Tag der schönen Worte oder mehr in Doha?
Für Jean Merckaert vom Globalen Caritas-Netzwerk klang es ein bisschen, als sei Nicolas Sarkozy zum Robin Hood der armen Länder avanciert. Und in der Tat machte sich wieder einmal ein französischer Präsident, der hier als Ratspräsident der EU auftrat, zum Fürsprecher der Opfer der globalen ökonomischen Krise. Die Welt müsse verändert werden, einschließlich ihrer Institutionen und ihres Finanzsystems. Und vor allem Afrika müsse mehr Mitsprache im IWF und in der G20 und auch ein Sitz im UN-Sicherheitsrat eingeräumt werden. Der Europäische Kommissionspräsident, José Manuel Baroso, stand Sarkozy in nichts nach: „Wir müssen innovativer werden und uns auf ein neues Paradigma zu bewegen.“
Natürlich sind solche Einlassungen stets an der Praxis der Akteure zu messen, und entsprechend gibt es zahlreiche Stimmen von NGOs, die das tun. Aber dennoch ist hier am ersten Tag der UN-Konferenz für Entwicklungsfinanzierung so etwas wie eine möglicherweise praxisverändernde Dimension des Diskurses deutlich geworden. So forderte die deutsche Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczoreck-Zeul gleich mehrfach die Überführung der G20 in einen Global Council, wie er schon im Prozess der Erarbeitung des Monterrey Consensus (im Zedillo-Report) angedacht worden war. Vor allem Afrika dürfe von der G20 nicht vergessen werden. Bei einem Panel über die „Erneuerung des Multilateralismus“ machte UN-Generalsekretär Ban Ki-moon, der beim Eröffnungsplenum am Morgen eher blass gewirkt hatte, allerdings klar, dass Inklusion und Partizipation nicht bedeuten könne, „dass wir einfach die Zahl hinter dem Buchstaben G erhöhen“. Ein neuer Multilateralismus müsse „elastisch genug“ sein, um mit den globalen Herausforderungen auch institutionell jeweils adäquat umgehen zu können.
Zum neuen Leitmotiv jenseits der kruden Entgegensetzung „Hier G20 – dort G192“ könnten die Begriffe „Brückenbau“ (Ban) und „variable Geometrie“ (Pascal Lamy) werden. Eine Brücke zwischen dem Washingtoner Finanzgipfel und der UN-Konferenz in Doha wollte Ban schon mit dem Vorabtreffen der (wenigen) anwesenden Staats- und Regierungschefs am letzten Freitag schlagen. Bei dem erwähnten Panel präsentierte WTO-Generaldirektor Pascal Lamy sogar den einstmals berüchtigten „Green Room“ der WTO-Verhandlungen als eine Art G30, an der neben den G20 auch noch Vertreter ärmerer Länder, etwa der LDCs oder der AKP-Staaten, beteiligt sind. Für den Administrator des UN-Entwicklungsprogramms (UNDP), Kemal Dervis, war klar, dass künftig die G20 (mit einer noch zu entscheidenden Form der Rotation oder als G20-Plus) das Zentrum der Global Governance sein werden. Allerdings werde es immer einen gewissen Mix zwischen informellen und formellen, vertragsbasierten Formen der internationalen Entscheidungsfindung geben. Aktuell plädierte Dervis für ein global koordiniertes, keynesianisches Konjunkturprogramm in der Größenordnung von 3% des globalen Outputs. Dieses Programm müsse eine starke grüne Färbung bekommen, indem 10-15% davon in klimafreundliche Investitionen flössen. – Natürlich bleiben noch viele Fragen offen. Aber ein bisschen deutlicher geworden ist am ersten Konferenztag schon, was es heißen kann, die Doha-Konferenz als Ideenspender und als Forum zu nutzen, das neue Initiativen für die Global-Governance-Reform produziert.
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