27. September 2008

Rechtzeitig zur Finanzkrise: Let’s make money!

Nach „We Feed the World“, der spektakulären Dokumentation über unsere Nahrungsmittel hat der Filmemacher Erwin Wagenhofer einen neuen, aufrüttelnden Dokumentarfilm für das Kino gedreht: In „Let’s make MONEY“ folgt er den Spuren des Geldes im weltweiten Finanzsystem. Dabei blickt er hinter die Kulissen der bunten Prospektwelt von Banken und Versicherern und folgt dem Geld, dorthin wo spanische Bauarbeiter, afrikanische Bauern oder indische Arbeiter unser Geld vermehren und dabei selbst arm bleiben. Er zeigt uns gefeierte Fondsmanager, die das Geld ihrer Kunden jeden Tag aufs neue anlegen und Unternehmer, die zum Wohle ihrer Aktionäre ein fremdes Land abgrasen - zumindest solange Löhne und Steuern niedrig sind und die Umwelt egal ist.

Der Film zeigt uns mehrere Ebenen des Finanzsystems und auch einige Zwischenstationen, wie z.B. Jersey. Steueroasen, wie diese, werden von Konzernen und Reichen genutzt, um Steuern zu sparen - die Politik hat dies bislang nicht verhindert. Im Gegenteil, seit den 1970er Jahren erleichterten sie den Geldfluss und schufen so die Grundlage für den Boom der weltweiten Finanzindustrie mit ihren Zentren in London, New York oder Frankfurt. Es geht dabei immer um Interessen von wenigen Mächtigen. So konnten der Internationale Währungsfonds sowie die Weltbank vielen Entwicklungsländern eine Privatisierung von Altersvorsorge, Stromerzeugern oder Baumwollfabriken aufzwingen, nachdem deren Regierungen durch eine hohe Verschuldung erpressbar geworden waren. Dies eröffnete neue Anlagemöglichkeiten für unser Geld. Doch dieser „Ausverkauf“ von sozialen Errungenschaften wie Gesundheitssystem, Pensionswesen, Energieversorgung und öffentlicher Verkehr passiert nicht nur in der fernen Dritten Welt. Wir alle sind davon betroffen. Sobald wir ein Konto eröffnen, klinken wir uns in die weltweiten Finanzmärkte ein – ob wir wollen oder nicht. Was genau mit unserem Geld passiert, wer weiß das schon!? Die meisten interessiert es nicht einmal und folgen dem Lockruf der Banken: „Lassen Sie ihr Geld arbeiten!“ „Was wir erleben, ist keine Finanzkrise, sondern eine Gesellschaftskrise – die wir mit unserem Geld beeinflussen“, sagt Regisseur Wagenhofer.

Filmstart Deutschland: 30. Oktober 2008
Filmstart Österreich: 31. Oktober 2008

Let's make MONEY - offizieller Trailer zum Film

25. September 2008

Aufruf zum Gipfel: Rettet den Kapitalismus!

Die Zuspitzung der globalen Finanzkrise beflügelt die Diskussion um eine Reform des real existierenden Global Governance-Systems. Vor der UN-Vollversammlung in New York riefen gleich mehrere Staatschefs dazu auf, die Initiative zu einer groß angelegten Re-Regulierung der Weltwirtschaft zu ergreifen. Der französische Präsident Nicolas Sarkozy sprach sich für einen „Kapitalismus-Gipfel“ noch in diesem Jahr aus, um einen „regulierten Kapitalismus“ aufzubauen, der an die Stelle des kranken Weltfinanzsystems treten könne. Es sei notwendig, die internationalen Institutionen kohärenter, repräsentativer und stärker zu machen.

In das gleiche Horn stieß der brasilianische Präsident Luiz Inácio Lula da Silva. Die globale Natur der aktuellen Krise erfordere eine globale Initiative in einem legitimierten und vertrauenswürdigen multilateralen Rahmen. Gegenwärtig hätten die internationalen Institutionen weder die Autorität noch die Instrumente, um effektiv gegen die „Anarchie der Spekulation“ vorzugehen.

Die gleichgerichteten Initiativen von Lula und Sarkozy legen eine Neuauflage der bereits in den letzten Jahren praktizierten brasilianisch-französischen Allianz gegen den Hunger nahe. Sie zielen aber weiter - auf einen globalen Gipfel im kommenden November, an dem mindestens die G8 und die großen Schwellenländer des Südens teilnehmen müssen, wenn er weltpolitische Wirkung erzielen soll. - Die neue Debatte um die Reform des Global Governance-Systems könnte auch auf dem heutigen MDG-Gipfel in New York den Subtext bilden. Das ist gut, um eine Engführung der Diskussion um die Millennium-Entwicklungsziele zu vermeiden. Das wäre aber auch deshalb begrüßenswert, weil das Thema Weltfinanzen keine bilaterale Angelegenheit einer absteigenden Wirtschaftsmacht wie Washington bleiben darf, sondern in die Weltorganisation der Vereinten Nationen gehört. Ein Anfang könnte sein, dass auch UN-Generalsekretär Ban Ki-moon Anfang dieser Woche dazu aufgerufen hat, mit dem Aufbau einer neuen internationalen Finanzarchitektur endlich Ernst zu machen.

22. September 2008

Wall Street: Das Ende der großen Deregulierung

Wir leben wahrlich in interessanten Zeiten. Der Ende letzter Woche von der US-Regierung aus dem Hut gezauberte Rettungsplan für das Finanzsystem stellt nicht nur die größte Ausweitung ökonomischer Staatstätigkeit in Friedenszeiten seit der Großen Depression dar. Für viele markiert er auch das definitive Ende der Deregulierungspolitik in großem Stil, wie sie unter Reagan in den 1980er Jahren begonnen und von den Bush-Leuten fortgesetzt worden war. Dabei ist es nicht damit getan, dass der amerikanische Staat faule Kredite im Wert von bis zu 700 Mrd. Dollar aufkaufen und damit vom Markt nehmen will. Es geht um nicht weniger als eine grundlegende Überholung des gesamten Aufsichts- und Regulierungssystems über die Finanzmärkte, wenn eine Wiederholung der Krise dieses Ausmaßes in Zukunft vermieden werden soll.

Die größte Ironie dabei: Die staatsinterventionistischen Maßnahmen und die Schritte der Re-Regulierung werden von denselben Leuten durchgeführt, für die noch bis vor kurzem nichts über die Lobpreisung des „freien Spiels“ der Marktkräfte ging, die um keine Ausrede verlegen waren, wenn es galt, Forderungen nach strengerer Kontrolle der Finanzmärkte abzuwehren, und für die es kein besseres Rezept der Wachstumsförderung gab, als die öffentlichen Schranken für den freien Kapitalverkehr einzureißen. Selbst spekulative Aktivitäten galten da noch als gut und nützlich für die Wirtschaftstätigkeit.

Doch siehe da: Plötzlich gehen Dinge, die noch bis vor kurzem als Ausgeburt der Regulierungswut von Globalisierungskritikern angesehen wurden, z.B. die Forderung, bestimmte besonders gefährliche Finanzinstrumente aus dem globalen Kasino zu verbannen. So haben die Aufsichtsbehörden in den USA, Großbritannien und Deutschland Ende letzter Woche die sog. Leerverkäufe („short selling“) verboten, mit denen Händler auf fallende Kurse oder Preise spekulieren. Dabei verkaufen Spekulanten Aktien oder Future-Derivate, die sie noch gar nicht besitzen, um sie zu einem späteren Zeitpunkt billig wieder einzukaufen. Die Differenz ergibt den Spekulationsgewinn. Was oft übersehen wird: In der Subprime-Krise gab es nicht nur (kleine) Verlierer, sondern auch einige (große) Profiteure, die mit dieser Methode exorbitante Gewinne erzielten.

Ein anderes Beispiel, hinter dem sich der Untergang einer ganzen Branche verbirgt, ist die Meldung von heute, dass die beiden übrig gebliebenen Investmentbanken Morgan Stanley und Goldman Sachs ihre Umwandlung in normale Geschäftsbanken beantragt haben. Geschäftsbanken unterliegen einer wesentlich strengeren Marktaufsicht als Investmentbanken, die weitgehend unreguliert agieren konnten. Dass jetzt praktisch ein ganzer Sektor, ein komplettes Geschäftsmodell, das in den letzten 25 Jahren als non-plus-ultra galt, ausgelöscht wird, bestätigt die These, dass das Finanzsystem der Zukunft eher dem der 1960er und 1970er Jahre als dem der 1990er Jahre ähneln wird.

Sicher sein, wohin die Reise geht, kann man freilich keineswegs. Schließlich vollziehen die Deregulierer die Re-Regulierung höchst widerwillig und unter dem Zwang der zusammenbrechenden Märkte und systemischer Gefahren. Und sie vollziehen sie vor allen Dingen so, dass die Interessen der Geldvermögensbesitzer möglichst unangetastet bleiben. Die „Genossen Bush, Paulson und Bernanke“ (Nouriel Roubini) praktizieren – wenn schon – einen Sozialismus der Reichen, der nach dem Motto verfährt: die Verluste sozialisieren und die privaten Gewinne nicht anrühren.

20. September 2008

US-Regierung: Größte Staatsintervention seit der Großen Depression

Klimaschutz und Menschenrechte

Der Schutz der Menschenrechte muss zur Grundlage für den Kampf gegen den Klimawandel werden. Das ist die Hauptschlussfolgerung einer neuen Oxfam-Studie: Climate Wrongs, Human Rights: Putting People at the Heart of Policy Making. Denn die Verursacher des Klimawandels, allen voran die reichen Industrienationen mit ihren gewaltigen Treibhausgasemissionen, verletzen die grundlegenden Rechte von Millionen Menschen in den Entwicklungsländern, so das Recht der Menschen auf Leben und körperliche Unversehrtheit, das Recht auf Schutz und Sicherheit, das Recht auf ausreichende Versorgung mit Nahrung und Wasser, aber auch soziale und kulturelle Rechte. Die negativen Auswirkungen des Klimawandels auf diese Rechte sind lang anhaltend und häufig irreversibel.

In ihrem neuen Bericht untersucht die internationale Hilfsorganisation die Beziehung zwischen Klimawandel, den laufenden Verhandlungen für ein neues globales Klimaschutzabkommen und der Rolle internationaler Erklärungen und Konventionen zu Schutz und Respektierung grundlegender Menschenrechte. Der Bericht argumentiert, der Klimawandel könne nicht nur als ökologisches und wirtschaftliches Problem angesehen werden, sondern berühre auch zentrale Fragen globaler Gerechtigkeit. In drei Bereichen sind dabei die Rechte der Menschen besonders beeinträchtigt:

* Die Maßnahmen der reichen Industrienationen, den Ausstoß von Treibhausgasen auf ein Niveau zu reduzieren, dass die globale Erwärmung auf unter 2°C über dem vorindustriellen Niveau begrenzt und so die schlimmsten Szenarien des Klimawandels verhindert, sind völlig unzureichend. Damit gefährden die Industrieländer die Rechte auf Leben und Überleben von Millionen Menschen.
* Die finanziellen Mittel, die die reichen Länder als Ausgleich für verursachte Schäden in den Entwicklungsländern und für deren Anpassung an den Klimawandel bereitstellen, sind äußerst bescheiden. Wenigstens 2 Mrd. US-Dollar wären allein für die dringendsten Maßnahmen in den ärmsten 50 Ländern der Welt nötig. Bisher stehen aber nicht einmal 100 Mio. US-Dollar zur Verfügung.
* Der Klimawandel und die Notwendigkeit ihn zu begrenzen, beeinträchtigen das Recht auf Entwicklung für in Armut lebende Menschen. Es sind aber die reichen Länder, die die Aufnahmekapazität der Atmosphäre für Treibhausgase weitgehend aufgebraucht haben. Folglich wäre es gerecht, wenn sie den armen Ländern die zusätzlichen Lasten einer klimafreundlichen Entwicklung abnehmen würden – durch den Transfer klimafreundlicher Technologien oder finanzielle Unterstützung.

Der Schutz, die Respektierung und die Förderung grundlegender Rechte, allen voran der Menschenrechte, sollte für die laufenden Klimaverhandlungen als Bewertungsmaßstab dienen, insbesondere wenn es darum geht, zu wie viel Klimaschutz sich die Industrieländer zu verpflichten bereit sind und wie die Finanzierung der Anpassung an den Klimawandel in den Entwicklungsländern gesichert werden kann, fordert Oxfam.

17. September 2008

UNCTAD und WTO: Finanzmarktkrise unterstreicht Bedeutung der Doha-Runde

Fortschritte in der festgefahrenen Doha-Handelsrunde wären nicht nur gut für die Weltwirtschaft, sondern wären auch ein vertrauensbildender Faktor angesichts der Unsicherheiten auf den Finanzmärkten, so UNCTAD-Generalsekretär Supachai Panitchpaki (s. Photo) gestern auf der Sitzung des Trade and Development Board, dem höchsten UNCTAD-Gremium zwischen den Vollversammlungen, in Genf. „Wir sind in diesem Jahr Zeugen des Zusammenspiels unterschiedlichster Krisen. Für den erfolgreichen Abschluss von Doha brauchen wir eine multilaterale Anstrengung. Wenn uns dies gelänge, könnten wir an die anderen Probleme optimistischer herangehen“, sagte Supachai und fügte hinzu: „Man sagt uns, dass (die Finanzkrise) eine der ernstesten Krisen der letzten 60 oder 70 Jahre sei. Wie im internationalen Handelssystem muss es auch im Finanzsystem bessere Regeln und Regulierungen geben.“ Ungezügelte Marktmechanismus hätten dort alle paar Jahre zu Krisen geführt. Bedrohungen des globalen Finanz- und Bankensystems könnten nur auf multilateraler Ebene angegangen werden.

Auf derselben Sitzung unterstrich WTO-Generaldirektor Pascal Lamy, es sei „zu viel auf dem Tisch“, insbesondere für die Entwicklungsländer, um die Doha-Verhandlungen einfach aufzugeben. Auch Lamy pries das multilaterale Handelssystem. Dieses „bietet viele solide und wichtige Vorteile, die andere Wege der Handelsöffnung nicht bieten.“

Die Betonung multilateraler Regeln in allen Ehren. In der Tat lässt sich sagen, dass das derzeitige Welthandelssystem bei weitem regelbasierter ist als das eher anarchische globale Finanzsystem. Doch entscheidend dürfte es sein, nach dem Inhalt der Regeln zu fragen. Und hier gilt leider, dass der konstatierte Unterschied vielfach von allenfalls abstrakter Bedeutung ist, solange die Asymmetrien im internationalen Handelssystem nicht beseitigt werden. Die Doha-Runde ist ja nicht einfach deshalb festgefahren, weil es an multilateraler Anstrengung mangelt, sondern weil die Industrieländer nicht bereit sind oder es noch nicht gelernt haben, mit dem „neuen Süden“ angemessen umzugehen und die überfälligen Zugeständnisse zu machen. Ein WTO-Direktor wird dies nicht so offen sagen können. Aber von einem UNCTAD-Generalsekretär müsste man es eigentlich erwarten.

Wall Street: Produktive Zerstörung

11. September 2008

Doing Business-Report der Weltbank weiterhin skandalträchtig

Der gerade veröffentlichte Weltbank-Bericht Doing Business 2009, der das Investitionsklima in über 100 Ländern der Welt misst, zieht auch in diesem Jahr die Kritik der internationalen Gewerkschaften auf sich. So weist der Internationale Gewerkschaftsbund (ITUC) darauf hin, dass es für das Ranking eines Landes positiv zu Buche schlägt, wenn es die Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) nicht ratifiziert hat.

In Doing Business 2009 wird darüber hinaus auch in diesem Jahr behauptet, es gebe einen Zusammenhangs zwischen dem sog. Beschäftigungsindikator und der wirtschaftlichen Entwicklung eines Landes. Der Beschäftigungsindikator listet solche Länder auf Spitzenplätzen auf, die das niedrigste Niveau an Arbeitsplatzsicherheit und sozialem Schutz haben. Dabei widersprechen derartige Behauptungen selbst den Erkenntnissen der Internen Evaluierungskommission der Weltbank. Diese erklärte im letzten Juni, dass es keine Belege für ursächliche Zusammenhänge zwischen schlechten Arbeits- und Sozialverhältnissen und positiven wirtschaftlichen Ergebnissen gäbe und warf den Doing-Business-Autoren vor, die Erklärungskraft ihrer Indikatoren stark zu übertreiben.

Falsch sei auch die Behauptung, so der ITUC in einer ersten Analyse des neuen Reports, dass „eine Volkswirtschaft die nach den Messungen von Doing Business flexibelsten Arbeitsbestimmungen haben und dies gleichzeitig mit den ILO-Kernarbeitsnormen vereinbar sei“. In Wirklichkeit hat keines der ersten vier Länder auf dem Doing-Business-Index (Asserbaidjan, Albanien, Kirgisien und Weißrussland) alle ILO-Konventionen zu Kernarbeitsnomen ratifiziert. Zwei von ihnen haben keine einzige Konvention ratifiziert, ein Land hat nur zwei von acht ratifiziert.

Die Weltbank und der IWF haben die Doing-Business-Indikatoren in zahlreichen Fällen dazu benutzt, um Regierungen zum Abbau von Schutzbestimmungen für Arbeitnehmer zu raten und die Ausgaben für soziale Sicherheitsnetze zu kürzen. In einigen Fällen flossen diese Empfehlungen auch in die Kreditkonditionen ein, selbst wenn sie den erklärten Zielen der Bank wie der Armutsbekämpfung entgegenstehen. Beispielsweise unterstützt der Bericht die Reduzierung der Mindestlöhne in Brasilien, weil deren Erhöhung durch die gegenwärtige Regierung dem niedrigen Schwellenwert widerspricht, die Doing Business den Unternehmern zumuten will. Gleichwohl wird in der „Country Partnership Strategy“ der Weltbank für Brasilien anerkannt, dass das Wachstum der Mindestlöhne ein wesentlicher Beitrag zur Reduzierung der Armut im Lande war.

Auf der anderen Seite findet sich Weißrussland bei Doing Business auf einem Spitzenplatz, obwohl es von der ILO aufgrund seines autoritären Umgangs mit Arbeitnehmern verurteilt wurde und die Verletzung der Kernarbeitsnormen die EU dazu veranlasst hat, das Land vom Allgemeinen System der Handelspräferenzen auszuschließen. „Man wundert sich, welchen Dienst Doing Business und die Weltbank denen erweisen wollen, die in einem Land Geschäfte machen wollen, das wegen seiner inakzeptablen Arbeitsstandards von dem größten zusammenhängenden Markt der Welt ausgeschlossen wurde“, kommentiert ITUC-Generalsekretar Guy Ryder. Diese Publikation wird jedenfalls nicht gerade dazu beitragen, die Bestrebungen der Bank zu befördern, sich als wichtigste „Wissensbank“ der Welt zu etablieren.

10. September 2008

Genosse Bush, Paulson und Bernanke: Willkommen in der USSRA (United Socialist State Republic of America)!

Die unvermeidbar gewordene Nationalisierung von Fannie und Freddie (>>> Verstaatlicht Fannie und Freddie!) ist der radikalste Regimewechsel in globalen wirtschaftlichen und finanziellen Angelegenheiten seit Jahrzehnten. Während der letzten 20 Jahre nach dem Zusammenbruch der UdSSR, dem Fall des Eisernen Vorhangs und den Wirtschaftsreformen in China und anderen wirtschaftlichen Schwellenländern hat sich die Welt weg bewegt vom Staatseigentum, hin auf die Privatisierung der einst staatlichen Unternehmen. Dieser Trend wurde von den Vereinigten Staaten aggressiv unterstützt, die rechts wie links die Vorteile der freien Märkte und des privaten Unternehmertums predigten.

Heute bewerkstelligen die USA stattdessen die größte Nationalisierung in der Geschichte der Menschheit. Durch die Nationalisierung von Fannie und Freddie erhöht sich der Wert des öffentlichen Anlagevermögens der USA um 6 Billionen Dollar und der Wert der öffentlichen Schuldverbindlichkeiten um weitere 6 Billionen. Die USA haben sich darüber hinaus in den größten Hedgefonds der Welt im Regierungsbesitz verwandelt, indem sie Fannie und Freddie mit wahrscheinlich 200 Mrd. Dollar bezuschussen …

So haben die Genossen Bush, Paulson und Bernanke (wie sie ursprünglich von William Buiter gehänselt wurden) die USA in die USSRA verwandelt. In der Tat: Der Sozialismus lebt in Amerika, und er lebt gut; aber das ist ein Sozialismus für die Reichen, die Wohlversorgten und die Wall Street. Ein Sozialismus, dessen Gewinne privatisiert und dessen Verluste sozialisiert werden – und den Steuerzahlern wird die Rechnung in Höhe von 300 Mrd. Dollar präsentiert.

Diese größte Bail-Out-Nationalisierung in der Geschichte der Menschheit betreiben die fanatischsten und ideologischsten Freien-Marktwirtschafts- und Laissez-faire-Eiferer, die die Geschichte der US-Regierungen gesehen hat …

… unbedingt weiterlesen im Blog Nouriel Roubinis.

Und die Video-Diskussion mit Roubini ansehen:

5. September 2008

Nach Accra: Ob die Action Agenda ihren Namen zu Recht trägt, muss sich noch zeigen

Nach Auffassung von Oxfam International haben erst die Minister aus Europa und den Entwicklungsländern am dritten Konferenztag dafür gesorgt, dass einige Verpflichtungen zur Verbesserung der Entwicklungshilfe doch nicht aus der Accra Action Agenda (AAA) gekickt wurden. Schlüsselpunkte des verabschiedeten Texts sind Vorhersehbarkeit der Hilfe (die Geber werden drei bis fünf Jahre im Voraus Informationen über ihre ODA-Planungen an die Partnerländer geben), Nutzung lokaler Verwaltungssysteme für das Management der Hilfe (die Geber erkennen die als „erste Option“ an), Konditionalität (die Geber wollen ihre Vergabepolitik auf Konditionen umstellen, die auf den Entwicklungszielen des jeweiligen Partnerlandes beruhen) und Lieferbindung (die Geber wollen die Hindernisse beseitigen, die die Entwicklungsländer davon abhalten, mit den Finanzmitteln aus der Entwicklungshilfe die weltweit jeweils günstigsten Angebote für Waren und Dienstleistungen einzukaufen).

Doch es müsse sehr genau beobachtet werden, ob wirklich alle Geber die Accra-Agenda auch umsetzen: „Die Voraussetzungen für wichtige Verbesserungen in der Art und Weise, wie Entwicklungshilfe vergeben wird, sind geschaffen, aber die Accra-Agenda braucht zügiges Handeln, um ihrem Namen gerecht zu werden. Es wird für das Leben der Menschen in Armut belanglos sein, wenn ihre Versprechen nicht in die Praxis umgesetzt werden“, sagte Robert Fox von Oxfam International in Accra. „Diese Erklärung muss als das Minimum angesehen werden, nicht als Obergrenze.“

„Es gibt viel mehr, was getan werden kann und muss, um die Qualität der Entwicklungshilfe zu verbessern“, fügte Fox hinzu. „Doch gleichermaßen wichtig ist es, die Quantität der Hilfe zu steigern, wenn wir die Armut beenden und den Zugang zu Gesundheitsversorgung, Bildung und sauberem Wasser verbessern wollen.“ In der Tat: Auf dem MDG-Gipfel am 25. September und der FFD-Konferenz Ende November in Doha werden die Geber Farbe bekennen müssen, wie weit sie mit der Einlösung ihrer Versprechen in Sachen Hilfe gekommen sind. Ein gerade erschienener UN-Bericht (Delivering on the Global Partnership for Achieving the Millennium Development Goals) stimmt hier nicht gerade hoffnungsfroh. Im Durchschnitt stellen die 22 Geberländer der OECD lediglich 0,28% ihres Bruttonationaleinkommens für Entwicklungshilfe zur Verfügung. Nur Dänemark, Luxemburg, die Niederlande, Norwegen und Schweden haben die Millenniumszusage von 0,7% eingelöst.

4. September 2008

Verpasste Chance: Agenda der Untätigkeit

Mit unterschiedlichen Bewertungen warteten NGOs heute zum Ergebnis des 3. Forums über die Wirksamkeit der Entwicklungshilfe in Accra auf. Während der Generalsekretär der Deutschen Welthungerhilfe, Hans-Joachim Preuß, das Abschlussdokument begrüßte, weil darin die Rolle der Zivilgesellschaft anerkannt werde, bezeichnete der Präsident des katholischen Netzwerks CIDSE, Rene Grotenhuis (s. Photo) den Entwurf der Accra Action Agenda (AAA) als „Agenda der Untätigkeit“. Aus den gestern abgeschlossenen Verhandlungen wurde von einen stark verwässerten Dokument berichtet, aus dem alles Verbindliche auf Druck der USA und Japans gestrichen wurde. Ein Verhandlungsteilnehmer sagte gegenüber der Nachrichtenagentur IPS: „Was wir haben, ist nett, leicht blumig und positiv in der Sprache, aber es gibt keinerlei terminliche Verpflichtung, die überprüfbar wäre.“ Der entscheidende Passus, der die Umsetzung der Agenda bis 2010 vorsah, wurde schlicht und ersatzlos gestrichen.

Auch NGOs berichteten, dass Verbesserungen des Textes allenfalls sprachlicher Natur seien, etwa was die stärkere Nutzung lokaler Verwaltungssysteme zur Kanalisierung der Entwicklungshilfe oder die Bedeutung der Zivilschaft und der Parlamente in den Nehmerländern betrifft. Verbindliche Zeitziele fehlten hingegen völlig, und einige Forderungen der Entwicklungsländer und der internationalen Zivilgesellschaft, etwa die Beendigung der Verknüpfung der Entwicklungshilfe mit wirtschaftspolitischer Konditionalität oder die völlige Abschaffung der Lieferbindung, seien auf Wunsch der USA und der Weltbank ganz unberücksichtigt geblieben.

Heute sollte eigentlich der Tag sein, an dem die Ministerebene zur Konferenz anreist, um die bekannten Schaufensterreden zum Abschluss zu halten. Wie CIDSE kritisierte, hätten sich die Politiker jedoch durch den auf der Beamtenebene während der Verhandlungen geschaffenen fait accompli faktisch an den Rand drängen lassen. Den Ministern wurde heute auch das Statement der NGOs zur Kenntnis gebracht, allerdings zu spät, um das Konferenzergebnis noch zu beeinflussen. Überhaupt wird man sehen müssen, ob die in Accra versammelte Ministerriege noch etwas zur Verbesserung des Gesamtresultats beigetragen hat.

3. September 2008

10 Millionen Dollar fürs Nichtstun in Accra?

Angesichts der schwerfälligen Verhandlungen und der Aussicht, dass aus der großspurig angekündigten „Agenda for Action“ eine Agenda der Untätigkeit wird, nehmen jetzt die Fragen zu, was ein Ereignis wie das 3. OECD-Forum zur Effektivität der Entwicklungshilfe eigentlich kostet. Lucy Hayes vom Europäischen Netzwerk Schulden und Entwicklung (Eurodad), die direkt aus Accra bloggt, hat überschlagsmäßig errechnet, das man gut und gerne auf 10 Millionen Dollar kommt: „1.500 Teilnehmer, davon viele in 300-Dollar-Hotelzimmern und Tagegeldern von über 100 Dollar, durchschnittlichen Flugkosten von 1.500 Dollar und die Konferenzräume – und man sieht, wie schnell sich das addiert“, schreibt sie auf dem betteraid.org-Blog.

1. September 2008

Accra: USA und Japan blockieren, NGOs uneins

Am Vorabend der Internationalen Konferenz über „Aid Effectiveness“, die morgen in Accra/Ghana beginnt, ist der Streit um die künftige Richtung der Entwicklungspolitik erneut voll entbrannt. Auf offizieller Ebene drohen anhaltende Differenzen zwischen Geber- und Nehmerregierungen den für eine Reform der internationalen Entwicklungshilfe notwendigen Konsens zu verhindern. Vor allem die USA und Japan blockieren Schritte auf eine Stärkung der Eigenverantwortung („Ownership“) der Nehmerländer. „Viele Geber wollen Veränderungen, die mehr Macht wesentlich schneller an effizient arbeitende Regierungen der Entwicklungsländer übertragen“, berichtet Robert Fox, der Leiter der Delegation von Oxfam International in Accra. „Die US- und die japanische Regierung wollen das nicht. Dabei ist dies nicht nur ein Streit unter Bürokraten um die Geldtöpfe. So lange die politische Frage, wer Entwicklung gestaltet, nicht geklärt ist, können die Probleme von Armut und Ungleichheit nicht gelöst werden.“

Ein OECD-Survey, das zur Konferenz in Accra herauskommt, zeigt, dass viele Empfängerregierungen die Voraussetzungen für ein besseres Management der Entwicklungshilfe, die sie erhalten, geschaffen haben, die Geber ihr Versprechen, ihnen mehr Kontrolle über die Entwicklungshilfe zu geben, aber nicht einhalten. Das Insistieren der nördlichen Regierungen auf separaten, von ihnen kontrollierten Strukturen des Hilfemanagements halten NGOs wie Oxfam für Verschwendung von Zeit und Geld. In Mosambik z.B. zahlen westliche Geber für ihre 3.500 Consultants im Land 350 Mio. Dollar pro Jahr, viermal mehr als die Jahreslöhne aller 100.000 Beschäftigten im öffentlichen Dienst des Landes.

„Einer der besten Wege zur Unterstützung der Entwicklungsländer, die konsequent an der Reduzierung der Armut arbeiten, ist die direkte Finanzierung ihrer Regierungen, doch bis heute geht nur ein kleiner Teil der Hilfe diesen Weg. Die Regierungen brauchen direkte Unterstützung, um die Gehälter und die Ausbildung von Millionen mehr Lehrern und Gesundheitspersonal bezahlen zu können“, sagt Robert Fox. Ähnlich argumentierte auch Eveline Herfkens, die Koordinatorin der UN-Millenniumskampagne, in einem Exklusivbeitrag für einen W&E-Hintergrund (s. Abbildung), der zur Accra-Konferenz erschienen ist. Doch ein Aufruf, den deutsche sog. Seniorexperten heute in Bonn veröffentlicht haben, stößt genau in das entgegengesetzte Horn. Rupert Neudeck („Kap Anamour“) und dem ehemaligen entwicklungspolitischen Sprecher der CDU, Winfried Pinger, geht die Budgethilfe heute schon zu weit. Sie wollen die Hilfe künftig „wo immer möglich“ über NGOs kanalisieren und die Entscheidungsbefugnis über die bilaterale Hilfe an die deutschen Botschaften vor Ort übertragen. – Bei aller Freundschaft zu den NGOs: Mit der Stärkung der Ownership hat letzteres nun ganz bestimmt nichts zu tun. Und wer meint, die staatliche Verantwortung durch zivilgesellschaftliches Engagement zu ersetzen, ist auch in Afrika auf dem Holzweg.