31. März 2010

Bundeskabinett beschließt Mini-Bankenabgabe

Die Kampagne "Steuer gegen Armut" hat den heutigen Beschluss des Bundeskabinetts zur Bankenabgabe als minimalistisch verurteilt. Die globale Finanzkrise erfordere ein beherztere Schritte zur Regulierung des globalen Finanzgeschehens und seiner Auswüchse sowie eine substanzielle Kostenbeteiligung aller Finanzmarktakteure an den Krisenkosten. Die Kampagne fasst die wesentlichen Kritikpunkte an der beschlossenen Bankenabgabe noch einmal wie folgt zusammen und vergleicht sie mit der wesentlich weiterreichenden Finanztransaktionsteuer:

* Das Einnahmepotential der Bankenabgabe ist viel geringer als das der Finanztransaktionssteuer, nämlich nur etwa 5%.
* Es besteht bei der Bankenabgabe, anders als bei der Finanztransaktionssteuer, keine Lenkungswirkung, zumindest keine positive. Im Gegenteil, wenn die Abgabe nur als Versicherung gegen zukünftige Bankenpleiten konzipiert wird, verschärft sich das sog. "Moral-Hazard-Problem", d.h. die Risikobereitschaft besteht fort, weil die Spieler ja wissen, dass sie notfalls herausgehauen werden. Das Kasino wird sicherer für die Spieler.
* Wird die Bankenabgabe nur als Versicherung gegen zukünftige Crashs gesehen, trägt sie nicht zur Bewältigung der Lasten der gegenwärtigen Krise bei, geschweige denn zur Finanzierung öffentlicher Güter wie des Klimaschutzes oder der Millennium-Entwicklungsziele.
* Die Maßnahme erstreckt sich nur auf einen Teil der Finanzindustrie. Zwar ist es der größte, aber zum einen ist nicht einzusehen, warum die anderen ausgespart bleiben sollen, zum anderen entsteht eine Tendenz zur Verlagerung von riskanten Geschäftsmodellen aus den Banken heraus.
* Die Maßnahme ist zeitlich begrenzt, während die Finanztransaktionssteuer auf Dauer ausgelegt ist.

Zudem ignoriere die Kabinettsentscheidung die wachsende Zustimmung in der Zivilgesellschaft und unter den Wählerinnen und Wählern für eine Finanztransaktionssteuer. Dies sei insbesondere angesichts der bevorstehenden Wahl in Nordrhein-Westfalen zu bedenken.

30. März 2010

Die Sonderziehungsrechte als Allzweckwaffe?

Spätestens seit dem Londoner G20-Gipfel im letzten Jahr sind die Sonderziehungsrechte (SZR), jene Kunstwährung des IWF, die aus einem Korb von derzeit vier Währungen (Dollar, Yen, Euro und Pfund) gebildet wird, in (fast) aller Munde. Unmittelbar nach dem Gipfel schlug George Soros, seit langem schon Anhänger einer SZR-Aufwertung, vor, das die Industrieländer die ihnen in London zusätzlich zugeteilten SZR an die Entwicklungsländer transferieren sollten, um diesen eine ausreichende Kreditversorgung und eine antizyklische Konjunkturpolitik zu ermöglichen (>>> Das Potential der Sonderziehungsrechte). Auf dem Klimagipfel in Kopenhagen brachte Soros dann die SZR als Finanzierungsinstrument für die Klimapolitik ins Gespräch (>>> Die Finanzierung des Kampfes gegen den Klimawandel). Kurze Zeit später folgte der inzwischen vom IWF-Vorstand wieder verworfene Vorschlag, einen aus SZR gespeisten Klimafonds gleich beim IWF anzusiedeln (kritisch dazu >>> Liane Schalatek in W&E 03-04/2010).

Wesentlich weitreichender als diese entwicklungspolitischen oder klimapolitischen Nutzungsvorschläge ist jedoch die Idee, erheblich aufgestockte Sonderziehungsrechte zum Kern eines neuen Multiwährungsstandards bzw. eines neuen Währungsreservesystem zu machen. Ideen dieser Art wurden sowohl von der IWF-Spitze selbst, als auch von Schwellenländern wie China, Brasilien und Russland geäußert. In diese Richtung gingen auch schon die Empfehlungen der Stiglitz-Kommission. Jetzt greift eine neue Studie zweier britischer Think Tanks die Idee auf (>>> Beyond the Dollar: Rethinking the International Monetary System). Danach soll ein Multiwährungssystem allmählich an die Stelle des jetzigen, ausschließlich am Dollar orientierten Leitwährungssystems treten. Die Einführung eines solchen Systems mit SZR in seinem Zentrum solle nicht mit einem „big bang“, sondern graduell geschehen, wobei die jetzt begonnene Dekade als eine des Übergangs angesehen wird.

Die Zusammensetzung des Währungskorbs, der den SZR zugrunde liegt, wird alle fünf Jahre überprüft. Die nächste Überprüfung ist bereits Ende 2010 fällig. Dabei könnte etwa der chinesische Yuan einbezogen werden. Weitere Empfehlungen der Studie sind: regelmäßige und vorhersagbare Aufstockung der SZR – mindestens so schnell wie das globale Bruttoinlandsprodukt wächst; Schaffung eines politisch unabhängigen Ausschusses für internationale Währungspolitik, der Vorgaben für den IWF formuliert; Errichtung eines Substitutionskontos beim IWF, in dem die Mitgliedsländer im Austausch gegen SZR Dollars, Euros etc. deponieren können; Erweiterung des Gebrauchs von SZR auf den privaten Sektor; und schließlich eine wesentlich schnellere Anpassung der Stimmrechte im IWF an realwirtschaftliche Veränderungen. Ein Vorschlag dürfte in der Tat so lange nicht realistisch sein, wie den schwächeren Mitgliedsländern im Fonds nicht wesentlich stärkere Mitspracherechte zugebilligt werden: die Idee, den IWF – ähnlich wie die WTO in Handelsstreitfragen – zur Schiedsstelle bei Währungsstreitigkeiten aufzuwerten. Und eine weitere Grundphilosophie des Fonds müsste sich ändern: das Prinzip, dass immer nur einseitig gegen Defizitländer vorgegangen wird, die Überschussländer aber nicht belangt werden (>>> Wege aus den globalen Ungleichgewichten: Ein Plädoyer des South Centre).

24. März 2010

Destabilisierung durch Bankenabgabe

Das Bündnis "Steuer gegen Armut", das im Rahmen einer weltweiten Kampagne für die Einführung einer Finanztransaktionssteuer kämpft, hat über den Chefökonomen der GLS-Bank André Presse in die Diskussion über die von der Bundesregierung geplante Bankenabgabe eingegriffen. Im Einzelnen erklärte Presse:

"Die von der Bundesregierung geplante Bankenabgabe erscheint auf den ersten Blick der richtige Schritt. Sie setzt aber nur bei den Symptomen an. Eine Bankenabgabe setzt jedoch völlig falsche Anreize, weil das Bankensystem fundamental daran leidet, dass durch Finanztransaktionen, die nicht der realwirtschaftlichen Wertschöpfung dienen, oftmals höhere Renditen erzielt werden können als durch realwirtschaftliche Investitionen. Hierbei handelt es sich jedoch um Scheinrenditen, da durch sie keine realen Güter und Dienstleistungen geschaffen werden. Durch eine Bankenabgabe steigt der Druck auf die Finanzinstitute, zur Erreichung ihrer Renditeziele riskantere Geschäfte einzugehen und die Risiken mit buchhalterischen Tricks und finanzmathematischen Kniffen zu verstecken. Banken, die ‚Scheingeschäfte‘ eingehen werden also durch eine Bankenabgabe auf Dauer gegenüber soliden wirtschaftenden Banken besser gestellt.

Wesentlich hilfreicher ist eine Finanztransaktionsteuer, da durch sie die Scheingeschäfte in einer Weise verteuert werden können, dass sich beispielsweise bestimmte schädliche Arbitragegeschäfte nicht mehr lohnen. Eine Finanztransaktionssteuer stabilisiert somit den Finanzsektor und dient der Realwirtschaft (da sie die relative Vorteilhaftigkeit realer Geschäfte gegenüber Scheingeschäften und Spekulationen erhöht), eine Bankenabgabe destabilisiert das Bankensystem mittel- und langfristig, auch wenn sich kurzfristig die gewünschten Effekte erzielen und der gerechte Zorn der Menschen auf die Banken mildern lassen. Die Bankenabgabe verstärkt den Anreiz für die Banken, riskante beziehungsweise nicht auf die Realwirtschaft bezogene Geschäfte einzugehen.

Bezogen auf das Bankensystem wirkt die Bankenabgabe so, als würde ein statisch nicht auf Dauer tragendes Haus gestützt und neu angestrichen, anstatt es abzureißen und neu zu bauen. Die Auswüchse des bestehenden Bankensystems haben schlimme Folgen für viele Menschen. Die Bankenabgabe wird sie nicht dauerhaft bekämpfen sondern die notwendigen Reformen eher noch verzögern."

23. März 2010

Die Bankenabgabe als Wahlkampfabgabe

„Wie immer die Bankenabgabe ausfällt, sie dürfte rein symbolischen Charakter tragen“, kommentierte die tageszeitung (taz). Und Spiegel-Online titelte: „Banken können auf Strafsteuer light hoffen“. Den Nagel auf den Kopf traf Zeit-Online mit der Überschrift: „Banken-Bashing für den Wahlkampf“. Nur das Handelsblatt verfiel ins Wehklagen: „Bund bürdet Banken Milliarden auf“. Dabei ist die jetzt in Berlin angekündigte Bankenabgabe weder eine Strafe noch eine Bürde. Im Unterschied zu der Finanzkrisenverantwortungsabgabe der Obama-Administration in den USA soll das Geld auch nicht in den Staatshaushalt fließen, sondern in eine Art Versicherungsfonds, den die Bundesregierung beim Finanzmarktstabilisierungsfonds SoFFin ansiedeln will.

Sieht man von einigen ungeklärten Details der Umsetzung ab, schlägt die Bundesregierung mit dem neuen Projekt zwei Fliegen mit einer Klappe: Zum einen realisiert sie einen Vorschlag, der paradoxerweise selbst aus der Bankenwelt kommt, sich aber nichtsdestotrotz eignet, in Wahlkampfzeiten (Nordrhein-Westphalen) „Banken-Bashing“ zu betreiben. Erinnern wir uns: Kein geringerer als Joseph Ackermann von der Deutschen Bank plädierte beim letzten Weltwirtschaftsforum in Davos für eine solche Abgabe, wenn man schon um so etwas nicht herum komme (>>> Kehraus in Davos). Zum zweiten eignet sich das Versicherungsmodell vielleicht auch dazu, sich das weitere Nachdenken über die Einführung einer Finanztransaktionssteuer zu ersparen. Der Bundesfinanzminister sagt das in ganz offener Scheinheiligkeit: „Wir müssen einsehen, dass das, was wir gerne auch überlegt hätten - nämlich eine Finanztransaktionssteuer einzuführen - nur geht, wenn sie global vereinbart wird. Und dafür gibt es im Moment keine realistische Chance.“

Grundsätzlich ist gegen eine Bankenabgabe natürlich nichts einzuwenden. Nur – mit diesem Modell verabschiedet sich die Bundesregierung von ihren großspurigen Ankündigungen, die Banken wirklich zur Kasse zu bitten. Letztere sollen den Staat gar nicht für die Rettungspakete der jüngsten Krise entschädigen, sondern in einen Fonds einzahlen, aus dem künftige Rettungspakete in künftigen Finanzkrisen bezahlt werden können. Legt man einen Abgabensatz 0,15% auf die um Kundeneinlagen bereinigte Bilanzsumme der Banken zugrunde, könnten bis zu 9 Mrd. € pro Jahr zustande kommen. Um die Größenordnungen der jüngsten Rettungspakete zu erreichen, müsste also ganz schön lange eingezahlt werden – „ein Witz“, wie Konrad Becker von der Beratungsfirma Merck Finck meint. Und: Im Unterschied zur Finanztransaktionssteuer wäre weder ein Steuerungseffekt gegeben (die Zockerei an den Finanzmärkten könnte munter weiter gehen), noch ein Aufbringungseffekt im Sinne der Mobilisierung neuer Finanzmittel zur Lösung globaler Fragen (>>> W&E-Hintergrund Dezember 2009).

22. März 2010

EWF oder IWF: Die Wahl zwischen Pest und Cholera

Während vorletzte Woche alle Welt über den Vorstoß zur Schaffung eines Europäischen Währungsfonds (EWF) diskutierte, standen vergangene Woche die deutschen Überschüsse im Mittelpunkt. Sollte das Kalkül hinter der EWF-Idee wirklich darin bestanden haben, nur über die Defizite der anderen, aber nicht über die eigenen Überschüsse reden zu müssen, dann ist das gründlich schief gegangen. Seit die französische Finanzministerin, Christine Lagarde, am Anfang der Woche die Frage nach der deutschen Mitverantwortung für die Ungleichgewichte in Europa aufwarf, ist die Berliner Republik wie aus dem Häuschen.

Aus: The Financial Times

Dabei ist diese Kritik am Überschussland Deutschland, wie die Leserinnen und Leser dieses Blogs wissen, keineswegs neu. Seit Jahren erzielt Deutschland strukturelle Überschüsse mit seinen Nachbarn und dem Rest der Welt, die ökonomisch als Export von Arbeitslosigkeit oder als Aneignung fremder Kaufkraft interpretiert werden können. In letzter Zeit ist der Anteil dieser Handels- und Leistungsbilanzüberschüsse am Bruttosozialprodukt noch einmal kräftig gesteigert worden, weil der deutsche Mainstream ein einseitig auf die Kostenseite orientiertes Verständnis von Wettbewerbsfähigkeit verfolgt. Ein solches Verständnis kann jedoch immer nur Wettbewerbsfähigkeit auf Kosten anderer bedeuten. Und genau das ruft auch die Kritik der Anderen hervor. Dass es jetzt die Franzosen sind, zeigt nur die Sprengkraft dieses Konflikts, der bislang eher ein potentieller war.

Die EWF-Idee in der Version des Bundesfinanzministers ist übrigens nur dazu angetan, das Misstrauen gegenüber den deutschen Stabilitätsfanatikern zu verstärken. Denn bei näherem Hinsehen handelt es sich vor allem um den Versuch, Defizitländer hart zu bestrafen, in die Deflation zu treiben und notfalls zum Austritt aus dem Euro zu zwingen. Mit einem solidarischen Hilfemechanismus, wie ihn die EU für ihre schwächeren Mitglieder bräuchte (und in Form der Regionalfonds auf anderer Ebene ja bereits hat), hat dieses Konstrukt nichts zu tun. So könnte man es den Griechen nicht verübeln, wenn sie sich in ihrer Verzweiflung gleich dem IWF zuwenden. Dessen Konditionalität könnte kaum schlimmer sein als diejenige, die das Brüsseler Protektorat bereits heute schon durchgesetzt hat. Es bleibt freilich eine Wahl zwischen Pest und Cholera. Jedenfalls solange sich die Europäer nicht dazu durchringen, eine wirklich eigenständige Alternative zum Internationalen Währungsfonds auf die Beine zu stellen und das monetaristische Gebot von Maastricht über Bord zu werfen, wonach ein Land nicht für das andere einstehen darf.

10. März 2010

Der EWF und das deutsche Problem

Als leicht zu durchschauendes Ablenkungsmanöver bewerten Heiner Flassbeck und Friederike Spiecker in einem Gastbeitrag für die Frankfurter Rundschau den seit dem letzten Wochenende kursierenden Vorschlag zur Schaffung eines Europäischen Währungsfonds (EWF). So könne man ungehindert damit fortfahren, nur über die Defizite der anderen zu diskutieren, nicht aber über die eigenen Überschüsse. „Auf diese Weise kann man dann – sogar mit dem Odium der Objektivität einer internationalen Institution versehen – die alte und falsche Politik propagieren, statt nach den eigenen Fehlern zu fragen.“

Eher ironisch nähert sich der Chefkommentator der Financial Times, Martin Wolf, heute dem deutschen Problem in der EU: „Leider geht die deutsche Debatte davon aus, dass die Antwort für jedes Mitglied (der Eurozone) darin besteht, so wie Deutschland zu werden. Doch Deutschland kann nur deshalb Deutschland sein – eine Ökonomie mit fiskalischer Disziplin, schwache einheimischer Nachfrage und hohen Exportüberschüssen – weil andere dies nicht sind. Sein derzeitiges Wirtschaftsmodell verletzt das Universalitätsprinzip des größten deutschen Philosophen, Immanuel Kant.“

Und bezogen auf die aktuelle Krise der Eurozone: „Deutschland sitzt in der Falle seiner eigenen Ratschläge. Es will, dass seine Nachbarn möglichst wie es selbst sind. Sie können es aber nicht, weil Deutschlands mangelnde Binnennachfrage nicht universalisiert werden kann. Ein anderer großer deutscher Philosoph, Hegel, hätte vielleicht gesagt, die deutsche These verlange nach der spanischen Antithese. Jetzt, wo die private Blase geplatzt ist, besteht die Synthese im fiskalischen Desaster der Eurozone. Die Ironie liegt darin, dass Deutschland weniger deutsch werden muss, wenn die Eurozone deutscher werden soll.“

7. März 2010

Griechen zum IWF oder Europäischer Fonds für die Griechen?

Nachdem sich erst die Ratschläge häuften, Griechenland solle sich zur Bewältigung seiner Finanzkrise an den IWF wenden, kursiert seit Ende letzter Woche der Vorschlag, Europa solle seinen eigenen Währungsfonds gründen, um seine Mitgliedsländer besser kontrollieren zu können. Beide Ideen werfen ziemlich vertrackte Probleme auf. Nachvollziehbar ist die Befürchtung, der Canossa-Gang europäischer Länder zum IWF könne als Zeichen der europäischen Schwäche interpretiert werden und den USA Einfluss auf die europäische Wirtschaftspolitik verschaffen. Nachdem sich Europa, und hier allen voran Deutschland, aber anhaltend knausrig zeigt, sein Versprechen, Griechenland zu helfen, in konkrete Münze umzusetzen, könnte man aber auch argumentieren: Sollen die Griechen doch zum IWF gehen, dann bekommen sie wenigstens „fresh money“, und die damit verbundene IWF-Konditionalität wäre auch nicht harscher als das, was Brüssel, Berlin und andere ihnen jetzt als prozyklisches Sparprogramm aufgeherrscht haben.

Der IWF hat zudem seit Ausbruch der Finanzkrise etwas an Schrecken verloren, da sich seine wirtschafts- und finanzpolitischen Dogmen in gewisser Auflösung befinden (>>> Tut sich was beim IWF?). Zuletzt wurden mit der Veröffentlichung eines Staff Position Papers auch Kapitalverkehrskontrollen wieder in den offiziellen Instrumentenkasten des Fonds aufgenommen. Es lässt sich zwar argumentieren, dass dies erst dann Ernst genommen werden könne, wenn die IWF seine Klienten ganz offiziell bei der Umsetzung solcher Kontrollen berät. Bislang ist noch kein Fall bekannt geworden, dass der IWF einem Mitgliedsland aktiv bei der Abwehr spekulativer Attacken geholfen hätte. Die „Hilfe“ erfolgte immer erst hinterher und auf falsche Weise.

Das macht auch den Umgang mit dem Vorschlag eines Europäischen Währungsfonds so schwer. Zwar wäre die Gründung einer solchen neuen Institution (wie etwa das Chiang-Mai-Abkommen in Asien) prinzipiell ein begrüßenswerter Beitrag zu einer weiteren Regionalisierung der Währungs- und Finanzpolitik. Doch das Umdenken, das beim IWF zumindest teilweise begonnen hat, scheint bei vielen europäischen Mainstream-Politikern, z.B. dem deutschen Finanzminister Schäuble, der am Wochenende mit einem solchen Fonds geliebäugelt hat, noch gar nicht angekommen. Sonst würde ihnen mehr einfallen, als den Südeuropäern (wie vordem den osteuropäischen Opfern der Finanzkrise) in altmodischster IWF-Manier Beine zu machen. Darin sind sie manchen US-Experten durchaus ähnlich – selbst dem Schwarzmaler Nouriel Roubini, der schlicht gefordert hat, den PIGS (Portugal, Italien/Irland, Griechenland, Spanien) unter Zuhilfenahme des IWF „das Fliegen beizubringen“.

5. März 2010

Schuldenrückzahlung: Isländer, sagt Nein!

Morgen, am 6. März, entscheiden die Isländer in einem Referendum über die Umsetzung eines im letzten Jahr mit den Regierungen der Niederlande und Großbritanniens ausgehandelten Rückzahlungsplans über Schulden der Icesave-Bank in Höhe von 3,9 Mrd. €. Regierungen der beiden EU-Länder hatten ihre Sparer aus eigenen Mitteln entschädigt und fordern nun die Rückzahlung von Island. Doch die Isländer werden voraussichtlich Nein zur Rückzahlung dieser Schulden sagen. Jedenfalls sagen dies in Umfragen drei von vier Befragten. Und das zu Recht!

Nach Angaben der deutschen erlassjahr.de-Kampagne werden Islands gesamte Auslandsschulden auf bis zu 900% seines jährlichen Bruttoinlandsprodukts (BIP) geschätzt. Als kritisch gelten für multilaterale Institutionen wie die Weltbank, den IWF oder die EU bereits die Werte zwischen 40% und 80% des BIP. Vor diesem Hintergrund ist eine Streckung der Verbindlichkeiten ebenso sinnlos wie ihre kontinuierliche Refinanzierung durch neue Kreditaufnahmen. Für Jürgen Kaiser, politischer Koordinator von erlassjahr.de liegt „die Schuld für Islands Zahlungsunfähigkeit nicht nur bei den Isländern, sondern auch bei denjenigen, die in der Erwartung exorbitanter Renditen bei fragwürdigen Sicherheiten ihr Kapital nur allzu bereitwillig zur Verfügung gestellt haben.“

In dieser Situation braucht es dringender denn je ein faires und transparentes Verfahren, in dem alle Ansprüche und Interessen in einem Schuldenstreit auf den Tisch kommen. Die Bundesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag die Schaffung eines internationalen Insolvenzverfahrens zu einem politischen Ziel erhoben – eines des wenigen begrüßenswerten Vorhaben. Jetzt wäre es an der Zeit, auch angesichts der noch ausstehenden Forderungen deutscher Banken an Island (mehr als 22 Mrd. €), der Ankündigung eine konkrete Initiative für ein unparteiisches und faires Verfahren folgen zu lassen.

1. März 2010

Spekulation: Die Herde ist los

Jetzt läuft sie wieder, die Herde der Spekulanten. Fragt sich nur, in welche Richtung? Mindestens drei Tendenzen lassen sich derzeit ausmachen. In der letzten Woche gab es die ersten Berichte, dass die Carry-Trade-Spekulanten mit der Auflösung ihrer Positionen begonnen haben. Beim Carry Trade leihen sich die „Anleger“ in großem Stil Geld in einer zinsgünstigen Währung, in den letzten Monaten im wesentlichen US-Dollars, die sie dann umtauschen und in Ländern mit günstigeren Renditen, z.B. Schwellenländern, anlegen. Die Zins- bzw. Renditedifferenzen kassieren sie – ein totsicheres Geschäft, allerdings nur so lange, wie sich an den Währungsdifferenzen wenig ändert. Steigt, wie seit Anfang des Jahres, der Dollar-Kurs, verteuern sich diese Geschäfte; die Herde beeilt sich, in den sicheren Hafen des Dollars zurückzukommen, was seinerseits den Druck auf den Dollar nach oben verstärkt.

Das Volumen dieser Geschäfte soll sich zwischen 500 und 1500 Mrd. US-Dollar bewegen, weshalb der stellvertretende Gouverneur der chinesischen Zentralbank, Zhu Min, den Carry Trade kürzlich auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos als die größte Gefahr für die Weltwirtschaft in diesem Jahr bezeichnete. Inzwischen wurden Umschichtungen aus Carry-Trade-Positionen in den Euro gemeldet, womit wir bei der zweiten aktuellen Spekulationswelle wären. Diese besteht aus Leerverkäufen, mit denen auf einen fallenden Euro-Kurs spekuliert wird. Hinzu kommt (drittens) die Spekulation mit den sog. Kreditausfallswaps („Credit Default Swaps“ – CDS). Das sind eigentlich Versicherungskontrakte für den Fall, dass ein Staat (aktuell möglicherweise Griechenland) seine Schulden nicht mehr bedienen kann. Nur: Inzwischen werden diese CDSs auch wild von denen gehandelt, die gar keine Staatspapiere halten. Das ist dann so, als würde ich eine Feuerversicherungspolice für das Haus meines Nachbarn kaufen; entsprechend wächst mein Interesse, dass dessen Haus in Flammen aufgeht. Genauso wächst auch das Interesse der CDS-Spekulanten (übrigens oft dieselben Banken, die den Staaten das Geld geliehen haben), die Situation in den südeuropäischen Ländern weiter schlecht zu reden.

Inzwischen ist deutlich zu spüren, wie das Unbehagen angesichts der Spekulationswellen wächst. Dagegen gibt es probate politische Mittel: Leerverkäufe kann man verbieten, was in Deutschland in den letzten eineinhalb Jahren der Fall war. Auch CDSs, insbesondere wenn sie nur zu Spekulationszwecken gehandelt werden, lassen sich verbieten, was dieser Tage die französischen Finanzministerin Christine Lagarde ins Gespräch gebracht hat. Etwas schwieriger wäre eine Beruhigung der Währungsschwankungen, weil dies ein deutlich höheres Maß an internationaler Kooperation erforderte. Bis dahin aber gibt es das Instrument der Kapitalverkehrskontrollen, das Brasilien im letzten Herbst angesichts des Ansturms ausländischer Carry Trades beherzt zum Einsatz brachte.

Die spekulativen Angriffe auf den Euro sind mittlerweile so stark, dass selbst der Luxemburger Ministerpräsident und Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker wie ein Attac-Aktivist redet. In einem Interview mit dem Handelsblatt erklärte er heute: „Wir müssen das Primat der Politik wieder stärken. Sie muss die Finanzmärkte stoppen können.“ Und: „Wir haben die Folterwerkzeuge im Keller, und wir zeigen sie, wenn es nötig ist.“ Besser wäre es freilich, die Werkzeuge nicht nur zu zeigen, sondern auch zum Einsatz zu bringen. Sonst könnte es sein, dass aus der Herde von Spekulanten eine Horde wird, die sich von niemandem mehr einfangen lässt.