Correa hatte stets angekündigt, das Erdölfeld auszubeuten, wenn die internationale Gemeinschaft diese Initiative nicht ausreichend unterstütze. Er führt fünf Gründe für seine jetzige Entscheidung an, unter anderem: "Die Weltgemeinschaft betreibt eine große Heuchelei", denn die reichen Länder, die auch für die größten Verschmutzungen verantwortlich sind, sind nicht bereit für die Umweltdienstleistungen, die vom Regenwald erbracht werden, zu bezahlen. Damit wird auch Deutschland angesprochen, denn Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) hat 2011 dem Projekt - trotz Zustimmung aller Fraktionen des Bundestages – eine strikte Absage erteilt. Diese Entscheidung hat die Initiative international stark geschwächt.

15. August 2013

Nachfolge bei der FED: Stiglitz pro Yellen



In der Frage der Nachfolge für den US-amerikanischen Zentralbank-Präsidenten Bernanke hat sich der Nobelpreisträger für Ökonomie, Joseph E. Stiglitz, für Janet Yellen ausgesprochen. Yellen ist derzeit Stellvertreterin Benankes und „eine der besten Studentinnen“ von Stiglitz. In seinem jüngsten Kommentar schreibt Stiglitz:

Jeder ernstzunehmende Bewerber um das Amt des Zentralbankchefs sollte sich der Bedeutung guter Regulierung und der Notwendigkeit bewusst sein, das US-Bankensystem zum Geschäft der Kreditvergabe zurückzubringen – insbesondere was normale Amerikaner und kleine und mittelgroße Unternehmen angeht (also jene, die kein Geld an den Kapitalmärkten aufnehmen können).

Solides wirtschaftliches Urteilsvermögen und Diskretion sind angesichts der Notwendigkeit, die Risiken alternativer Strategien abzuwägen, und der Leichtigkeit, mit der sich die Finanzmärkte verunsichern lassen, ebenfalls erforderlich…

Einige argumentieren, dass Amerika vor allem einen Zentralbanker braucht, der Krisen aus eigener Erfahrung „erlebt“ hat. Wichtig jedoch ist nicht bloß, während einer Krise „dabei gewesen“ zu sein, sondern bei ihrer Handhabung ein gutes Urteilsvermögen gezeigt zu haben.

Jene im US-Finanzministerium, die für die Steuerung der Ostasienkrise verantwortlich waren, haben eine miserable Leistung gezeigt und Abschwünge in Rezessionen und Rezessionen in Depressionen verwandelt. Auch den für die Bewältigung der Krise von 2008 Verantwortlichen kann man nicht zugutehalten, dass sie eine robuste, alle Gesellschaftsschichten umfassende Erholung herbeigeführt hätten. Ihre stümperhaften Bemühungen bei der Hypothekenumstrukturierung, ihr Versäumnis, wieder für eine Kreditvergabe an kleine und mittlere Unternehmen zu sorgen, und ihre fehlerhafte Handhabung der Bankenrettungen sind alle wohldokumentiert, und dasselbe gilt für ihre groben Fehler bei der Vorhersage von Produktionsentwicklung und Arbeitslosigkeit angesichts einer steil abstürzenden Konjunktur.

Noch wichtiger für einen Zentralbanker, der eine Krise managt, ist ein Bekenntnis zu Maßnahmen, die weitere Krisen weniger wahrscheinlich machen. Eine Strategie des Laissez-faire dagegen würde weitere Krisen praktisch unvermeidlich machen…“

… den vollständigen Kommentar finden Sie >>> hier.