27. September 2017

Ende des billigen Geldes?

FED-Chefin Janet Yellen
Die Ankündigung der US-amerikanischen Zentralbank Federal Reserve (FED) in der letzten Woche, in diesem Jahr noch eine weitere Erhöhung des Zinssatzes in Erwägung zu ziehen und schon nächsten Monat mit der Rückführung ihres multibillionen schweren Anleiheguthabens zu beginnen, könnte der Auftakt zur Beendigung der nach der Finanzkrise eingeführten lockeren Geldpolitik gewesen sein. Denn nicht nur von der FED wird ein weiterer Zinsschritt für kommenden Dezember erwartet. Die Bank of England dürfte im nächsten November zum ersten Mal seit Juli 2007 die Zinsen erhöhen. Und auch die Europäische Zentralbank (EZB) hat für den nächsten Monat Pläne angekündigt, wie sie ihr 2 Billionen schweres Anleihekaufprogramm (die europäische Variante des Quantitative Easing) zurückfahren will.


Doch ist der Chor der geldpolitischen Falken, die erleichtert das Wiederanziehen der Zinsen und der Kapitalmarktpolitik in Aussicht sehen, nicht so einstimmig, wie es manchmal – zumal in Deutschland – den Anschein hat. Die „Zentralbank aller Zentralbanken“, die Bank für Internationalen Zahlungsausglich (BIS) schreibt in ihrem letzten Quartalsbericht, die Welt habe sich so an die billigen Kredite gewöhnt, dass höhere Zinsraten die globale wirtschaftliche Erholung zum Entgleisen bringen könnten. Die Zentralbankgouverneure sähen sich einem delikaten Balanceakt gegenüber, wenn sie versuchen, die Märkte und die Wirtschaft von der außerordentlich billigen Kreditschwemme zu entwöhnen. Der Chefökonom der BIS, Claudio Borio, wies bei der Vorstellung des Berichts darauf hin, dass viele Unternehmen im Zuge der lockeren Geldpolitik massive Schulden angehäuft haben, die zur Gefahr werden könnten, wenn die Zinsen steigen.

Wiederum andere, so Adair Turner, der ehemalige Vorsitzende der britischen Behörde für Finanzdienstleistungen und jetzige Chef des Institute for New Economic Thingking (>>> The Normalization Delusion), halten das ganze Gerede von der globalen Erholung oder gar einer weltwirtschaftlichen Normalisierung schlicht für eine Illusion, die psychologisch zwar zu erklären sei, da nach tiefen Einschnitten wie der Finanzkrise bereits eine schwache Wiederbelebung als Normalisierung wahrgenommen wird – was jedoch nichts daran ändert, dass sich die Leute selbst täuschen. Auch wenn die teilweise Erholung in diesem Jahr weder eine Rückkehr zum Vorkrisenniveau noch als alleiniger Erfolg der Geldpolitik gewertet werden könne, gäbe es dennoch einige Gründe für eine gewisse Zinssteigerung. Denn ab einem gewissen Punkt nehme die Effektivität einer lockeren Geldpolitik ab, von der Verschärfung der Ungleichheit durch den derzeit herrschenden policy mix ganz abgesehen. Mit dramatischen Zinssteigerungen in den nächsten beiden Jahren rechnet Turner freilich nicht. In den USA sieht er bis 2020 einen zengtralen Zinssatz von höchstens 2,5%, in Japan und Europa maximal 1%, vor allem wenn die extrem schwache Inflation weiter in Richtung Deflation weist.

26. September 2017

Agenda 2030: Deutsche Verantwortung nach der Wahl

Fast genau auf den Tag der deutschen Bundestagswahl jährte sich die Verabschiedung der UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung (Agenda 2030) zum zweiten Mal. Umwelt- und Entwicklungsorganisationen sehen die kommende Bundesregierung in der Pflicht, alles für das Erreichen der für das Jahr 2030 gesteckten globalen Ziele zu tun. "Gerade jetzt, wo Rechtsradikale, Nationalisten und Klimawandel-Leugner im Bundestag sitzen, ist es umso wichtiger, klar für die  Menschenrechte und den Erhalt der weltweiten Lebensgrundlagen Position zu beziehen", sagte Klaus Milke, Vorsitzender von Germanwatch und Mitherausgeber von W&E. "Die bisherige Bundesregierung hat auf UN-Ebene maßgeblich zur Vereinbarung der 2030-Agenda mit ihren 17 Zielen nachhaltiger Entwicklung beigetragen und sich dazu verpflichtet, diese für Deutschland umzusetzen.“

Um die Ziele hierzulande und weltweit zu erreichen, müsse die künftige Bundesregierung schon in den Koalitionsverhandlungen konkrete Schritte festlegen. Solche Schritte könnten die bisherigen Defizite auszuräumen. Dies betrifft zum Beispiel den Übergang zu einer nachhaltigen Landwirtschaft, das Erreichen von Geschlechter- und Verteilungsgerechtigkeit, nachhaltige Städte mit bezahlbarem Wohnraum und gesunder Mobilität sowie die Sicherstellung nachhaltiger Konsum- und Produktionsmuster. Ein sozialverträglicher Kohleausstieg und der Rahmen für eine Verkehrswende müssen jetzt beschlossen werden.

Ähnlich forderte in einem gestern veröffentlichten Aufruf das Sustainable Development Solutions Network Germany (SDSN Germany) den neuen Bundestag und die nächste Bundesregierung auf, die Agenda 2030 mit ihren 17 Zielen nachhaltiger Entwicklung in das Zentrum der inneren und äußeren Politiken zu stellen. Der Aufruf von SDSN Germany formuliert für den neuen Koalitionsvertrag konkrete Empfehlungen. „Die 2030-Ziele beziehen sich auf Schlüsselanliegen der Zukunftsfähigkeit Deutschlands und seiner Rolle in der Welt“, heißt es in dem Aufruf. Nachhaltigkeit sei kein weltfernes Konzept, sagte SDSN-Kovorsitzende Gesine Schwan, Präsidentin der Humboldt-Viadrina Governance Platform. Es gehe vielmehr um ganz konkrete Anliegen aus der Lebenswirklichkeit unseres Landes wie die Vermeidung von Kindes- und Altersarmut, die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum in Städten oder nachhaltige Mobilitätskonzepte. Der Aufruf würdigt die deutschen Beiträge der letzten Jahre zur Vereinbarung der Agenda 2030 und des Pariser Klimaabkommens, mahnt jetzt aber eine mutigere und wirksamere Umsetzung an. Das Erreichen der 2030-Ziele sei ein Gebot wirtschaftlicher Vernunft, sozialer Gerechtigkeit und ökologischer Verantwortung.