30. April 2017

Nachhaltige Entwicklungsfinanzierung: China zieht nach oben

Ein Hauptthema der Development Community in den letzten Wochen waren die neuen OECD-Zahlen zur Entwicklungshilfe, vor allem dass Deutschland erstmals, wie vordem schon Großbritannien, das sog. 0,7%-Ziel erreicht hat – über vier Jahrzehnte nach seiner Proklamation durch die Vereinten Nationen! Doch beides könnte sich als eine Fußnote in der Geschichte der Entwicklungsfinanzierung erweisen, und dies nicht einmal so sehr, weil der deutsche Entwicklungshilfe-Anteil am Bruttonationaleinkommen (BNE) mit den rückläufigen Flüchtlingszahlen wieder einbrechen könnte (schließlich entfiel 2016 über ein Viertel der angerechneten Ausgaben auf die Unterbringungskosten für Flüchtlinge im Inland) und weil die neue britische Premierministerin Teresa May bereits Kürzungen in der Entwicklungshilfe angekündigt hat. Die wesentlichere Entwicklung stellt der anhaltende Aufstieg Chinas zum dominanten Geber für internationale Entwicklung dar.


Die überseeischen Ausleihungen der beiden globalen chinesischen Entwicklungsbanken, der China Development Bank (CDB) und der Import-Export-Bank of China (ExIm) stiegen im letzten Jahr um 40% auf 48,4 Mrd. Dollar an, wie aus der neuesten Übersicht der Global Economic Governance Initiartive (GEGI) der Universität Boston hervorgeht. Damit erreicht das vor allem in Energie- und Infrastruktur fließende Geld die mehrfache Höhe dessen, was die Weltbank und andere westliche Entwicklungsbanken zur Verfügung stellen. Die durch den neuen US-Präsidenten Trump angekündigten Kürzungen im Bereich der Entwicklungshilfe (u.a. 28% bzw. 10,9 Mrd. Dollar für die UN und andere internationale Organisationen, das State Department und die US Agency for International Development) dürften diesen Trend des Aufstiegs der Chinesen weiter befördern.

„China exportiert sein Modell der Infrastruktur-geleiteten Entwicklung ins Ausland in die Länder, in denen eine Nachfrage nach Energie und Infrastruktur besteht, die traditionelle Quellen nicht bedienen können“, sagt Kevin Gallagher von der GEGI-Initiative. Ein großer Teil des chinesischen Geldes fließt über die strategische Seidenstraßen-Initiative One Belt, One Road. Geostrategische Aspekte sind ebenso wenig zu bestreiten wie umweltpolitische Implikationen der zahlreichen Öl-, Gas-, Wasserkraft- und auch Kohleprojekte. Auf der anderen Seite sind die chinesischen Überseeinvestitionen in grüne Technologie im letzten Jahr auf mehr als 32 Mrd. Dollar angestiegen. China ist auf dem Weg zur führenden Macht für saubere Energie weltweit. Und: „Wenn China sich entscheidet, die CDB und ExIm als Instrumente zur Umsetzung der Nachhaltigen Entwicklungsziele (SDGs) zu nutzen, würde es schnell zum globalen Führer in naschhaltiger Entwicklungsfinanzierung werden,“ heißt es im neuesten GEGI-Policy Brief.

28. April 2017

Luther-Jahr 2017: Banken zu Pflugscharen

Anlässlich des Luther-Jahres haben Wissenschaftler und Politiker, wie Rudolf Hickel, Ulrich Duchrow und Gregor Gysi, 95 Thesen formuliert , die die Auswüchse der Macht der weltweiten Finanzmärkte auf Menschen und Gesellschaften thematisieren. Der in Anlehnung an Luthers Thesen vor 500 Jahren verfasste Text steht unter dem Motto „Banken zu Flugscharen! Gemeinsam wider die Herrschaft der Finanzmärkte über Demokratie, Gesellschaften, Europa und die globalen Verhältnisse. Zeit für eine neue Reformation“. Die Thesen wurden bereits von zahlreichen Politikerinnen, Politikern unterschiedlicher Parteien, von Wissenschaftlerinnen, Wissenschaftlern, Theologinnen und Theologen, Künstlerinnen und Künstlern unterstützt.


Im Zentrum des Aufrufs stehen die heutige Situation, in der die Finanzmärkte über unsere Gesellschaften, Europa und die Welt herrschen sowie konkrete Alternativen, welche den sozialen Zusammenhang, die Solidarität in der Welt, ökologischen Umbau, Demokratie und Menschenrechte in den Mittelpunkt rücken. In These 2 heißt es beispielsweise: „War es vor 500 Jahren die Käuflichkeit des Seelenheils der Gläubigen durch den Ablasshandel, die Ausdruck einer großen Krise war, ist es heute die Käuflichkeit der Politik und ihre Unterordnung unter die Vorgaben der Finanzmärkte.“ These 7 zitiert Papst Franziskus: „Diese Wirtschaft tötet.“ In These 51 wird gefordert: „Stabile und funktionierende Finanzmärkte sind ein öffentliches Gut.

Luther forderte vor fast 500 Jahren: „Man müsste dem Fugger und dergleichen Gesellschaft einen Zaum ins Maul legen.“ Das hat an Geltung nichts für die Ackermanns und dergleichen verloren und muss erneuert werden. Die Autorinnen und Autoren sind aber überzeugt, dass diese Veränderungen von der gesamten Gesellschaft und den Menschen getragen werden müssen. So enden sie auch ihre Thesen: „94. Doch anders als selbstbewusst und selbstverantwortlich wird eine solche Reformation der Gesellschaft von den Menschen nicht erreicht werden.“ „95. Nur durch den Druck aus der Gesellschaft und bürgerschaftliches Engagement wird es möglich sein, die Reformblockade im politischen und gesellschaftlichen System zu überwinden.“

Die Thesen können >>> hier unterzeichnet werden. Zur Nachahmung von Luthers Thesenaktion wird ein Plakat zum Download angeboten >>>hier.

25. April 2017

Women20-Gipfel: Frauen Empowerment beginnt beim Niedriglohn

Ivanka Trump
In dieser Woche findet in Berlin auf Einladung von Bundeskanzlerin Merikel der Gipfel der Frauenverbände im Rahmen der G20 („Women 20“) statt. Aus diesem Grund kommt es zu eigenartigen Allianzen, wie sich etwa an einem gemeinsamen Meinungsbeitrag von Ivanka Trump und Weltbank-Präsident Jim Yong Kim in der heutigen Financial Times zeigt (>>> Investment in women unleashes global economic gains). Kritisch setzen sich Christa Wichterich und Barbara Unmüßig, Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung, mit W20 auseinander: “Frauen sind überall auf der Welt in besonderem Maße von Ungleichheit und Armut betroffen und damit bei politischer, wirtschaftlicher und digitaler Teilhabe benachteiligt. Es ist deshalb gut, dass das Thema auf die Tagesordnung der G20 kommt. Es braucht dringend Initiativen, die die politische und gleichberechtigte wirtschaftliche Teilhabe von Frauen als Querschnittsaufgabe verankern und stärken wollen. Deutschland glänzt hier keinesfalls - es liegt im europäischen Vergleich der Einkommen von Männern und Frauen mit 21 Prozent Differenz auf dem viert-schlechtesten Platz. Hier muss Deutschland vor der eigenen Haustür kehren, will es andere Länder überzeugen.“, so Unmüßig.

Zwar hätten die G20 bereits 2014 beschlossen, den Beschäftigungsanteil von Frauen an den weltweiten Arbeitsmärkten zu erhöhen. Doch laut der internationalen Arbeitsorganisation ILO sei der Anteil von Frauen an regulären Arbeitsverhältnissen zwischen 1995 und 2015 ständig gesunken. Für Frauen lägen die Chancen auf Beschäftigung mittlerweile im weltweiten Durchschnitt um 27 Prozent niedriger als für Männer, sagt Unmüßig: „Von Gleichbezahlung ist dabei noch gar nicht die Rede. Wenn die G20 ihren Fokus auf Arbeitsmarkt-, digitale und finanzielle Inklusion von Frauen legt, muss sie vor allem eine ehrliche Analyse ihrer Wachstums- und Investitionsstrategie betreiben: Die Fokussierung auf öffentlich-private Partnerschaften (ÖPP) für Investitionen in öffentliche Infrastruktur hat oft fatale Folgen insbesondere für Frauen. Privatisierung von Dienstleistungen wie Energie, Wasser und Transport oder gerade auch in sozialen Bereichen wie Bildung und Gesundheit führen gleichzeitig zu Preisexplosionen für die Kund/innen und zu Lohnabstürzen für die Beschäftigten. Hiervon sind Frauen besonders betroffen“.

“Dass es auch anders geht, zeigt Neuseeland“, so Unmüßig weiter. „Hier hat die Regierung erst vor wenigen Tagen eine massive Erhöhung der Mindesteinkommen in von Frauen dominierten Pflegeberufen beschlossen – die Löhne werden je nach Einstufung um bis zu 47 Prozent angehoben, was für die öffentlichen Haushalte beherrschbare jährliche Mehrkosten von 330 Millionen Euro bedeutet. Zugleich setzt Neuseeland damit gesellschaftlich zentrale Tätigkeiten in Wert und bietet Frauen ein faires und menschenwürdiges Auskommen. Auch die Bundesregierung dürfte hier gerne mehr Mut zeigen und sich von Neuseeland inspirieren lassen.“, sagte Unmüßig.

„Der Women20-Summit nimmt leider einen Tunnelblick ein. In der glitzernden Welt der Chef/innen-Etagen von Unternehmen und Gesellschaft werden die harten Lebenswirklichkeiten von Millionen Frauen in Deutschland, Europa und weltweit ausgeblendet. Wirtschaftliche Stärkung und Teilhabe von Frauen kann nicht nur auf „weibliches Unternehmertum“ oder Lohnarbeit ausgerichtet sein - sie muss bei den Frauen weltweit beginnen, die aufgrund fehlender gesellschaftlicher, politischer und finanzieller Anerkennung unter täglichen Mühen nicht- oder unterbezahlten Tätigkeiten nachgehen müssen. Denn damit ermöglichen sie überhaupt erst das Funktionieren von Wirtschaft und Gesellschaft.“, so Unmüßig.

Die kritische Analyse von Christa Wichterich („Spitzenfrauen und Business-Feminismus“) findet sich >>> hier.