27. November 2017

Ruf nach ILO-Konvention gegen geschlechterbasierte Gewalt

Den Tag der Vereinten Nationen zur Beseitigung der Gewalt gegen Frauen und Mädchen am vergangenen Samstag haben Gewerkschaften und Frauengruppen dazu genutzt, für eine starke ILO-Konvention gegen genderbasierte Gewalt zu mobilisieren. Ein solches Rahmenwerk mit internationalen Arbeitsstandards zur Beendigung von Gewalt und Belästigung am Arbeitsplatz soll auf der Internationalen Arbeitskonferenz der ILO im Juni nächsten Jahres entwickelt werden. Während die erniedrigende Behandlung von Frauen in der Unterhaltungsindustrie und sogar in nationalen Parlamenten inzwischen in die Schlagzeilen gelangt ist, gebühre der grassierenden Gewalt in anderen Bereichen der Arbeitswelt die gleiche Aufmerksamkeit.


Mehr als ein Drittel der Frauen weltweit erfahren Gewalt am Arbeitsplatz, zu Hause oder in der Gemeinde, wobei dem Handeln in der Arbeitswelt eine Schlüsselrolle im Kampf gegen die Gewalt zukommt. „Frauen in jedem Beschäftigungssektor sind Gewalt und Belästigungen in großem Maßstab ausgesetzt“, sagt die Generalsekretärin des Internationalen Gewerkschaftsbunds (IGB bzw. ITUC) Sharan Burrow, „und wo sie des gewerkschaftlichen Schutzes beraubt sind, ist die Situation noch schlimmer. Die Gewalt ist offenkundig in den Lieferketten, in denen Nahrungsmittel und Kleidung und andere Fertigwaren produziert werden. Frauen im Transport-, Gesundheits- Bildungssektor und anderen öffentlichen Dienstleistungen sowie in der Unterhaltungsindustrie erfahren Gewalt, und es ist an der Zeit, dass Regierungen und Arbeitgeber ihre Verantwortung anerkennen und mit dem Gewerkschaften zusammenarbeiten, um dies zu beenden. Es ist ein Skandal, dass sexuelle Übergriffe, Belästigungen und andere Formen der Gewalt am Arbeitsplatz nicht nur toleriert, sondern auch dazu benutzt werden, um Frauen dem Interesse des Konzerngewinns zu unterwerfen.“

Im Kampf gegen genderbasierte Gewalt werden Bildungs- und Bewusstseinskampagnen geführt. In Tarifverhandlungen wird versucht, Bestimmungen durchzusetzen, die Frauen gegen Gewalt schützen und denjenigen Entschädigungen zu zahlen, die zu Opfern von Gewalt werden. Eine ILO-Konvention wäre sicher kein Allheilmittel, könnte solchen Bestrebungen aber günstigere Rahmenbedingungen geben und nicht zuletzt auch stärkere nationale Gesetze zum Schutz vor Gewalt anregen. Interessante Websites zu gewerkschaftlichen Kampagnen gibt es übrigens beim IGB (>>> hier) und bei der ILO (>>> hier).

21. November 2017

COP23: (Wie) geht es weiter?

Gastblog von Gabriele Köhler*)


Zwei bedeutsame Erfolge... Die 23. Klimakonferenz ging am 17. November zu Ende. Manches ist erreicht worden – maßgeblich durch den immensen und kreativen Druck der Zivilgesellschaft. Dazu gehören ein Gender-Aktions-Plan und eine Plattform zu den Rechten indigener Völker. Die zwei Beschlüsse machen bewusst, dass vor allem in einkommensarmen Ländern, Frauen und indigene Gruppen erheblich stärker von den Folgen des Klimawandels und dem Raubbau an Ressourcen betroffen sind als dominante Gruppen.  Positiv gewendet weisen sie darauf hin, dass geschlechtergerechte Politik dem Klimawandel Einhalt gebieten kann, und die indigenen Völker schon immer in Einklang mit den planetaren Grenzen gelebt und gewirtschaftet haben.

... und nach wie vor viel zu tun: Aber die Konferenz hat vieles - noch – nicht erreicht. Die derzeitigen Vorgaben zum Einhalt der Vereinbarungen von Paris (Nationally Determined Contributions) genügen bekanntlich nicht, um die C02-Emissionen, wie 2015 in Paris eigentlich vereinbart, einzuhegen, und die Vertragspartner haben ihre Zusagen nicht, wie für die COP23 geplant, nachgebessert.

Auch in der Finanzierungsfrage ging es nicht voran. Die horrenden Verwüstungen durch Klimakatastrophen intensiveren sich in den letzten Jahren. Betroffene Länder und Gruppen verlangen seit langem, dass Verluste und Schäden finanziell entschädigt werden. Die unendliche Trauer, Familienmitglieder z. B. in einem Hurrikan zu verlieren, oder das Trauma, seine Erwerbsgrundlage als Kleinbäuerin oder Fischer zerstört zu sehen, kann mit keinem Geld wiedergutgemacht werden. Aber die Produktionsmittel, die Wohnhäuser, die Straßen und Wege müssen wiederhergestellt werden, und dafür müssten die heute wohlhabenden  Länder als die historischen Verursacher des globalen Klimawandels aufkommen. Hierfür gab es keine Mehrheit bei EU- und anderen einkommensreichen OECD-Ländern. Geeinigt hat man sich lediglich auf eine vage Formel, genügend Finanzmittel mobilisieren zu wollen. Wir wissen, dass da vorerst  wenig zu erwarten ist, zumindest ist das die Lehre aus dem Bereich der  Nothilfe, wo die humanitären Appelle der Vereinten Nationen (consolidated appeals) bislang chronisch unterfinanziert blieben.

Im Nachgang der Konferenz ist auch angesagt, echte von falschen Freunden zu unterscheiden…

… der vollständige Kommentar findet sich >>> hier.

*) Gabiele Köhler ist Entwicklungsökonomin und Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen. Ein Beitrag mit Impressionen von der COP23 erschien bei W&E >>> hier.

14. November 2017

Paradise Papers: Welche Konsequenzen?

Aktion gegen Steueroasen in London
Die Paradise Papers der vergangenen Woche zeigen nur die Spitze des Eisbergs internationaler Steuervermeidung. Hinweise auf das Ausmaß der Verbreitung dieser Strategie transnationaler Konzerne gab es in der Vergangenheit immer wieder, etwa durch die Entwicklungs- und Nothilfeorganisation Oxfam: So hatten US-Konzerne 2012 allein in Bermuda Gewinne von über 80 Mrd. US-Dollar gemeldet – mehr als in Japan, China, Deutschland und Frankreich zusammen (>>> hier). Eine Analyse von 200 weltweit führenden Unternehmen zeigte, dass neun von zehn mindestens eine Niederlassung in einer Steueroase haben (>>> hier). Auf den Britischen Jungferninseln stehen 830.000 registrierten Unternehmen gerade einmal 27.000 Einwohner gegenüber (>>> hier). 2015 haben europäische Banken Millionenprofite in Steueroasen angemeldet, in denen sie nicht einmal Personal beschäftigen. So will etwa die französische Bank BNP Paribas ohne einen Angestellten vor Ort 134 Mio. € auf den Kaimaninseln verdient haben (>>> hier).


Das schlechte Beispiel der Steueroasen macht Schule und befeuert den internationalen Steuerwettbewerb: Betrug der durchschnittliche Unternehmenssteuersatz in den G20-Ländern vor 25 Jahren noch 40%, so liegt er heute unter 30. „Es kann nicht angehen, dass internationale Konzerne und reiche Einzelpersonen sich Jahr für Jahr um ihren fairen Beitrag zum Gemeinwohl drücken“, kommentiert deshalb Oxfam-Steuerexperte Tobias Hauschild. Um Abhilfe zu schaffen, hat Oxfam jetzt eine Fünf-Punkte-Strategie gegen Steuervermeidung vorgelegt. Der Aktionsplan „Stopping the Scandals: Five ways Governments can end tax avoidance” zeigt auf, was Regierungen konkret tun müssen, um die Steuervermeidung von Konzernen und reichen Einzelpersonen zu beenden und benennt die politischen Hürden, die dabei zu überwinden sind:

1. Es braucht Schwarze Listen von Steueroasen, die anhand klarer Kriterien erstellt werden müssen; die darauf geführten Länder müssen mit scharfen Sanktionen belegt werden.
2. Konzerne müssen zur öffentlichen länderbezogenen Berichterstattung über Gewinne und darauf gezahlte Steuern verpflichtet werden.
3. Briefkastenfirmen, Treuhandunternehmen und Stiftungen müssen in einem zentralen, öffentlichen Register erfasst werden, sodass ihre Besitzer und Nutznießer zugeordnet werden können.
4. Steuerabkommen müssen auch mit Entwicklungsländern fair gestaltet werden.
5. Ein globales Steuergremium ist zu schaffen, in dem alle Länder auf Augenhöhe zusammenarbeiten. Die internationalen Steuerregeln werden derzeit vor allem in der OECD gemacht, d.h. in einem exklusiven Club der Industrieländer. Entwicklungsländer und ihre Interessen bleiben damit außen vor.