25. September 2007

Internationale Gewerkschaften fordern Reformen von IWF und Weltbank

Anläßlich der bevorstehenden Jahrestagung von IWF und Weltbank (20.-22. Oktober in Washington) hat die internationale Gewerkschaftsbewegung einen umfänglichen Katalog mit Reformforderungen an die Bretton-Woods-Zwillinge vorgelegt. Die Jahrestagung wäre eine gute Gelegenheit, um die überfälligen Veränderungen in die Wege zu leiten, die die Gewerkschaften und andere zivilgesellschaftliche Organisationen seit langem fordern. Die Debatte um ein offeneres Auswahlverfahren für die Leitung der beiden Institutionen unterstreiche den Handlungsbedarf, erklärte der Generalsekretär des Internationalen Gewerschaftsbundes (ITUC), Guy Ryder.

In ihrer Gemeinsamen Erklärung fordern der ITUC, die Global Union Federations und der Beratende Ausschuß der Gewerkschaften bei der OECD (TUAC) IWF und Weltbank auf, ihre Politik in Übereinstimmung zu bringen mit den Millennium-Entwicklungszielen der UNO und der Decent Work-Agenda der ILO. Einen Schwerpunkt setzt das Papier auf die umstrittenen Vorschläge zur Deregulierung des Arbeitsmarktes, wie sie die Weltbank in ihrer weit verbreiteten Publikation Doing Business macht. Dort erhalten Länder das beste Ranking, die - ungeachtet der Auswirkungen auf Beschäftigung, Löhne und Grundrechte - Schutzregelungen für ArbeitnehmerInnen außer Kraft setzen. „Wenn uns erklärt wird, daß Länder wie Afghanistan, Bangladesh, Weißrußland, China, Kolumbien, Haiti und Saudi-Arabien eine bessere Beschäftigungspolitik als die meisten Länder Westeuropas, dann heißt das, die Weltbank sorgt sich nicht das Geringste um das Wohlergehen der Arbeitnehmer oder die Beachtung ihrer Rechte;“ sagte Ryder. Dabei widerspricht eine solche Botschaft der erklärten Politik einiger Institutionen der Weltbank-Gruppe, die inzwischen verlangen, daß ihre Projekte die Kernarbeitsnormen der ILO befolgen müssen.

Die Stellungnahme betont auch den besonderen Veränderungsbedarf beim IWF, dessen Einfluß deutlich abgenommen hat, seit die meisten Länder mit mittlerem Einkommen keine IWF-Kredite mehr aufnehmen bzw. alte teils vorzeitig zurückgezahlt haben. Zehn Jahre nach der Asienkrise bestehe die Gefahr, daß der IWF dieselben Fehler wiederholt, heißt es. Der IWF habe nicht nur versäumt, die dramatische Krise der globalen Kreditmärkte, die im August begann, vorherzusagen. Auch hätten seine Sprecher auf Fragen nach den wirtschaftlichen Konsequenzen der Krise ihrer Bewunderung für die Kreativität der privaten Finanzakteure Ausdruck verliehen. Mit Verweis auf die Rolle der Hedge-Fonds und anderer bei der globalen Ausbreitung der mit dem US-Markt für zweitklassige Immobilienkredite verbundenen Probleme fordern die Gewerkschafte den IWF auf, eine angemessene Antwort zu entwickeln. Er solle die Führungsrolle bei der Entwicklung eines neuen internationalen Regelwerks für Hedge- und Private Equity-Fonds und deren Aktivitäten übernehmen, die intransparent sind, ungerechtfertige Steuervorteile einheimsen und zur Instabilität der Finanzmärkte beitragen.

Das vollständige Statement findet sich >>> hier.

21. September 2007

EPAs: EU-Entwicklungsminister sollen Notbremse ziehen, sagt Oxfam

Die EU-Entwicklungsminister, die sich heute und morgen in Funchal auf Madeira zu ihrer informellen Ratstagung treffen, sollen den Handelskommissar der EU, Peter Mandelson, auffordern, seine derzeitigen Vorschläge für die Freihandelsabkommen mit den Staaten Afrikas, der Karibik und des Pazifik (AKP) zurückzuziehen, da sie die Bemühungen um eine Reduzierung der Armut in den Regionen untergraben. Dies fordert die internationale Entwicklungsorganisation Oxfam. Obwohl die Deadline für die sog. Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (EPAs) am 31. Dezember näher rückt, sind wesentliche Differenzen zwischen den Verhandlungsparteien nach wie vor ungeklärt und die Sorgen, daß die Abkommen negative entwicklungspolitische Implikationen haben könnten, wachsen. Die Agenda des Treffens in Funchal, das von der portugiesischen Präsidentschaft als “Meilenstein” ihrer Entwicklungspolitik gepriesen wird, setzt allerdings andere Schwerpunkte.



In der letzten Woche erklärte der Handelskommissar der EU, Peter Mandelson, daß die Union ohne fertig ausgehandelte Abkommen gezwungen sei, die Zölle für AKP-Importe heraufzusetzen. Nach Auffassung von Oxfam hätte ein solcher Schritt desaströse Auswirkungen vor allem für die Fischerei und den Blumen- und Gemüseanbau in diesen Ländern. Trotz der Besorgnisse von EU-Mitgliedsstaaten, AKP-Regierungen, unabhängigen Experten und zivilgesellschaftlichen Beobachtern. Insistiert die Europäische Kommission weiterhin darauf, die Verhandlungen wie bislang fortzusetzen. Forderungen nach einer Verlängerung der Gespräche oder nach der Diskussion von Alternativen stoßen auf taube Ohren. Völlig praktikable Interim-Lösungen, die den Druck aus den Verhandlungen nehmen könnten (etwa das erweiterte Allgemeine Präferenzsystem (GSP+) werden nicht beachtet.

Da die EU die AKP-Staaten nicht auf dem Verhandlungsweg überzeugen kann, greift sie jetzt zu unfairen Praktiken der Druckausübung, sagt Luis Morago, der Leiter des Oxfam-Büros in Brüssel. So habe ein EU-Beamter einen Tag vor einem wichtigen Treffen der pazifischen Verhandlungsgruppe im Juli in Vanatu ein E-Mail herumgeschickt, in dem er die Kürzung der europäischen Entwicklungshilfe für die pazifische Region um 48% androhte. Doch Drohungen mit der Kürzung der Entwicklungshilfe und der Anhebung der Zölle hätten nicht dazu geführt, daß sich die Verhandlungen bewegt hätten, meint Morago.

20. September 2007

Steinbrücks Symbolik: Beschwichtigung der Heuschrecken

Was einmal der Schwerpunkt der deutschen G8-Präsidentschaft werden sollte, ist dabei, zu einer deutsch-französischen Initiative zur Verbesserung der Transparenz auf den Kapitalmärkten zu schrumpfen. Und die Erwartungen daran werden durch den deutschen Finanzminister, Peer Steinbrück, derzeit weiter nach unten gedrückt. Es gehe nicht um neue Regulierungsinstrumente, sondern lediglich um mehr Markttransparenz, erklärte Steinbrück in dieser Woche nach einem Gespräch mit seiner französischen Kollegin Christine Lagarde. In der Woche zuvor war die Initiative mit großem Aplomb von Kanzlerin Merkel und Präsident Sarkozy angekündigt worden. In den beiden kommenden Monaten soll sie Gestalt annehmen.

Laut Steinbrück sollte auch die Finanzindustrie die nächsten beiden Monate nutzen, ihre Regeln zu überdenken, „weil das in ihrem Interesse ist“. Der Fokus der neuen Initiative soll nicht mehr, wie Anfang des Jahres, auf den Hedge-Fonds liegen, sondern auf den Rating-Agenturen. Es könne nicht sein, so Steinbrück, daß diese an der Strukturierung von Finanzprodukten teilnehmen und ihnen dann den Bonitätsausweis ausstellen. Auch über die Rücklagevorschriften für Banken, die durch die Anfang 2008 in Kraft tretenden Basel-II-Initiative verschärft werden, soll noch einmal geregelt werden.

Klar ist aber, daß die Beteiligten alles versuchen wollen, um die Hauptakteure an den Finanzmärkten und ihre politischen Hintermänner in Washington und London möglichst zu beschwichtigen. „Die Idee besteht darin“, wurde dieser Tage ein hoher französischer Regierungsbeamter zitiert, „über die bloße Diagnose hinauszugehen und konkrete Vorschläge zu machen. Doch das wird unseren US-amerikanischen und britischen Freunden möglicherweise schwer zu verkaufen sein. Es macht deshalb keinen Sinn, Vorschläge zu machen, die keine Aussicht haben, akzeptiert zu werden. Also werden wir bescheiden bleiben.“

19. September 2007

NGOs fordern Flugticketabgabe und UNITAID-Beitritt Deutschlands

Morgen, am 20. September wird die innovative Entwicklungsinitiative UNITAID ein Jahr alt und Deutschland ist immer noch nicht dabei. Dies kritisieren der Verband Entwicklungspolitik deutscher Nichtregierungsorganisationen (VENRO) und die Aktion „Deine Stimme gegen Armut“. UNITAID verwendet Einnahmen, die mit einer Solidaritätsabgabe auf Flugtickets gewonnen werden, um Medikamente zur Bekämpfung von AIDS, Malaria und Tuberkulose in armen Ländern zu erwerben. Damit schlägt die Initiative zwei Fliegen mit einer Klappe: Die Flugticketabgabe verteuert den umweltschädlichen Flugverkehr und dient damit auch dem Klimaschutz. Die Bekämpfung der Infektionskrankheiten trägt zur Armutsbekämpfung bei. Bereits 27 Staaten unterstützen aktiv die Arbeit von UNITAID.

„Deutschland bezeichnet sich auf dem internationalen Parkett stets als Vorreiter in Sachen Klimaschutz. Warum die Bundesregierung sich trotzdem einer multilateralen Initiative zum Schutz des Klimas verweigert, die gleichzeitig auch der Armutsbekämpfung dient, kann wohl keiner unserer internationalen Partner verstehen“, so Claudia Warning, die Vorstandsvorsitzende von VENRO (s. Photo). Die deutsche Abstinenz widerspreche auch den Vereinbarungen: Die schwarz-rote Bundesregierung hatte die Einführung innovativer Finanzierungsinstrumente für Entwicklungszusammenarbeit explizit im geltenden Koalitionsvertrag fest geschrieben. Nur mit Instrumenten wie der Flugticketabgabe könnten genügend Gelder mobilisiert werden, um Deutschlands internationale Verpflichtungen in der Armutsbekämpfung einzuhalten, so hatte die Bundesregierung stets argumentiert. Das sieht auch die Mehrzahl der deutschen Bürger so: Bei einer Umfrage von TNS Infratest hatten knapp zwei Drittel (65,8 Prozent) aller Befragten die Einführung einer Kerosinsteuer oder Flugticketabgabe zur Finanzierung der Entwicklungshilfe für gut geheißen.

17. September 2007

Ecofin: Berichte statt Initiativen

Auch den europäischen Finanzministern fiel bei ihrem informellen Treffen am 14./15. September in Porto (s. Photo) nicht viel mehr ein, als ihren Wirtschafts- und Finanzausschuß mit der Erstellung eines Berichts zu beauftragen, der so ziemlich dieselben Punkte bearbeiten soll, wie der FSF-Bericht (s. vorheriger Eintrag). Sieben Wochen nach dem Ausbruch der Krise übt sich ihr Kommuniqué in der Sprachregelung, daß die Turbulenzen auf den Finanzmärkten zwar ernst zu nehmen, die wirtschaftlichen Fundamentaldaten in Europa aber gleichwohl gut seien. Die Minister bereiteten für ihre Oktober-Sitzung die Verabschiedung von Prinzipien zur Behandlung grenzüberschreitender Bankenkrisen in Europa vor, ließen die Frage jedoch offen, wie die finanzielle Lastenteilung zwischen den EU-Mitgliedern in solchen Fällen aussehen soll. Inzwischen gibt es 46 Bankengruppen in Europa mit grenzüberschreitendem Charakter und 21 mit signifikanten Tätigkeiten außerhalb des Landes, in dem sich ihr Hauptsitz befindet, heißt es in einem Bericht, der den Ministern vorlag.

Fast einhellig fiel das Lob der Ecofin-Teilnehmer für die Krisenintervention der Europäischen Zentralbank in den letzten Wochen aus. Lediglich der französische Präsident Nicolas Sarkozy störte die Eintracht mit einem Pressegespräch. Statt die Zinsen zu senken, habe die EZB mit ihren Milliardenspritzen nur die Spekulation angeheizt. Auch der Vorsitzende der Eurogruppe, Luxemburgs lobverwöhnter Premierminister Jean-Claude Juncker, bekam sein Fett ab: „Welche Initiativen hat er ergriffen“, fragte Sarkozy. Die Frage ließe sich auch in Bezug auf den gesamten Ecofin aufwerfen.

15. September 2007

Fortgesetzte Finanzmarkt-Debatte: Transparenz oder Regulierung?

Jetzt mußte also auch eine englische Immobilienbank vor der Zahlungsunfähigkeit gerettet werden. Während der Chef der Bank of England, Mervyn King, noch am Mittwoch versicherte, in Großbritannien käme ein solcher „Bail-Out“ nicht in Frage, tat die britische Zentralbank am letzten Freitag genau das und stellte der Northern Rock-Bank die benötigten Finanzspritzen zur Verfügung – abgesichert dazu noch durch Immobilienkredite und die in Verruf geratenen CDOs („Collateralized Debt Obligations“). Der Vorfall dürfte dazu beitragen, die Debatte um eine bessere Regulierung der Finanzmärkte weiter zu beflügeln. (Wie die Krise angefangen hat, behandelt unser Video-Clip.)



Die Debatte kreist derweil um die Frage, ob eine bessere Transparenz der Märkte künftig Turbulenzen wie in diesem Sommer verhindern könnte, oder ob eine weitergehende, internationale Regulierung erforderlich wäre. Während einige dies als Gegensatz sehen (>>> Attac fordert endlich wirksame Regulierung der Finanzmärkte), reduziert sich die Regulierung der Finanzmärkte für andere auf die Herstellung von mehr Transparenz. So schreibt etwa der Kolumnist der Financial Times Wolfgang Münchau: „Eine der tiefen Ursachen dieser Krise besteht darin, daß Investitionsbanken in der Lage waren, Risiken in modernen Finanzprodukten geschickt und legal zu verbergen.“ (>>> Vergeßt die „Heuschrecken“) Wahrscheinlich liegt die Wahrheit irgendwo dazwischen: Denn die Herstellung von Transparenz ist zweifellos eine Voraussetzung für die effektivere Regulierung der Finanzmärkte und sollte deshalb nicht gering geschätzt werden.

In der Realität sind die einschlägigen Initiativen allerdings nicht gerade durch Tempo gekennzeichnet. Die Finanzminister der G7 wollen erst einmal wieder einen Bericht beim Forum für Finanzmarktstabilität (FSF) in Auftrag geben, der bis zu ihrem Treffen am Vorabend der Jahrestagung von IWF und Weltbank in Washington (20.-22. Oktober) in einer ersten Fassung vorgelegt werden soll. Seine wichtigsten Punkte: (1) Liquidität der Finanzinstitution und deren Risikoverhalten, einschließlich die sog. Strukturierten Wertpapiere; (2) Rechnungslegung und Bewertung von Derivaten; (3) Prinzipien für die Finanzmarktaufsicht, vor allem bei außerbilanzlichen Produkten; (4) Rolle der Rating-Agenturen. Herauskommen soll dabei ein „Rahmen zur Beendigung der Marktvolatilität“, wie die beiden Unterstaatssekretäre im US-Finanzminiserium, David McCormick und Robert Steel, in der letzten Woche schrieben. Doch bereits den letzten ISF-Bericht hatten die G7-Finanzminister im letzten Mai wohlwollend, aber ohne konkrete Konsequenzen zu ziehen, „zur Kenntnis genommen“.

12. September 2007

Regulierung der Kapitalmärkte, aber wie?

Die Turbulenzen an den Finanzmärkten halten jetzt schon länger an, als es bei ihrem Ausbruch in der letzten Juli-Woche den Anschein hatte. Selbst kritische Zeitgenossen versicherten damals, daß bereits im September wieder Business as usual herrschen würde. Doch das Gegenteil ist der Fall. Wie der US-amerikanische Finanzminister Hank Paulson in der heutigen Financial Times sagt, werden die Folgen der aktuellen Kreditkrise länger anhalten als in den vergleichbaren Fällen der geplatzten New Economy-Blase Anfang des Jahrzehnts, der Asienkrise vor zehn Jahren oder der Schuldenkrise der 1980er Jahre. Der ökonomische Chefkommentator der FT, Martin Wolf, schreibt sogar, die Finanzmärkte hätten die Weltwirtschaft zur Geisel genommen und die Zentralbanken in ein schier auswegloses Dilemma gebracht: Sollen sie jetzt eine Bank nach der anderen aus der meist selbstverschuldeten Malaise retten oder in Kauf nehmen, daß Hunderttausende einfacher Häuslebauer und Kreditnehmer die Opfer schon tragen werden?

Und so werden wir noch öfter Gelegenheit und Bedarf haben, das Thema aufzugreifen, das im Mittelpunkt der neuesten Ausgabe des Informationsbriefs Weltwirtschaft & Entwicklung (s. Abbildung) steht (>>> W&E 09/2007). Diese zeichnet die Anatomie der jüngsten globalen Finanzkrise nach und fragt u.a. nach den Erfordernissen, das internationale Währungsregime zu reformieren, sowie nach der Bedeutung des US-Defizits für die Entwicklungsländer. Letztere, vor allem die Schwellenländer sind bislang recht unbeschadet von der jüngsten Krise davon gekommen. Vor diesem Hintergrund empfiehlt die UNCTAD in ihrem neuen Jahresbericht, den W&E vorstellt, sich durch regionale währungs- und finanzpolitische Zusammenschlüsse vor künftigen Attacken und Übergriffen zu schützen.

Ein Thema, das durch die aktuelle Kreditkrise wieder ins Zentrum der politischen Debatte gerückt ist, bedarf sicherlich der weiteren Bearbeitung, auch in diesem Blog, nämlich die Frage, wie die Kapitalmärkte künftig besser oder überhaupt reguliert werden können. Eine Heuschreckenpolemik, die ihre Begriffe aus dem Tierreich entlehnt, hilft dabei sicher nicht viel weiter. Wichtig wären dagegen folgende Fragen:
* Was etwa ist der volkswirtschaftliche Sinn von Krediten, die für die Finanzierung von Firmenübernahmen gegeben werden, die dann nach allen Regeln des modernen Raubrittertums ausgeschlachtet werden?
* Könnte man nicht auf Praktiken verzichten, deren Sinn nur darin besteht, das Kreditvergaberisiko überliquider Banken an andere weiterzureichen und zu internationalisieren?
* Und wie ist es um Rating-Agenturen bestellt, die zweifelhaften Papieren und Fonds erstklassige Bonitätsausweise ausstellen, ohne jemals damit rechnen zu müssen, im Falle des Scheiterns zur Verantwortung gezogen zu werden?
Die Bundesregierung hätte vielleicht die Chance, aus ihrer bislang mißglückten G8-Präsidentschaft, die ja bis Ende 2007 dauert, doch noch was zu machen.

7. September 2007

Strauss-Kahn für System doppelter Mehrheit im IWF

Der designierte Geschäftsführende Direktor des IWF, Dominique Strauss-Kahn, hat ein System der doppelten Mehrheit ins Gespräch gebracht, um die Repräsentation der Mitgliedsländer im Fonds zu verbessern. In einem Meinungsartikel im gestrigen Wall Street Journal (>>> My Vision for the IMF) plädiert der „Kandidat der Reform“ (so Strauss-Kahn über sich selbst) dafür, die derzeitigen Reformbestrebungen, wie die neue multilaterale Surveillance oder die Quotenreform, zügig voranzutreiben und möglichst noch darüber hinaus zu gehen. Wörtlich schreibt Strauss-Kahn:

„Doch die Quotenreform reicht möglicherweise nicht aus. Ich glaube, die Dynamik der Entscheidungsprozesse muß so verändert werden, daß der Beitrag der Entwicklungs- und Schwellenländer entscheidend gestärkt wird. Um das zu erreichen, sollten neue Regeln der Abstimmung in Betracht gezogen werden. Zum Beispiel könnte für eine Reihe von wichtigen Entscheidungen eine doppelte Mehrheit der Quoten und der Länder erforderlich sein, um so sicher zu sein, daß diese Entscheidungen, die zentrale Aspekte der Institution betreffen, unzeifelhafte Unterstützung genießen. Ein Abstimmungssystem der doppelten Mehrheit würde zwei Arten von Mehrheitskriterien beinhalten, z.B. das existierende Quotensystem, das die IWF-Stimmen nach der ökonomischen Stärke gewichtet, und ein Verfahren, bei dem jedes Land eine einzige Stimme hat.“

Mit diesem Vorschlag greift Strauss-Kahn eine Position auf, wie sie in NGO-Kreisen schon lange vertreten wird (s. zuletzt: W&E-Hintergrund April 2007). Der Vorschlag hat, sofern er ernst gemeint ist und nicht bloße Wahlkampfpropaganda, das Potential, die Verhältnisse im IWF wirklich in die Richtung einer neuen Balance zwischen Nord und Süd zu verändern. Übrigens würde er auch gut auf die Weltbank „passen“. Diese zitiert in ihrer gestrigen Presseschau den Strauss-Kahn-Artikel ausführlich, läßt dabei jedoch ausgerechnet die obige Passage weg. Warum wohl?