27. Oktober 2006

Deutsche Bundesbank: Primäre Risikofaktoren auf den Finanzmärkten

Das internationale Finanzsystem sei derzeit zwar in einer guten Verfassung. Dennoch dürften nach wie vor bestehende Risikofaktoren der Finanzmärkte nicht übersehen werden. Diese Auffassung vertrat der Leiter der Abteilung "International Financial Systems" der Deutschen Bundesbank, Erich Harbrecht, auf einem Internationalen Policy Workshop von Inwent (Internationale Weiterbildung und Entwicklung gGmbH) letzte Woche in Berlin. "Primäre Risikofaktoren" sieht Harbrecht insbesondere in der (1) wachsenden Komplexität der Finanzinstrumente, der (2) wachsenden Bedeutung der Hedgefonds, den (3) Offshsorezentren und der (4) mangelnden Transparenz der Märkte.

Während die Komplexität der Finanzinstrumente die Risikoeinschätzung erschwere, seien die Hedgefonds weitgehend unreguliert und könnten durch Herdenverhalten die Marktdynamik und Liquidität gefährden. Offshore-Finanzzentren seien oft schlecht reguliert und entzögen sich der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit der Aufsichtsbehörden. Insgesamt bestünden immer noch starke Informationsdefizite über die Finanzmärkte. Letztere müßten aber behoben werden, wenn die Disziplin der Marktakteure verbessert werden solle. Finanzkrisen könnten aber auch in Zukunft nicht ausgeschlossen werden. Nur schwer zu verstehen war allerdings Harbrechts Plädoyer, daß sich die Rolle der Regulierungs- und Aufsichtsbehörden an die massiven Veränderungen auf den Finanzmärkten anpassen müßten, ohne "die Freiheit der Märkte" aus dem Auge zu verlieren: "Märkte müssen frei sein" - warum eigentlich?

25. Oktober 2006

Wie ernst ist Berlin das Bekenntnis zur UNO?

Für den 10. November wird die Veröffentlichung des bereits für den Sommer angekündigten Berichts des von Kofi Annan eingesetzten "Hochrangigen Panels für systemweite Kohärenz im UN-System" erwartet. Derzeit kursieren allerdings noch die Entwürfe, wie die ehemalige schwedische Entwicklungsministerin und jetzige schwedische Botschaftern in Deutschland, Ruth Jacoby, die selbst Mitglied des Panels ist, in der letzten Woche auf einer Konferenz des Eine-Welt-Forums der SPD sagte. Der bereits im Vorfeld stark kontrovers diskutierte Report (>>> Frontalangriff auf die UN; >>> Systemweite Kohärenz bei den Vereinten Nationen) soll eine innerorganisatorische Reform der UN-Organisationen im Bereich der Entwicklungspolitik in die Wege leiten.

Nach Jacoby erweist es sich als eines der größten Probleme der Panelisten, die richtige Balance zwischen der normbildenden Rolle der UN und ihren operativen Aktivitäten zu halten. Dem Vernehmen nach wird der Bericht u.a. dafür plädieren, die Sekretariate der UN zu "streamlinen", das UN-Umweltprogramm (UNEP) zu stärken und die Repräsentanz der UN vor Ort, d.h. in den Nehmerländern zu vereinheitlichen. Die ursprünglich vor allem von westeuropäischen Ländern lancierte Idee, künftig nur noch drei UN-Organisationen (für Entwicklung, Umwelt und humanitäre Hilfe) zu haben, ist offensichtlich zugunsten einer besseren Vernetzung und Arbeitsteilung der bestehenden Organisationen aufgegeben worden. Auf der besagten Veranstaltung plädierten Jacoby und die deutsche Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczoreck-Zeul u.a. für die Aufrechterhaltung bzw. Schaffung einer eigenstänfigen UN-Frauenorganisation. In Bezug auf die künftige Finanzierung der UN dürfte der Bericht für eine Stärkung des Anteils der Pflichtbeiträge plädieren.

Letzteres ist vor allem für Deutschland ein neuralgischer Punkt, wie sich einen Tag später im Haushaltsausschuß des Bundestags zeigte. Die Haushälter kürzten die in der Vorlage für den BMZ-Haushalt des nächsten Jahres vorgesehenen UN-Beiträge von 220 Mio. € kurzerhand um 40 Mio. € - eine peinliche Schlappe für das BMZ, die die Ministerin (s. Photo) allerdings so nicht hinnehmen will. Von der Kürzung betroffen wären nach Presseberichten neben dem Globalen Fonds gegen AIDS, Malaria und Tuberkulose erneut das Entwicklungprogamm UNDP, das UN-Wüstensekretariat und der Doha-Trust-Fonds der WTO ("Aid-for-Trade"), aber auch die bei der Weltbank angesiedelte Globale Umweltfazilität (GEF).

Will die Bundesregierung ihren wachsenden internationalen Verpflichtungen nicht nur militärisch gerecht werden, müßte als erstes einmal der engstirnige Grundsatzbeschluß des Haushaltsausschusses aus dem Jahre 1993 revidiert werden, nach dem höchstens ein Drittel der deutschen Entwicklungshilfe über multilaterale Organisationen, darunter die EU, vergeben werden darf.

21. Oktober 2006

Bonos Punk-Kapitalismus: Get (RED)

Rot war bislang die Symbolfarbe linker Bewegungen. Jetzt ist (RED) auch ein Symbol für progressives Shopping. Dank U2-Sänger Bono und seinem Freund Bobby Shriver gibt es inzwischen (RED)-iPods, (RED)-Turnschuhe, (RED)-T-Shirts, (RED)-Mobiltelefone, (RED)-Parkas usw. Vor einer guten Woche wurde das neue Label mit großem Aufwand in den USA gelauncht. Mit von der Partie ist eine Gruppe von Markenproduzenten, von American Express über GAP (Textilien), Converse (Turnschuhe), Apple und Motorola bis hin zu Emporio Armani. Sie alle haben sich verpflichtet, einen Teil der Gewinne, die mit den (RED)-Produkten gemacht werden, an den Globalen Fonds zum Kampf gegen AIDS, Malaria und Tuberkulose abzuführen.

Ein (RED)-Manifesto begründet die Initiative, die sich explizit nicht als karitative Idee, sondern als "Geschäftsmodell" versteht:

"Als Konsumenten in der Ersten Welt haben wir eine ungeheure Macht. Unsere kollektiven Kaufentscheidungen können dem Lauf des Lebens und der Geschichte auf diesem Planeten einen anderen Lauf geben. So einfach ist die Idee hinter (RED). Und so mächtig ... Wenn Du ein (RED)-Produkt kaufst oder eine Dienstleistung von (RED) bestellst, wird das Unternehmen einen Teil seiner Profite zur Verfügung stellen, um Medikamente für unsere Brüder und Schwestern in Afrika zu kaufen, die ansonsten an AIDS sterben würden.
Wir glauben, daß die Konsumenten, wenn ihnen diese Wahl geboten wird und die angebotenen Produkte ihren Bedarf treffen, werden sie sich für (RED) entscheiden. Und wenn sie sich für (RED) entscheiden, werden sich auch andere Marken dafür entscheiden, (RED) zu werden, weil es wirtschaftlich Sinn macht. Und je mehr dies werden, umso mehr Menschenleben können gerettet werden."

(RED) unterscheidet sich von freiwilligen Industriespenden dadurch, daß sich Firmen vertraglich dazu verpflichten, Abgaben in einer bestimmten Höhe (beim Apple-(RED)-iPod zum Beispiel 10 US-Dollar pro verkauftem Artikel) auf den erzielten Gewinn zu leisten. Eine Art Tobin-Steuer also, die dazu noch das Gefühl vermittelt, gute Werke zu tun. Bis jetzt hat die "Punk-Kapitalismus"-Initiative (Bono), die auf dem Weltwirtschaftsforum Anfang des Jahres erstmals vorgestellt wurde, 10 Mio. US-Dollar gebracht. Doch weit mehr wird erwartet, wenn die neuen Produktlinien erst einmal breit in den Markt eingeführt sind. Allein von einem Vorgängermodell seines iPods verkaufte Apple in einer Sommersaison 14 Millionen Exemplare.

Für den Exekutiv-Direktor des Globalen Fonds, Richard Feachem, handelt es sich bei (RED) um ein typisches Win-Win-Modell: "Die Konsumenten bekommen die neuesten hippen Produkte, die Unternehmen steigern ihren Umsatz und der Fonds bekommt die dringend benötigten Mittel für seine lebensrettenden Projekte in Afrika."

13. Oktober 2006

Finanzmarkt-Risiko Hedge Funds

In regelmäßigen Abständen befragt das Wall Street Journal gut 50 hochrangige Ökonomen aus der Privatwirtschaft nach ihrer Meinung zu wichtigen Fragen der wirtschaftlichen Entwicklung. Die neueste Umfrage brachte ans Licht, daß die Mehrheit von ihnen Hedge Funds für ein Risiko der Finanzmärkte halten, das stärker reguliert werden muß. 23 von 41 Ökonomen, die auf sich an der Umfrage beteiligten, sagten, die jetzige Regulierung der Hedge Funds sei zu lax. Rund 60% sagten, die Fonds stellten ein beträchtliches Risiko dar.

Im letzten Monat hatten die Milliardenverluste des Fondsverwalters Amaranth, der innerhalb einer Woche fast 5 Mrd. Dollar im Gasgeschäft verwettet hatte, erneut Fragen nach der Möglichkeit von Kettenreaktionen auf den Finanzmärkten aufgeworfen. Amaranth sei lediglich "die Spitze des Eisbergs", sagte Allan Sinai von Decision Economics Inc. im Rahmen der Umfrage. Der Präsident der Federal Reserve Bank von New York, Timothy Geithner, regte nach dem Amaranth-Debakel eine Untersuchung an, um herauszufinden, ob Banken und Händler im Umgang mit Hedge Funds auf ausreichende Sicherheiten bestünden. Insgesamt sind derzeit etwa 1,2 Billionen Dollar in Hedge Funds angelegt, doppelt so viel wie vor fünf Jahren noch.

Die ökonomische Debatte, so scheint es, lebt von Krisen. Aber vielleicht führt derlei Druck ja dazu, daß die vor zehn Jahren proklamierte Neue Internationale Finanzarchitektur doch nicht als Ruine endet. Nach deren Schicksal jedenfalls fragt ein hochkarätig besetztes Seminar, zu dem die Berliner NGO weed für Ende November eingeladen hat.

11. Oktober 2006

"Mission creep" der Europäischen Investitionsbank?

Die künftige Rolle der Europäischen Investitionsbank (EIB) gerät immer stärker in die Diskussion. Auf dem gestrigen Ecofin-Treffen in Luxemburg stritten die EU-Finanzminister über die Frage, ob die quasi-staatliche Hausbank der EU künftig stärker Kredite nach Asien und Lateinamerika vergeben oder an ihrem bisherigen Schwerpunkt in Europa unverändert festhalten solle. Während der niederländische Finanzminister Gerrit Zalm von "mission creep" sprach, also der schleichenden Aneignung von immer mehr Aufgaben durch die Bank, plädierten andere für die Ausweitung des Engagements in den Süden.

Hintergrund ist ein Vorschlag der Europäischen Kommission, wonach der Anteil der EIB-Kredite für Asien und Lateinamerika in den nächsten sieben Jahren von 12 auf 18% aufgestockt werden soll. Nach Angaben der Financial Times sollen in diesem Zeitraum insgesamt 33 Mrd. Euro in die Länder Afrikas, Asien, Lateinamerikas und die sog. Nachbarschaftsländer fließen. Traditionell entfielen rund 90% der EIB-Kredite auf die EU.

Während die Niederländer wollen, daß das so bleibt, macht sich vor allem Spanien für eine Ausweitung des Engagements im Süden stark - nicht immer allerdings mit überzeugenden Argumenten. So sagte der spanische Finanzminister Pedro Solbes, mit den EIB-Finanzierungen in Lateinamerika würden mehr Auslandsaufträge für europäische Investoren einher gehen und bestätigte damit ungewollt die Kritik zahlreicher NGOs an der Vergabepolitik der EIB (>>> In Whose Interest?).

Eine stärkere Präsenz der EIB im Süden des Globus wäre - als Alternative zur Weltbank - sehr wohl wünschenswert, wirft aber Fragen nach Vergabekonzept und -kapazität der Bank auf. Auf einem für Ende November geplanten Seminar wollen NGOs jetzt erst einmal fragen, wie es um die Rechenschaftspflicht der EIB gegenüber den von ihren Projekten Betroffenen bestellt ist. Auch die EIB bemüht sich verstärkt um Bündnispartner im zivilgesellschaftlichen Lager: Im letzten Monat unterzeichnete sie ein Memorandum of Understanding mit dem größten internationalen Umweltverband, der IUCN. Darin wird festgehalten, wie man künftig in puncto Schutz der Biodiversität zusammenarbeiten will.

10. Oktober 2006

Waffenexporte: Warum globaler Handel globale Kontrolle braucht

Europa und Nordamerika werden immer mehr zu einem "IKEA der Rüstungsindustrie". Sie liefern die Komponenten für die Mißachtung von Menschenrechten, die dann vor Ort zusammengesetzt werden. Mit solch drastischen Vergleichen haben Oxfam International, Amnesty International und das Internationale Netzwerk gegen Kleinwaffen (IANSA) in der letzten Woche eine Studie (Arms without Borders) vorgestellt, die in der Forderung nach einem Internationalen Vertrag über den Waffenhandel gipfelt.

"Die Globalisierung hat den Waffenhandel umgekrempelt", argumentiert die Studie. "Rüstungsfirmen operieren von einer zunehmenden Zahl von Standorten und beziehen ihre Komponenten aus der ganzen Welt. Ihre Produkte werden oft in Ländern mit nachlässigen Kontrollen des Endverbrauchs zusammengebaut. Zu leicht geraten sie in die falschen Hände... Die sich häufenden Schlupflöcher auf nationaler Ebene zeigen, daß dieser globalisierte Handel durch globale Regeln kontrolliert werden muß."
Die Studie analysiert die sich wandelnden Eigentums- und Produktionsstrukturen in der Rüstungsindustrie seit Beginn der 90er Jahre. Waffensysteme bestehen heute in der Regel aus Komponenten von allen Teilen des Globus, ohne daß eine einzige Firma für alle Komponenten verantwortlich gemacht werden könnte. Auch die Unternehmen selbst agieren immer globaler, bauen Produktionsstätten an Offshore-Standorten auf, gründen ausländische Niederlassungen und gehen Kooperationsbeziehungen mit dubiosen Zulieferern ein.

8. Oktober 2006

Mitverantwortung der Gläubiger: Norwegen schreibt Geschichte

Es geht also doch! Die Ankündigung der norwegischen Regierung in der letzten Woche, auf die Rückzahlung der Schulden von fünf Entwicklungsländern in Höhe von 80 Mio. US-Dollar zu verzichten, ist von paradigmatischer Bedeutung. Zum erstenmal begründet ein Gläubigerland seinen Forderungsverzicht explizit mit seiner Mitverantwortung: Die Kreditgarantien für den Schiffsexport seit Mitte der 70er Jahre, aus denen die Schulden stammen, seien ein "entwicklungspoltischer Fehlschlag" gewesen, für den sein Land jetzt die Verantwortung übernehme, sagte der norwegische Entwicklungsminister Erik Solheim (Sozialistische Linkspartei; siehe Photo).

Norwegen wolle u.a. einen Akzent in der internationalen Debatte um die Mitverantwortung der Gläubiger für die Entstehung von Überschuldungssituationen setzen - ein wichtiger Präzedenzfall, wie z.B. das Brüsseler Network on Debt and Development (Eurodad) urteilt. Beispielhaft ebenso: Norwegen wird die Schuldensteichung nicht aus dem Entwicklungshilfe-Budget finanzieren und auch nicht von der OECD als zusätzliche Entwicklungshilfe anrechnen lassen.

5. Oktober 2006

Ein UNO-Entwicklungsfonds: Peinlich oder passend?

In ihrem jüngsten Bericht zur Wirtschaftlichen Entwicklung in Afrika (Doubling Aid: Making the 'Big Push' Work) argumentiert die UNCTAD, für die Entwicklungshilfe müsse ein neuer institutioneller Rahmen gefunden werden, wenn ihre Verdoppelung (wie von den Gebern versprochen) ernst gemeint ist und sie den afrikanischen Entwicklungsbedürfnissen wirklich gerecht werden soll. Sie müsse effektiver, transparenter und vorhersagbarer werden und von übermäßiger Politisierung, hohen Transaktionskosten und unrealistischen Forderungen an die Nehmer befreit werden. Vor allem solle sie multilateraler werden. Deshalb sei es an der Zeit, über ein Finanzierungsfenster bei den Vereinten Nationen, einen UN-Entwicklungsfonds, nachzudenken. In diesem Fonds sollten die Weltbank-Tochter IDA (International Development Assoziation) und die vom IWF verwaltete PRGF (Poverty Reduction and Growth Facility) aufgehen. Darüber hinaus sollte er die zusätzlichen Entwicklungshilfe-Mittel, die die Geber versprochen haben, kanalisieren.

Todd Moss vom Center for Global Development in Washington (das den Demokraten nahesteht) beeilte sich sogleich, den Vorschlag als "peinlich", "naiv" und "närrisch" zu bezeichnen, da er die Interessen der Geber, allen voran der USA, nicht in Rechnung stelle. Er sei allenfalls geeignet, den Konservativen die nötige Munition zu liefern, damit sich die USA überhaupt aus den UN zurückziehen (>>> Pity the Fools: The UN's embarrassing aid proposal).

Doch der UNCTAD-Vorschlag ist keineswegs so abwegig, wie Todd Moss meint. Auch ist es keineswegs so, daß Hilfe künftig ohne Bedingungen gegeben werden soll. Vielmehr müsse, so die Autoren, in einer "neuen Hilfe-Architektur" von den Empfängern die Aufstellung klarer Entwicklungspläne verlangt werden, aus denen hervorgehe, wie, wofür und in welchen Zeitraum der Hilfestrom genutzt werden soll. Nur in Abhängigkeit von der Realisierung festgelegter Ziele solle das Geld ausgezahlt werden - allerdings über eine längere Frist und flexibler als heute unter dem IWF- und Weltbank-Regime. Letzteres würde vielen Gebern (und natürlich den Bretton-Woods-Zwillingen) nicht gefallen, da hat Moss schon Recht. Doch zeigt seine Kritik vor allem, wie groß die Skepsis gegenüber einer demokratischer und multilateraler organisierten Entwicklungshilfe auch im liberalen Spektrum der USA ist.

Um die Verdoppelung der Hilfe effektiv zu managen, braucht es andere, breiter und universeller akzeptierte Strukturen als die heutigen. deren Ineffizienz allenthalben kritisiert wird. Insofern ist der UNCTAD-Vorschlag eher passend als peinlich.

3. Oktober 2006

"Royal Commission" für die Weltwirtschaft?

Auch der Chef von Deutsche Bank Research, Norbert Walter, bringt in puncto Global Governance Bemerkenswertes zu Papier. Unter der etwas altmodisch anmutenden Überschrift "Sehnsucht nach Ordnung" beklagt er in einem aktuellen Kommentar den Anachronismus der G7 und die Ineffizienz der internationalen Organisationen. Die internationale Struktur

"entartet zum Recht des wirtschaftlich-militärisch Stärkeren ohne sachgerechte Regulierung auf der jeweils angemessenen Ebene. Und für lebenserhaltende Bereiche wie den Umweltschutz fehlt eine angemessene Regulierung oft ganz."

Doch frühestens nach den Präsidentschaftswahlen in Frankreich und den USA im nächsten Jahr sieht Walter, der den einen als Neoliberaler im Schafspelz und den anderen als Hofnarr der Bourgeoisie gilt,
"ein Fenster für internationale Integration und mehr Akzeptanz und Aufgaben für internationale Organisationen, die eine Ordnung der Weltwirtschaft mit intelligenter Regulierung und Überwachung sichern. Wir brauchen die Nachfolger der Bretton-Woods-Organisationen, eine globale Umweltbehörde, eine Aufwertung des Aufsichtsregimes für die Regulierung der Finanzmärkte (vielleicht bei der BIZ) und ein Regulierungssystem für internationale Wanderung, das Integrationsfähigkeit und Entfaltungsmöglichkeiten optimiert."
Wahrlich eine bemerkenswerte Ansammlung von "Baustellen der Globalisierung"! Damit auch alles zusammenpaßt, will Walter eine "Royal Commission für eine effektivere Weltwirtschaftsordnung" ins Leben rufen. Königlich? Ja, was Kompetenz und Ansehen betrifft. Und die Gruppe müsse sowohl die Unterstützung der G3 (USA, Japan und EU) als auch der G20 (Entwicklungsländer) haben, wenn ihre Neubauten nicht gleich wieder einstürzen sollen. Na da könnte der G8-Gipfel in Heiligendamm doch zumindest etwas Vorarbeit leisten ...

Stiglitz und Keynes: Retter der Globalisierung

Joe Stiglitz ist beliebt - bei den Kritikern der Globalisierung ebenso wie beim aufgeklärten Establishment. In seinem neuen Buch Making Globalization Work (>>> Auszug aus dem Vorwort) versucht er sich an dem Modell für eine andere Globalisierung. Sein Kronzeuge ist kein geringerer als John Maynard Keynes. Dieser habe mit seiner "Allgemeinen Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes" mehr für die Rettung des kapitalistischen Systems getan als alle marktwirtschaftsfreundlichen Finanzmagnaten zusammen. Wäre man in den 30er Jahren den Ratschlägen der Konservativen gefolgt, so wäre die Große Depression weit schlimmer ausgefallen. Ähnlich sei es heute mit der Globalisierung:

"Ich glaube, daß es schwierig sein wird, den gegenwärtigen Schwung der Globalisierung aufrecht zu erhalten, ohne daß wir ihre Probleme anerkennen und bearbeiten. Wie die Entwicklung ist die Globalisierung nicht unvermeidlich... Wenn sie zur Absenkung des Lebensstandards für viele oder die meisten Bürger eines Landes führt und die grundlegenden kulturellen Werte bedroht, werden die politischen Forderungen lauter werden, sie zu verlangsamen und zu stoppen."

Das Buch enthält einige Vorschläge, die diskutierenswert sind. So wäre es für Stiglitz legitim und sogar WTO-kompatibel, wenn die Europäer US-amerikanische Stahlimporte mit Strafzöllen belegten, weil die von Bush Jr. für die umweltintensive Stahlproduktion durchgesetzten Subventionen und die fortgesetzte Weigerung, dem Kyoto-Protokoll beizutreten, schädlich für das Weltklima sind. Was bei Thunfischimporten, bei deren Fang vom Aussterben bedrohte Meeresschildkröten ins Netz gehen, legitim ist, müßte dann, wenn es um die Zukunft des Globus geht, allemal zu rechtfertigen sein, fand Stiglitz bei den Fachleuten der WTO-Panels heraus.

2. Oktober 2006

Lücke in internationaler Finanzarchitektur

Am 11. Oktober diskutiert das Bundeskabinett in Berlin über die Tagesordnung des G8-Gipfels, der im nächsten Juni in Heiligendamm stattfindet. Aus diesem Anlaß fordert das Bündnis erlassjahr.de - Entwicklung braucht Entschuldung von Bundeskanzlerin Merkel, das Thema Klima und Energie nicht allein aus dem Blickwinkel der Versorgungssicherheit für die Industriestaaten zu behandeln. "Schlagen Sie dem G8-Gipfel vor,", so die Erlaßjahr-Aktivisten, "in die globale Finanzarchitektur einen Modus zu integrieren, der Entwicklungsländern, die aufgrund der Energiekosten die Millenniumsziele nicht erreichen können, ein Zahlungsmoratorium ermöglicht."

erlassjahr.de erinnert die Bundesregierung daran, daß die Ölpreisschocks von 1973/74 und 1979/80 eine wichtige Rolle bei der Entstehung der Schuldenkrise spielten, mit der viele Entwicklungsländer immer noch kämpfen. Heute sehen sich die Finanzminister vieler Entwicklungsländer vor die Notwendigkeit gestellt, die im Rahmen der Schuldendiensteinsparungen für die Armutsbekämpfung vorgesehenen Mittel für den Energiebedarf ihrer Länder, insbesondere für Öl auszugeben - womit der Druck auf die Neuverschuldung steige.