25. Januar 2018

Am amerikanischen Wesen soll die Welt genesen?

Der Trump-Auftritt in Davos wirft seine Schatten voraus. In den höchsten Tönen priesen gestern sowohl US-Finanzminister Steven Mnuchin als auch US-Handelsminister Wilbur Ross die America-First-Agenda des US-Präsidenten und kündigten weitere protektionistische Maßnahmen im internationalen Handel an. „America First“ bedeute auch, „mit dem Rest der Welt zu arbeiten“, meinte Mnuchin. Und: „Was gut ist für die USA, ist gut für den Rest der Welt.“ Sein Kollege Ross sekundierte: „Handelskriege werden jeden Tag ausgefochten… Und leider gibt es jeden Tag auch verschiedene Parteien, die die Regeln verletzen und versuchen, unfaire Vorteile zu bekommen. Somit finden Handelskriege schon eine ganz schöne Weile statt. Der Unterschied besteht darin, dass die US-Truppen jetzt an die Rampe treten.“


Vor dem Hintergrund dieser aggressiven America-First-Rhetorik dürfte die antinationalistische Rede des französischen Präsidenten Manuel Macron umso mehr geglänzt haben. Doch ist es mehr als fraglich, ob sein Plädoyer für eine „inklusivere Globalisierung“ die erforderliche Glaubwürdigkeit aufweist, um die „Vergessenen und Zurückgelassenen“ (Macron) zu gewinnen – trägt doch die eigene „Reformagenda“ daheim, vor allem die Deregulierung der Arbeitsmärkte, deutlich die Handschrift jener neoliberalen Globalisierung, die jahrelang auch und gerade in Davos gepredigt wurde. Eine ähnliches Problem dürfte die deutsche Kanzlerin mit ihrem Plädoyer für multilaterale Lösungen haben: „Man muss die Geduld haben,“ so Angela Merkel gestern in Davos, „multilaterale Lösungen zu finden und nicht in die scheinbar leichtere Lösung des Handelns nach nationalen Interessen abzugleiten.“ Wenn das so wichtig ist, dann fragt man, sich, warum dann vom Multilateralismus kaum was drinsteht im umstrittenen Sondierungspapier für eine GroKo in Berlin (>>> Blamables Resultat).

Zweifellos positiv ist das starke Plädoyer von Merkel und Macron für ein stärkeres Europa. Aber auch hier wäre noch zu klären, auf welchen Fundamenten dieses Europa aufgebaut werden soll. Wie bisher als Resultante neoliberaler Wirtschaftspolitiken der Mitgliedsländer, wobei im Zweifel die stärksten die Richtung diktieren? Oder als solidarisches Europa mit Ausgleichsmechanismen für die Schwachen, zu denen zweifellos die Stärksten das meiste beitragen müssten. Ganz unbekannt ist letzteres auch in der EU nicht, wie die die Geschichte der innereuropäischen Regionalpolitik zeigt. Nur ist vieles davon in Vergessenheit geraten und anderes, wie Eurobonds, Solidaritätsfonds oder – zuletzt – die europäische Finanztransaktionssteuer, immer wieder blockiert worden.

23. Januar 2018

WEF 2018: Zum Auftakt deutliche Warnrufe inmitten rosiger Stimmung

Selten ist ein NGO-Report auf solche Resonanz gestoßen wie der alljährliche Oxfam-Bericht zur globalen Ungleichheit. Aus dem diesmal wieder zum World Economic Forum (WEF) in Davos vorgelegten Bericht (>>> Reward Work, not Wealth) geht hervor, das das reichste Prozent der Weltbevölkerung im letzten Jahr 82% des erwirtschafteten Vermögens eingestrichen hat. Die 3,7 Milliarden Menschen, die die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung ausmachen, haben dagegen überhaupt nicht vom Vermögenswachstum profitiert. Oxfam fordert, die Steuervermeidung von Konzernen und Superreichen zu stoppen, faire Einkommen für Frauen und Männer durchzusetzen und in Bildung und Gesundheit für alle zu investieren.


Es ist ein Bericht der Rekorde: Zwischen 2016 und 2017 ist die Zahl der Milliardäre angestiegen wie nie zuvor – alle zwei Tage kam ein neuer Milliardär hinzu. Mit 2043 Milliardären lag sie im Jahr 2017 auf einem Rekordhoch. - In nur vier Tagen verdient ein Vorstandsvorsitzender eines der fünf größten Modekonzerne so viel wie eine Näherin in Bangladesch in ihrem ganzen Leben. - Das reichste Prozent der Weltbevölkerung besitzt weiterhin mehr Vermögen als der gesamte Rest und so weiter.

Und die Reichsten, die von Freund wie Feind beschönigend „die globale Elite“ genannt werden, reagieren, jedenfalls ihre Spinndoktoren. Zur Eröffnung des WEF wurden in diesem Jahr zwei Berichte vorgelegt: Der eine (>>> Towards a Reskilling Revolution: A Future of Jobs for All) beschwört die Gefahren der digitalen Revolution, der allein in den USA 1,4 Mio. Jobs zum Opfer fallen könnten. Doch mit einem massiven Umschulungsprogramm könnten die allermeisten wieder in Lohn und Brot gebracht werden. Der andere (>>> Inclusive Development Index2018) mahnt, dass eine einseitige Orientierung auf die Maximierung des Bruttosozialprodukts die soziale Ungleichheit verschärfen und zu sozialen Verwerfungen führen kann. So habe sich in den letzten fünf Jahren in 20 von 29 Industrieländern und in 56 von 57 Schwellen- und Entwicklungsländern die soziale Inklusion verschlechtert.

Das relativiert die rosigen Aussichten, die der IWF gestern in seinen erstmals in Davos vorgestellten Zahlen für die globalen Wachstumsaussichten zeichnet. Danach sind wir mitten im „breitesten Aufschwung“ seit 2010, mit einem Wachstum von 3,9% für dieses und nächstes Jahr. Doch der IWF wäre nicht der IWF, würde er dies nicht stets mit Hinweisen auf die weltwirtschaftlichen und weltpolitischen Risiken verbinden. „Das überragende Risiko ist Selbstzufriedenheit“, sagte der Chefökonom des Fonds, Maurice Obstfeld. „Wir könnten einer Rezession näher sein, als Sie denken.“ Und Christine Lagarde, die Geschäftsführende Direktorin des IWF, goss weiteres Wasser in den Wein: „Es gibt immer noch weit zu viele Menschen, die von der Erholung außen vor gelassen werden.“ Um die Warnung anzuschließen: „Wachstum muss inklusiver sein, nicht nur zwischen, sondern auch innerhalb der Länder.“

Wenn diese Frau auf die notwendigen Politiken zu sprechen kommt, klingt es schon fast wie bei Oxfam: Der Fokus müsse auf Ausbildung, neue Chancen für junge Leute und darauf gelegt werden, mehr Frauen in Arbeit zu bringen. Durch internationale Zusammenarbeit müssten gemeinsame Probleme angegangen werden, darunter der Kampf gegen die Korruption, die Verbesserung des Handelssystems und die Bekämpfung der Steuerflucht. Doch wie heißt es so treffend in Oxfams neuer Studie: „Es ist schwer, einen führenden Politiker oder Geschäftsmann zu finden, der nicht sagt, ihm mach die Ungleichheit Angst. Doch Handeln, nicht Worte, zählen, und hieran mangelt es den meisten.

16. Januar 2018

Trump in Davos: Der Elefant im Porzellanladen?

Das diesjährige Motto des World Economic Forum (WEF), das vom 23.-26. Januar stattfindet, lautet: „Creating a Shared Future in a Fractured World“ („Eine geteilte Zukunft in einer zerklüfteten Welt schaffen“). Logisch interpretiert heißt das: Die globale Elite will diskutieren, wie sie sich auf die durch den Trump-Sieg, den Brexit, zunehmende Xenophobie etc. gekennzeichnete neue Weltsituation einstellt. Da war die Überraschung groß, als mit Trump eines der größten Enfants terribles, das derzeit die Weltordnung aufmischt, seine Teilnahme ankündigte. Nicht nur, weil diese Präsenz wieder einmal zu Demonstrationen Anlass geben könnte. Auch weil Trump bislang als einer der lebenden Gegenentwürfe zur globalisierten Welt der Davos-People gilt.


Doch stimmt das wirklich und in dieser Entgegensetzung? Das Weiße Haus ließ zu dem geplanten Auftritt in Davos verlauten, dass Trump stets daran interessiert sei, einem geeigneten Pubikum seine Politik des „America First“ zu erläutern. Der Gründer und Vorsitzende des Weltwirtschaftsforums, Klaus Schwab, verbucht die Ankündigung als Volltreffer, erhöht sie doch die globale Aufmerksamkeit für sein Forum abermals. Als wolle er sich auf die Zusammenkunft mit der Globalisierungselite in Davos vorbereiten, übt sich Trump daheim schon mal in schaumgebremster Rhetorik und schickt seinen rechtsradikalen Berater Bannon endgültig in die Wüste.

Rhetorisches Wechselspiel ist das eine, die politische Praxis das andere. Es stimmt, dass Trump bislang nicht viel von seiner Antiglobalisierungsagenda umgesetzt: „Trumps einschüchternde Tweets gegenüber US-Unternehmen, die ihre Produktion ins Ausland verlagern oder Steuerflucht betreiben, waren nur billiges Gerede, und die Wirtschaftsbosse wissen das. Jene Hersteller, die Trump glauben machten, dass sie ihre Produktion in den USA aufrechterhalten würden, haben still und leise weiter Produktionsbereiche nach China, Mexiko und anderswo hin ausgelagert. Zudem bieten die Auslandsbestimmungen im anhängigen Steuergesetz multinationalen US-Konzernen sogar noch größere Anreize, im Ausland zu investieren, Personal einzustellen und zu produzieren und dabei durch Transferpreise und andere Maßnahmen die Gewinne in Niedrigsteuerländern zu bunkern“, so Nouriel Roubini (>>> W&E 11-12/2017).

Und das einzige wirklich erfolgreiche Projekt der Trump-Administration, die sog. Steuerreform, ist ein gigantisches Umverteilungsprojekt von unten nach oben, wie es auch nach dem Geschmack so manches Davos-Reisenden sein dürfte. Für die relativ zufriedenstellende wirtschaftliche Konjunktur in den USA, die Trump derzeit zupass kommt, kann er zwar nicht so viel. Doch attestieren ihm immerhin etliche aus der arrivierten Wirtschaftswelt, dass er mit seiner Derulierungspropaganda dazu beigetragen habe, jene „animalischen Triebe“ anzustacheln, die man auch in Davos schätzt.

Dies alles könnte zu der These führen, dass Trump selbst ein Teil der reichen „Elite“ ist, die sich in Davos ihr alljährliches Stelldichein gibt, und nicht nur ihr Antipode, den er so gerne spielt. Jedenfalls ist Trump nicht der Elefant (auch deshalb, weil die USA in den letzten Jahren einiges an Gewicht eingebüßt haben). Auch seine rhetorischen Provokationen sind durchaus kalkuliert und geplant. Wir werden sehen, was die Davos-People da erwartet. Doch auch Davos ist kein Porzellanladen, sondern ein robustes Projekt, das Trump und das große Gefolge, das er mitbringt, durchaus aushalten wird.

15. Januar 2018

60 Jahre Bundeskartellamt: Ausufernde Marktmacht der Megakonzerne

Zum 60. Geburtstag des Bundeskartellamts in der letzten Woche haben 24 Organisationen aus dem Umwelt-, Landwirtschafts- und Entwicklungsbereich eine Kampagne gegen die ausufernde Marktmacht der Großkonzerne begonnen. Ihre Forderung an die nächste Bundesregierung: Das Kartellrecht verschärfen, um die Marktmacht von Konzernen zu begrenzen. Die Marktkonzentration ist mittlerweile so weit fortgeschritten, dass sie kleinere Unternehmen stark benachteiligt. Zulieferer, Bauern und Bäuerinnen und Arbeiter/innen in Produktionsländern können sich gegen übermächtige Unternehmen kaum noch durchsetzen.


Das Bündnis „Konzernmacht beschränken“ fordert die Politik auf, den gefährlichen Trend zu immer mehr Marktkonzentration zu stoppen: Fusionen sollten schon bei Unternehmen mit einem Marktanteil von 20% verboten werden können. Zusammenschlüsse über mehrere Produktions- und Handelsstufen hinweg müssen häufiger untersagt werden. Zudem sollten Unternehmen zu mehr Transparenz verpflichtet werden und ihre Firmenstrukturen, Marktsegmente, Verflechtungen und Lobbyaktivitäten offenlegen müssen. In hochkonzentrierten Märkten braucht das Kartellamt ein schlagkräftiges Instrument, um als letztes Mittel Konzernteile oder Geschäftsfelder übermächtiger Konzerne abzukoppeln.

Unterstützung bekommt das Bündnis von Prof. Tobias Lettl, Hochschullehrer für Bürgerliches Recht, Handels- und Wirtschaftsrecht an der Universität Potsdam, der für Oxfam ein Gutachten erstellt hat. „Die Fusionskontrolle greift nicht in hochkonzentrierten Märkten“, attestiert Lettl und empfiehlt Eingriffe des Staates: „Um etwa im IT-Sektor und dem Pestizid- und Saatgutgeschäft den Wettbewerb wiederzubeleben, sollten als letztes Mittel staatliche Eingriffe möglich gemacht werden, um Konzernstrukturen zu entflechten.“

In begleitenden Materialien hat das Kampagnenbündnis zahlreiche Beispiele zusammengestellt:

* Im IT-Bereich ist eine bedrohliche Manipulationsmacht durch Daten-Monopole entstanden. Im Werbemarkt und bei der Suche im Internet hat Google faktisch eine Monopolstellung und ist für viele Nutzer der zentrale Zugang zum Internet geworden. Durch seine vielen weiteren „Gratis“-Dienste wie E-Mail, den Routenplaner Maps, die Dokumentenverwaltung Docs, die Videoplattform Youtube, den Browser Chrome und das Smartphone-Betriebssystem Android sammelt Google exzessiv Daten. Ähnlich problematisch ist Facebook, das 75% der mobilen Kommunikationsdienste kontrolliert.
* Im Agrarsektor gefährdet die Marktkonzentration Demokratie und Ernährungssouveränität. Die geplante Fusion von Bayer und Monsanto sollte die EU-Kommission ablehnen.
* In der Autoindustrie fehlt es an Konsequenzen bei Verfehlungen. Die Autokonzerne in Deutschland sind enorm mächtig und eng mit der Politik verflochten. Auch nach dem Diesel-Skandal dürfen sie Pkw auf den Markt bringen, die den Grenzwert für gesundheitsschädliche Stickoxide um teils mehrere hundert Prozent überschreiten.
* Im Lebensmittelsektor fungieren Supermärkte als „Türsteher des Marktes“. Die vier größten Lebensmittelkonzerne Edeka, Rewe, Aldi und die Schwarz-Gruppe (Lidl und Kaufland) verfügen bereits über einen Marktanteil von 85%. Die Preise, die liefernden Landwirten gezahlt werden, sind zu niedrig, um deren Kosten zu decken, und die Arbeitsverhältnisse sind durch menschenunwürdige Bedingungen und Hungerlöhne gekennzeichnet. Für solche Versäumnisse fordert das Plattform-Papier der Kampagne dringend eine unabhängige Beschwerdestelle, die anonym vorgebrachte Missbrauchsfälle untersucht und sanktioniert.

12. Januar 2018

GroKo-Sondierung: Blamables Resultat

Jens Martens (Global Policy Forum, W&E-Mitherausgeber) hat ein paar Bemerkungen zu den Ergebnissen der GroKo-Sondierung herumgeschickt, die er als „vorläufig“ bezeichnet. Sie sind allerdings so treffend, dass wir sie unseren LeserInnen nicht vorenthalten möchten:


* Die Vereinten Nationen werden in dem Sondierungspapier nicht erwähnt, Außenpolitik endet (abgesehen von einigen allgemeinen Worthülsen und dem Thema Fluchtursachenbekämpfung) an den Außengrenzen der EU.
* Auch die Themen Nachhaltigkeit, Nachhaltige Entwicklung, Agenda 2030, SDGs kommen auf den 28 Seiten des Sondierungspapiers nicht vor. Die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie ist kein Thema.
* Vom Klimaziel 2020 hat sich die potentielle GroKo verabschiedet.
* Menschenrechte werden lediglich einmal erwähnt, das Thema Wirtschaft und Menschenrechte bzw. die Verantwortung (oder gar Regulierung) von Unternehmen kommt nicht vor.
* Entwicklungspolitik kommt als eigenständiges Thema nicht vor, sondern wird lediglich unter "Fluchtursachen" subsumiert. Noch schlimmer (und bezeichnend): Das 0,7-Prozent-Ziel wird in dem Abschnitt "Bundeswehr" (!) erwähnt.
* Die Tabelle mit konkreten Finanzierungszusagen enthält unter der Überschrift "Internationale Verantwortung bei Sicherheit und Entwicklung" einen einzigen Posten: Die Erhöhung der "Etats für Verteidigung und ODA-Quote" (sic!) um insgesamt 2 Mrd. € für den Zeitraum 2018-2021.

Dem ist kaum etwas hinzuzufügen.