31. März 2008

IWF: Enttäuschende Quotenreform

Wie erwartet enttäuschend fällt die Quoten- und Stimmrechtsreform aus, die der IWF auf der Frühjahrstagung am 11./12. April in Washington beschließen wird. Nach der Ende letzter Woche im 24-köpfigen IWF-Vorstand gefallenen Vorentscheidung sieht die jetzt gefundene neue Quotenformel vor, dass der Stimmenanteil der Entwicklungsländer von bislang 40,5 auf 42% steigen und der der Industrieländer von 59,5 auf 58% fallen wird. Die ohnehin geringe Steigerung für den Süden geht vor allem zu Gunsten der großen Schwellenländer China, Indien, Südkorea, Mexiko und Brasilien (die teilweise bereits von der außerordentlichen Quotenerhöhung im Herbst 2006 profitiert haben), während andere wie Saudi-Arabien, Ägypten, Russland, Iran und Argentinien verlieren. Letztere stimmten entweder gegen den Reformvorschlag oder enthielten sich. Ein weiteres Absinken des afrikanischen Einflusses im Fonds soll durch eine Verdreifachung der Basisstimmrechte erreicht werden, die jedem Mitgliedsland unabhängig von seiner ökonomischen Stärke zustehen.

Während NGOs wie Oxfam International darauf hinwiesen, dass mit den jetzigen Beschlussvorlagen eine nur sehr minimale Änderung der Governance-Strukturen des Fonds bewirkt werde, wies IWF-Direktor Dominique Strauss-Kahn darauf hin, dass es sich nur um einen „ersten Schritt“ handele, dem weitere folgen müssten. Für wichtig hält Strauss-Kahn, dass die neue Quotenformel einen fünfjährigen Überprüfungsmechanismus enthalte, nach dem die Stimmverteilung regelmäßig an die sich verändernden Kräfteverhältnisse in der Weltwirtschaft angepasst werden soll. Der indische Exekutivdirektor, Adarsh Kishore, lobte, dass die neue Quotenformel neben den Währungsreserven und dem Handelsvolumen eines Landes auch die Stärke der Volkswirtschaften, gemessen in Kaufkraftparität (PPP), berücksichtige, kritisierte aber, dass die Beschlüsse weit hinter den Erwartungen des Südens zurückbleiben.

Vielleicht ist jedoch gerade diese Fixierung auf die wirtschaftlichen Kräfteverhältnisse die Crux dieser Reform. Denn von einer grundlegenden Demokratisierung des IWF kann so lange keine Rede sein, so lange nicht von dem Prinzip „One Dollar – on vote“ – ob jetzt in PPP oder in Marktpreisen gemessen – abgegangen wird. Entsprechend inakzeptabel ist es, dass die übergewichtige Position der Europäer im Fonds durch die neue Formel nicht beseitigt wird; einige Länder wie Irland, Spanien, Griechenland und selbst Luxemburg erhalten sogar noch mehr Stimmen. Die Gruppe der 7 (wichtigsten Industrieländer) zementiert ihre Machtposition mit über 45% der Quoten; die USA haben mit rund 17% weiterhin eine Sperrminorität bei allen anstehenden Grundsatzbeschlüssen. Alles in allem also kein Meisterstück. Dem Luxemburgischen Regierungschef Jean-Claude Juncker gereicht es immerhin zur Ehre, kürzlich erneut vorgeschlagen zu haben, die Euro-Gruppe solle sich künftig mit einem Exekutivdirektor im Fonds bescheiden. Doch bis dahin ist der Weg noch weit.

14. März 2008

EU-Frühjahrsgipfel: Klimapolitik im Korsett des Wettbewerbs

Die EU-Chefs haben auf ihrem Frühjahrsgipfel in Brüssel eine neue Phase der Strategie von Lissabon, die Europa zur wettbewerbsfähigsten Region der Welt machen soll, ausgerufen und zugleich das Klima- und Energie-Paket der EU vom Januar samt Zeitplan bekräftigt. Die Lissabon-Strategie soll in der neuen Phase mehr Wert auf die soziale Dimension und die Reaktion auf den Klimawandel legen sowie einen moderneren Blick auf Innovation und Kreativität werfen, erklärte die slowenische EU-Präsidentschaft. Als wenig hilfreich wird dieses Ergebnis von Oxfam Deutschland bewertet.

Die von den Staats- und Regierungschefs als „ambitioniert“ bezeichnete Klimaschutzpolitik der EU sieht unter anderem vor, bis 2020 die europäischen Treibhausgasemissionen lediglich um 20% gegenüber dem Niveau von 1990 zu senken. Eine stärkere Senkung um 30% ist nur vorgesehen, wenn auch Industrienationen außerhalb der EU vergleichbare Ziele ansteuern. Eine kritische Analyse der EU-Klimastrategie aus nord-süd-politischer Sicht bringt auch der Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwicklung in seiner neuesten Ausgabe (>>> W&E 03-04/2008). „Von 'ambitioniert' kann keine Rede sein. Das erklärte Ziel, die globale Erwärmung auf unter 2°C zu begrenzen und damit die schlimmsten Szenarien des Klimawandels zu verhindern, ist mit einem Emissionsrückgang um nur 20% nicht erreichbar. Wenn selbst der Klima-Primus Europa ein derart schwaches Klimaschutzziel vorlegt, werden Länder wie die USA oder Japan kaum mit höheren Ambitionen aufwarten“, kritisiert Oxfam-Sprecher Jan Kowalzig. Die Leidtragenden seien die Entwicklungsländer, die zur Krise kaum beigetragen hätten und in denen der Klimawandel die Lebensgrundlagen von Millionen Menschen zerstöre sowie künftige Entwicklung verhindere.

Ein den Gipfel-Teilnehmern vorgelegtes internes Papier zur Sicherheitspolitik in Zeiten des Klimawandels warnt, der Klimawandel würde nicht nur zu verschärften regionalen Konflikten insbesondere zwischen und innerhalb von Entwicklungsländern führen, sondern auch die politischen Spannungen zwischen den Hauptverursachern des Klimawandels und den von ihm am stärksten betroffen Staaten anheizen. Die Autoren des Papiers fordern allerdings nicht, den Klimawandel an der Wurzel zu packen, sondern plädieren für eine Neuausrichtung der EU-Sicherheitspolitik. Zum neuen sicherheitspolitischen Blick der EU auf die Klimapolitik siehe auch Jörg Haas‘ Blog Klima der Gerechtigkeit.

12. März 2008

2008: Chance für die Bottom Billion?

Das Jahr 2008 könnte zur Chance für die ‚Bottom Billion‘, die Milliarde Menschen, die sich ganz unten auf der Stufenleiter der Globalisierung befinden (>>> Neue Fallen und alte Teufelskreise), werden, sagte UN-Generalsekretär Ban Ki-moon anlässlich des zweiten Treffens der sog. MDG-Afrika-Steering Group Anfang dieser Woche in New York. Die Gruppe wurde im letzten September gegründet, nachdem klar wurde, das Afrika trotz höheren Wachstums und gestärkter Institutionen keines der Millennium-Entwicklungsziele erreichen würde.

Das Treffen der Steering Group identifizierte eine Reihe von Schlüsselprogrammen und Dringlichkeitsaufgaben, die gewährleisten sollen, dass die MDGs in Afrika doch noch erreicht werden. Dazu gehören eine „Grüne Revolution“, die Kontrolle von Infektionskrankheiten, u.a. die Gewährleistung einer umfassenden Behandlung von AIDS bis 2010 und die Senkung der Sterblichkeitsrate infolge von Malaria auf Null bis 2012, sowie die Bereitstellung von Geburtshilfemaßnahmen für alle Frauen bis 2015. Angesichts aktueller Herausforderungen wie der steigenden Nahrungsmittelpreise (>>> Vor einer globalen Ernährungskrise?) sei es unabdingbar, die Produktivität des Agrarsektors zu steigern und neue Ressourcen für den Kampf gegen Mangelernährung und Hunger zu mobilisieren. Allein um die „dringendsten Bedürfnisse“ in diesem Bereich zu befriedigen, seien mindestens 500 Mio. Dollar erforderlich, so Ban.

Die Afrika-Steering Group ist Teil vermehrter Anstrengungen der UN zum Thema Millenniumsziele in diesem Jahr. Geplant ist u.a. ein Bericht des UN-Generalsekretärs im Frühjahr. Sie sollen am 25. September 2008 in einen erneuten MDG-Gipfel münden, zu dem Regierungen sowie Vertreter der Zivilgesellschaft und des privaten Sektors in New York zusammenkommen wollen. Ob die Serie von Aktivitäten allerdings wirklichen einen Unterschied zu dem bisherigen Business as usual machen wird, ist noch nicht erkennbar.

10. März 2008

5. März 2008

Steinbrück und Giegold: Gemeinsame Front gegen Steueroasen?

Schon bei einer kürzlichen Talkshow war nicht zu übersehen, dass zwischen dem deutschen Finanzminister Peer Steinbrück und dem Attac-Sprecher Sven Giegold kaum ein kontroverses Wort fiel. Jetzt hat der Vertreter des globalisierungskritischen Netzwerks fast nur noch Lob für den Minister. Auf dem Ecofin-Treffen der EU Anfang der Woche in Brüssel habe Steinbrück „endlich klare Worte gefunden“. Es sei zu begrüßen, dass Steinbrück auf eine rasche Verschärfung der Regeln zum Informationsaustausch über Kapitalerträge in der EU dränge, um besser gegen Steuerflucht vorgehen zu können. „Jetzt muss er beweisen, dass es ihm Ernst ist“, so Giegold.

Ein Blick in die Luxemburger Presse von heute zeigt, dass ihm das nicht leicht fallen wird. Die Zeitung „d’Wort“ bringt ein Interview mit Jean-Claude Juncker, in dem der dienstälteste Regierungschef der EU und Vorsitzende der Euro-Gruppe sagt: „Wir lassen uns nicht über den Tisch ziehen“ und erklärt: „Luxemburg ist nicht bereit, vom Quellensteuersystem abzurücken und sich in Richtung Informationsaustausch zu bewegen. Ich sehe den kommenden Debatten heiter und gelassen mit gehobenem Kampfesmut entgegen.“ Im Rahmen der EU-Zinssteuerrichtlinie war Luxemburg, Österreich und Belgien zugestanden worden, statt der Teilnahme am Informationsaustausch eine anonyme Quellensteuer zu erheben, von der 80% an das Herkunftsland der Anleger überwiesen wird. Wie sich inzwischen gezeigt hat, waren die Zusatzeinkünfte aus der Quelle weit niedriger als erwartet.

Die Luxemburger Zeitungen beklagen, dass mit dem Vorstoß Steinbrücks, über natürliche Personen hinaus auch Fonds, Unternehmen und Stiftungen in die EU-Richtlinie einzubeziehen, „alte Gräben neu aufgerissen“ werden. Der Streit beginnt bereits damit, wer alles zu den „Steueroasen“ gerechnet wird. Laut einer Online-Meldung von d’Wort soll Juncker nach dem Ecofin erklärt haben: „Der deutsche Finanzminister hat klargestellt, dass er Luxemburg und Österreich nicht zu den Steueroasen zählt. Ich begrüße diesen Wandel in seinen Ansichten.“ Sollte er Steinbrück richtig verstanden haben, werden die Attacies nicht gerade „amused“ sein. Vielleicht liegen sie und Juncker aber in anderer Hinsicht näher beieinander: Dieser beklagte zu Recht, dass bei der Harmonisierung der Unternehmensbesteuerung bislang keinerlei Fortschritte erzielt worden seien. Der Attac-Sprecher Detlev von Larcher moniert ganz ähnlich, der mit der Zinssteuerrichtlinie verknüpfte Verhaltenskodex für die Unternehmensbesteuerung sei löchrig wie die Zinsrichtlinie.

3. März 2008

EITI: Jetzt wird es Ernst für Konzerne und Regierungen

Für Regierungen und Unternehmen, die die Extractive Industries Transparency Initiative (EITI) unterzeichnet haben, wird es jetzt Ernst damit, Transparenz und Einblick in ihre Einkünfte aus und Zahlungen für Öl, Gas und Bergbau zu gewähren, erklärte letzten Monat die globale zivilgesellschaftliche Koalition Publish What You Pay (PWYP). Bei einer Sitzung des EITI-Vorstandes in Ghana wurden weitere 22 Länder als Kandidaten aufgenommen. PWYP besteht aus mehr als 300 Organisationen, die für Transparenz und Rechenschaftspflicht im extraktiven Sektor streiten. Im EITI-Verstand ist PWYP durch NGOs wie Oxfam, Global Witness und La Rencontre pour la Paix et les Droits de l'Homme vertreten.

„Wir werden alle Kandidaten-Länder auf ihre Standards, was zivilgesellschaftliches Engagement im Rahmen der Umsetzung von EITI angeht, durchleuchten. Manche werden gründliche Reformen durchführen müssen, wenn der Zivilgesellschaft eine ernsthafte Rolle ermöglicht werden soll,“ sagte Bennett Freeman, der Oxfam America und Oxfam International im EITI-Vorstand vertritt. Die sieben neuen Kandidaten-Länder sind die Demokratische Republik Kongo, Äquatorial-Guinea, Madagaskar, die Republik Kongo, Sao Tomé und Pricipé, Sierra Leone und Osttimor. Bis September 2007 waren bereits 15 Länder als Kandidaten aufgenommen worden: Asserbeidjan, Kamerun, Gabun, Ghana, Guineda, Kasachstan, Kirgisien, Liberia, Mali, Mauretanien, die Mongolei, Niger, Nigeria, Peru und Jemen.

Auch die Unternehmen müssen jetzt ihren Anteil an den Verabredungen erbringen, meint Corinna Gilfillan von Global Witness. Es sei nicht akzeptabel, das nur drei von 37 Öl-, Erdgas- und Bergbau-Gesellschaften, die EITI beigetreten sind, (nämlich Royal Dutch Shell, Chevron und StatoilHydro) bislang ihren Berichtspflichten im Rahmen der Initiative nachgekommen sind.

Alle Länder müssen eine zweijährige Probezeit durchlaufen, in der sie die Befolgung der EITI-Kriterien unter Beweis stellen. U.a. wurde im Rahmen von EITI jetzt eine Arbeitsgruppe geschaffen, die Fälle untersucht, in denen Mitglieder der ZIvilgesellschaft bedroht werden. Transparenz-Aktivisten, darunter auch EITI-Vorstandsmitglieder, waren bereits Opfer solcher Bedrohungen – bis hin zu Verhaftungen, etwa in Gabun, Angola und der Republik Kongo. Die EITI-Initiative dürfe hier keinerlei Toleranz walten lassen, sagte Radhika Sarin von PWYP.

1. März 2008

Amazonien: Front mit globaler Verantwortung

Ich bin zurück von der Amazonien-Konferenz der letzten drei Tage in Berlin. Und schon beim Frühstück bestätigt die Financial Times von heute, dass der Zeitpunkt der Veranstaltung, zu der die Heinrich-Böll-Stiftung rund 300 brasilianische und deutsche ExpertInnen und Interessierte aus Politik, Wissenschaft und sozialen Bewegungen zusammengebracht hatte, nicht besser hätte gewählt sein können. Das Londoner Finanzblatt beleuchtet den Hintergrund einer groß angelegten Operation der brasilianischen Regierung gegen den illegalen Holzeinschlag in Amazonien. Den Teilnehmern der Berliner Konferenz dürfte das meiste davon schon bekannt sein: Allein in den letzten fünf Monaten des Jahres 2007 wurden 7000 qkm Wald vernichtet, was einer Jahresrate von 17000 qkm entspricht – 5800 qkm mehr als in den zwölf Monaten zuvor.

Dabei war die Entwaldungsrate seit 2004 deutlich zurückgegangen, u.a. wegen einer rigoroseren Politik gegenüber illegalen Holzfällern: 650 Verhaftungen (einschließlich von korrupten Beamten, die die Holzfäller deckten), Geldstrafen in Höhe von 4 Mrd. Real (1,6 Mrd. €) und die Beschlagnahme von über 1 Mio. Kubikmeter Tropenholz kann die Regierung bis Mitte letzten Jahres anführen. Viele Verantwortliche hoffen, dass auch die neue Operation („Arc of Fire“) die Abholzung wieder verlangsamen kann. Kenner der Situation verweisen jedoch auf komplexere Zusammenhänge der Waldvernichtung im Amazonas-Becken. Noch vor dem illegalen Holzeinschlag rangieren die Viehzucht und dann die starke Weltmarktnachfrage nach Soja (Agrosprit!) und der um sich greifende Zuckerrohranbau derzeit als Hauptfaktoren der Regenwaldvernichtung.

Entsprechend solcher regionaler und globaler Zerstörungsdynamiken betonten die TeilnehmerInnen der Amazonien-Konferenz auch die internationale Verantwortung an der Amazonien-Front. An die Politik der westlichen Industrieländer und ihre Konsumentinnen und Konsumenten richten sich v. a. die folgenden Kernforderungen:

1. Die Schutzgebiete in Amazonien müssen ausgeweitet werden: Hier sind die westlichen Industrieländer vor allem auch bei der finanziellen Unterstützung gefragt.
2. Die Biopiraterie der Pharma- und Agrokonzerne muss ein Ende haben: Die Konferenz zur Konvention über die Biologische Vielfalt (CBD) im Mai in Bonn muss endlich verbindliche Regelungen treffen, damit der Reichtum der genetischen Ressourcen den lokalen Bevölkerungen zugute kommt.
3. Die Zertifizierung von Rindfleisch und Soja muss EU-weit eingeführt werden: Die Verbraucherinnen und Verbraucher müssen die Herkunft von Soja und Rindfleisch nachverfolgen können.
4. Mitsprache- und Entscheidungsrechte der indigenen und sozialen Bewegungen Brasiliens müssen bei internationalen Verhandlungen zum
Biodiversitäts- und Klimaschutz sowie durch multilaterale Geldgeber und Investoren berücksichtigt werden.

Ein ausführliches Dossier zum Thema „Amazonien – Klima und Wandel“ mit ausführlichen Berichten und Dokumenten findet sich unter >>> www.boell.de.