30. April 2010

29. April 2010

Griechenland-Hilfe: Hauptwege, Nebenwege und Abwege

Jeder Tag, um den die Bereitstellung eines Hilfspakets für Griechenland hinausgezögert wird, kann die Kosten der Krisenbewältigung weiter in die Höhe treiben. Diese Kosten der Untätigkeit lassen sich an den steigenden Risikoaufschlägen ebenso ablesen wie an dem fallenden Eurokurs (s. Grafik).


Deshalb ist es so zentral, dass jetzt keine weitere Zeit mehr verloren wird. Der Geschäftsführende Direktor des IWF, Dominique Strauss-Kahn, scheint das verstanden zu haben (s. Video). Wie in einem Offenen Brief von gewerkschaftsnahen Wissenschaftlern an die europäischen Politiker gestern dargelegt wurde, kann ein großzügiges Hilfspaket für die Griechen auch geschnürt werden, ohne das Land durch ungeeignete Konditionen in eine deflationäre Abwärtsentwicklung zu treiben.

Der Zeitfaktor schließt aber auch aus, dass das Hilfspaket jetzt mit allen möglichen Zusatzforderungen belastet wird – etwa der Einbeziehung der Banken, was dieser Tage von allen möglichen Parlamentariern in Deutschland ins Gespräch gebracht wurde. Dies würde auf ein sicheres Scheitern der Griechenland-Hilfe hinaus laufen, einmal abgesehen davon, dass dieselben Politiker meistens nicht gerade glänzen, wenn es um eine wirkliche Beteiligung der Banken an den Krisenkosten geht (siehe den Eiertanz um die Mini-Bankenabgabe und das Einknicken bei der Finanztransaktionssteuer).

Aber auch um die Einführung einer internationalen Insolvenzregelung zu fordern, ist die aktuelle Zwickmühle der Griechen nicht unbedingt ein guter Anlass. Die Forderung, die inzwischen von erlassjahr.de über Wirtschaftsminister Brüderle bis hin zum konservativen Brüsseler Think Tank Bruegel erhoben wird, mag generell Sinn machen. Im aktuellen Fall hilft sie aber schon deshalb nicht, weil es Jahre dauern würde, bis eine solche internationale Regelung ausgehandelt wäre.

Strauss-Kahn macht Druck

28. April 2010

Griechenland-Krise: Deutsche Unfähigkeit zur Solidarität

Erst toleriert die Politik sehenden Auges, wie Horden von Spekulanten (>>> Die Herde ist los) mit den berüchtigten Kreditausfallswaps (CDS: Credit Default Swaps) über Griechenland herfallen und auf die Staatspleite wetten. Das ist etwa so, als hätte ich eine Versicherungspolice, die fällig wird, wenn das Haus meines Nachbarn in Flammen aufgeht. Jetzt brennt das Haus, doch die Herrschaften mit Dame in Berlin diskutieren immer noch, ob sie die Feuerwehr losschicken und ob deren Einsatz überhaupt vertragsgemäß ist.

Überhaupt gleicht die Griechenland-Politik der deutschen Bundesregierung in den letzten Monaten einer Zick-Zack-Fahrt mit der Geisterbahn. Erst gab es Beschwichtigungen, es würde schon nicht so schlimm werden, und lasche Erklärungen wie die des Europäischen Rates von Mitte Februar würden „die Märkte“ schon wieder beruhigen. Dann wurde beim Frühjahrsgipfel am 25./26. März in Brüssel der Eindruck erweckt, die Einigung über ein Hilfspaket sei nunmehr perfekt. Vollmundig erklärte der Luxemburger Premier Jean-Claude Juncker, die benötigten Finanzmittel würden schon rechtzeitig bereit stehen. Und jetzt macht Berlin das ganze Fass erneut auf. Dabei stand hinter dem ganzen Hin und Her vor allem der durchsichtige Versuch der Deutschen, den Griechen das fällige Hilfspaket möglichst zu verweigern.

Sicher – es gab etliche Bekundungen gegen die Spekulanten und auch die Rating-Agenturen, aber nur, um sich gleich anschließend von den Finanzmarktlobbyisten wieder zurückpfeifen zu lassen. Ähnlich verhielt es sich mit der Frage, ob man den IWF in die Bearbeitung der Griechenland-Krise einbeziehen sollte: Erst war die Bundesregierung strikt dagegen, weil das den Eindruck erwecke, die Europäer könnten ihre Probleme nicht allein lösen. Finanzminister Schäuble brachte sogar den Vorschlag ins Gespräch, einen eigenen Europäischen Währungsfonds zu gründen (>>> Europäischer versus Internationaler Währungsfonds?). Dann plötzlich machte die Bundeskanzlerin die Beteiligung des IWF sogar zu einer Voraussetzung für finanzielle Beiträge aus Deutschland.

Inzwischen steht der IWF angesichts der deutschen Unfähigkeit zur Solidarität wieder einmal als Strahlemann da. Sein Kurs war immer unbeirrbar: Yes, we stand ready! Wir sind bereit. Seit gestern deutet der Fonds sogar seine Bereitschaft an, den eigenen Finanzbeitrag zur Griechenland-Rettung von 15 auf 25 Mrd. Euro aufzustocken. Mit Griechenland ist der IWF – nach diversen Kreditpaketen für osteuropäische Länder – definitiv zurück in Europa. Wenigstens er kann der Bundesregierung für etwas dankbar sein.

26. April 2010

Magere Resultate in Washington

Die Protagonisten der Finanztransaktions-steuer (FTT) waren noch dabei, geduldig die Überlegenheit der FTT gegenüber der vom IWF vorgeschlagenen Bankenabgabe darzulegen (>>> Stephan Schulmeister: Bank levy versus transaction tax) oder der Frage nachzugehen, ob die zweite Hälfte des IWF-Vorschlags, die sog. Finanzaktivitätssteuer nicht doch den einen oder anderen Vorteil biete (>>> Bodo Ellmers: Paying for the crisis) – da hatten die Lobbyisten des Finanzsektors das Staff Paper des Fonds bereits in der Luft zerfetzt (>>> Banks hit out at IMF tax proposals). Die Frühjahrstagung von IWF und Weltbank gab dann einen Vorgeschmack, welch harte Auseinandersetzungen noch durchgefochten werden müssen, wenn eine Bankenabgabe – von einer FTT ganz zu schweigen – wirklich kommen soll. In Washington hatten jedenfalls die strikten Gegner jeder neuen Belastung der Banken ihr Coming-out: Kanada, Australien und – Indien.

Das war aber auch schon das konkreteste „Ergebnis“ der Frühjahrstagung, wenn man einmal von der geringfügigen Umschichtung der Stimmen (zugunsten der Schwellenländer) und der Kapitalerhöhung bei der Weltbank absieht. Wen’s genauer interessiert, wie das „We agree to disagree“ im Einzelnen formuliert oder wie buchstäblich jeder Ansatz zu einer strengeren Regulierung der Finanzmärkte von den G20-Finanzministern und den IWF-Gouverneuren in die Zukunft verschoben wurde, mag sich der Links in dem vorangehenden Blog-Eintrag bedienen.

Der Verdacht drängt sich auf, dass diesmal „Verschoben“ wieder einmal „Aufgehoben“ heißt. Vielleicht ist ein Aspekt noch erwähnenswert: Eine vergleichbare Auseinandersetzung wie um die Bankenabgabe deutet sich innerhalb der G20 um die neuen Kapitalstandards und Rücklagevorschriften für Banken an, die bis Ende des Jahres beschlussreif sein sollen. Auch hier würden die Banken zusätzlich finanziell belastet, was die Profite bedroht. Einige Banker bevorzugen deshalb eine Abgabe, weil sie sich davon weniger Kosten versprechen. Vielleicht bremsen sich beide Vorschläge am Ende aber auch gegenseitig aus – keine heiteren Aussichten fürwahr, wo doch in der Natur endlich der Frühling Einzug gehalten hat und auch in der Weltkonjunktur die "grünen Triebe" nicht mehr zu übersehen sind (>>> Prekärer Aufschwung nach Großer Rezession).

Strauss-Kahn: Griechen, habt keine Angst vor dem IWF!

23. April 2010

Kapitalerhöhung der Weltbank: Unübersichtliche Fronten

Wenn der Entwicklungsausschuss am kommenden Sonntag in Washington erneut über eine allgemeine Kapitalerhöhung der Weltbank diskutieren und wahrscheinlich auch beschließen wird, stehen im Hintergrund unübersichtliche, vielleicht sogar verquere Fronten. Das Weltbank-Establishment mit Robert Zoellick an der Spitze hält eine Kapitalerhöhung um 3,5 Mrd. US-Dollar für angemessen und realistisch, um die „Feuerkraft“ der Bank an die Situation nach der schwersten Finanz- und Wirtschaftskrise seit den 1930er Jahren anzupassen. Hinzu kämen 1,5 Mrd. Dollar, weil die Kapitalaufstockung gleichzeitig mit der Reform der Stimmrechte (und damit der Eigneranteile) zugunsten der Schwellenländer diskutiert wird.

Die meist in Washington ansässigen Umwelt-NGOs haben wieder einmal einen „globalen Aufschrei“ organisiert, weil sie finden, dass die Weltbank kein neues Geld bekommen sollte, solange sie sich nicht aus der Finanzierung fossilistischer Energieprojekte im Bereich von Öl und Kohle in der Dritten Welt zurückzieht. Die NGOs rufen die Regierungsvertreter daher auf, der Kapitalerhöhung die Zustimmung zu versagen, bis die Weltbank ein überzeugendes Konzept vorlegt, in deren Mittelpunkt die Förderung sauberer Energien steht.

Dazu wird es wahrscheinlich nicht kommen. Denn gerade die Entwicklungsländer sehen das anders. Wie sie im Kommuniqué der Gruppe der 24, die ihre Interessenvertretung in den Bretton-Woods-Institutionen wahrnimmt, schreiben, sehen sie die Weltbank in einer zentralen Rolle, um die Effekte der Finanzkrise im Süden und die Rückschläge bei der Umsetzung der Millennium-Entwicklungsziele (MDGs) auszugleichen und damit dem Hauptziel der Bank, der Armutsbekämpfung, gerecht zu werden. Im Kommuniqué drücken die Entwicklungsländer sogar ihre Sorge aus, dass die vorgeschlagene Kapitalerhöhung inadäquat ist, um diese Aufgaben zu bewältigen. Deshalb fordern sie eine „viele höhere Kapitalaufstockung“ als die jetzt vorgesehene. Auch diese Forderung wird allerdings kaum durchkommen, da ihr die Knausrigkeit der Hauptkapitalgeber der Bank entgegen steht. Zurückgerudert sind die G24 bereits in Bezug auf die Reform der Stimmrechte. Forderten sie noch auf der Jahrestagung in Istanbul im letzten Herbst eine Verschiebung der Stimmrechte um 6% zugunsten der Schwellen- und Entwicklungsländer, so halten sie die jetzt angepeilten 3% für realistisch, allerdings nur als ersten Schritt in die richtige Richtung.

Obamas neue Rede zur Wall Street Reform



>>> Obama-Rede im Wortlaut

22. April 2010

Fällt mit Griechenland der Euro?


More at The Real News

Die Grünen im Bundestag fordern Finanzumsatzsteuer

Die Bundesregierung soll sich für die Einführung einer Finanzumsatzsteuer auf europäischer und internationaler Ebene einsetzen. Nach gleichgerichteten Anträgen der SPD und der Linksfraktion (>>> Finanztransaktionssteuer im Bundestag) stellt jetzt auch die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in einem Antrag (Nr. 17/1422), der heute auf der Tagesordnung des Deutschen Bundestages stand, eine Forderung, die schon in den Zeiten vor der rotgrünen Koalition zum festen programmatischen Bestand der Partei gehörte. Zunächst solle die EU-Kommission einen Vorschlag zur europawiten und dann internationalen Einführung einer Finanzumsatzsteuer vorlegen. Die verbindliche Einführung der Steuer solle dann im EU-Ministerrat beschlossen werden. Außerdem solle die Bundesregierung die Einführung einer Finanzumsatzsteuer auf internationaler Ebene, z.B. in der G20, fordern und einen globalen Umsetzungsplan vorlegen.

Die Grünen begründen ihren Vorschlag mit dem Hinweis, dass der Handel mit Aktien und Derivaten in der EU weitgehend unbesteuert erfolge. Das sei ungerecht. Wie andere Produkte und Dienstleistungen sollten auch Finanztransaktionen mit einer Umsatzsteuer belegt werden. Kleinanleger, die in der Regel in langfristig orientierte Kapitalanlagen investieren würden, würden nur gering belastet, Finanzmarktakteure dagegen stärker.

21. April 2010

IWF-Bericht plädiert für doppelte Bankenabgabe

Die mit Spannung erwartete Studie des IWF, wie der Finanzsektor an den Kosten der Finanzkrise beteiligt werden sollte, ist früher als erwartet in die Öffentlichkeit gelangt. Das Papier mit dem Titel A Fair and Substantial Contribution by the Financial Sector wird am Freitag dieser Woche beim Treffen der G20-Finanzminister in Washington Diskussionsgrundlage sein, wenn über den Fahrplan zum Gipfeltreffen im Juni in Toronto beraten wird.

Das Papier nimmt nicht, wie vielfach befürchtet, Position für eine reine Versicherungsregelung für in Schwierigkeit geratene Banken, sondern plädiert für zwei neue Bankenabgaben, die in so vielen Ländern wie möglich verwirklicht werden sollten:

Erstens wird ein „Finanzstabilitätsbeitrag“ ("financial stability contribution") befürwortet, um “die fiskalischen Kosten möglicher künftiger öffentlicher Unterstützung für den Sektor“ abzudecken – eine Abgabe, die von allen Finanzinstitutionen, nicht nur Banken, bezahlt werden sollte.

Zweitens plädiert das Papier für eine "financial activities tax" (FAT), die auf die Profite von Finanzinstitutionen und die von ihnen gezahlten Vergütungen erhoben werden soll.

Von den beiden Vorschlägen könnte noch am ehesten in der FAT ein Instrument zur Aufbringung von Finanzmitteln gesehen werden, um Haushaltslöcher zu stopfen und andere dringende öffentliche Aufgaben zu finanzieren. Wie die Finanztransaktionssteuer (FTT) würden damit geschäftliche Aktivitäten des Finanzsektors besteuert und ein Beitragzu dessen Schrumpfung geleistet, heißt es in der Studie. Allerdings wird die FAT als eine Art Alternative zur FTT präsentiert. Die FTT beurteilen die IWF-Autoren eher skeptisch. Während sie das Argument zurückweisen, die Steuer sollte nicht aus Gründen mangelnder administrativer Praktikabilität zurückweisen, schreiben sie, sie sei auf das von dem G20 gegebene Mandat nicht adäquat zugeschnitten. WEED hat die Studie deshalb in einer ersten Reaktion als halbherzig bezeichnet.

Die politische Auseinandersetzung geht aber weiter. Beide Vorschläge des IWF sind mehr, als man erwarten konnte. In ihrer Reichweite und im Finanzvolumen (drei bis vier Prozent des BIP) gehen sie weit über die kürzlich von der Bundesregierung angekündigten Mini-Bankenabgabe hinaus. Es wird spannend, wie es weitergeht – in dieser Woche, wenn am Freitag die G20-Finanzminister diese Fragen diskutieren, und weiter bis zum G20-Gipfel im Juni. Bis dahin soll ein endgültiger Bericht des IWF zum Thema vorliegen.

18. April 2010

EU-Finanzminister uneins über Bankensteuer

Dass sich die EU-Finanzminister auf ihrem Informellen Treffen an diesem Wochenende in Madrid nicht über eine Bankenabgabe einigen konnten, ist eine gute Nachricht. Denn eine Einigung hätte man sich zum derzeitigen Zeitpunkt nur als ein Einschwenken auf eine Minimallösung vorstellen können, wie sie eine Kommissionsstudie vor zwei Wochen nahelegte und wie sie auch den Vorstellungen der Bankenvertreter entspricht, die schon vor einiger Zeit auf die Position eingeschwenkt sind: Wenn wir schon zahlen müssen, dann eine Bankenabgabe. Diese gilt jetzt als probates Mittel, um die von immer mehr Seiten geforderte Finanztransaktionssteuer zu umgehen.

Immer noch – und seit neuestem wieder mit steigender Tendenz – treten Bankensprecher mit Warnungen vor „Überregulierung“ auf. So an diesem Wochenende der Chef von JPMorgan Chase in der Welt am Sonntag. Eine striktere Regulierung beschränke die Geschäftsmöglichkeiten der Banken; diese brauchten einfach „besseren Zugang zur Politik“. Warum wohl? Eine Antwort darauf wusste der Vorsitzende des Financial Stability Board, der italienische Zentralbankchef Draghi, als er vor den EU-Finanzministern in Madrid auftrat. Diese sollten sich nicht durch die Drohgebärden der Banken einschüchtern lassen. Es sei ganz klar: Ein besser regulierter Finanzsektor bringe es mit sich, dass sich die Banken mit geringeren Profiten zufrieden geben müssten. Warum auch nicht?

17. April 2010

Vor der IWF-Frühjahrstagung: Reformforderungen der BRICs

Unmittelbar vor dem Treffen der G20-Finanzminister und der Jahrestagung von IWF und Weltbank in Washington haben die BRICs (Brasilien, Russland, Indien und China) die beiden Bretton-Woods-Zwillinge zu zügigeren Reformen aufgefordert. „Der IWF und die Weltbank müssen dringend ihr Legitimationsdefizit angehen“, heißt es im Kommuniqué, das die Chefs der vier wichtigsten Emerging-Economy-Staaten im Anschluss an ihren Gipfel in Brasilia herausgaben. Und: „Wir rufen dazu auf, die Stimmrechtsreform der Weltbank auf der kommenden Frühjahrstagung abzuschließen, und erwarten, dass die Quotenreform des IWF bis zum G20-Gipfel im November dieses Jahres abgeschlossen wird.“

Einerseits ist die Botschaft klar: Beschleunigt die Reformen oder riskiert, wieder in die Bedeutungslosigkeit zurückzufallen. Deutlich weist der Text darauf hin, dass die BRICs im Rahmen der G20 der Aufstockung der Finanzmittel für den IWF zugestimmt haben und auch der anstehenden Kapitalerhöhung der Weltbank nicht im Wege stehen werden – „faires Burden-Sharing“ vorausgesetzt. Jetzt wollen sie Taten bei der Governance-Reform sehen. Andererseits ist die anstehende Stimmrechtsreform nicht so weitreichend, wie sie sein müsste, um die Machtungleichgewichte in der Bank zu überwinden. Gerade mal von 44 auf 47% würden sich die kombinierten Stimmrechte der Entwicklungsländer erhöhen. Auch bei der IWF-Quotenreform steht nicht viel mehr auf der Tagesordnung.

Die beschriebene Zurückhaltung im Konkreten ist symptomatisch für die derzeitige Rolle der BRICs und anderer aufstrebender Volkswirtschaften in der Weltwirtschaft. (Parallel tagte in Brasilia auch die IBSA-Gruppe aus Indien, Brasilien und Südafrika.) Einerseits ist die bestehende Weltordnung klar der Ausgangspunkt für diese neuen Gruppierungen. Andererseits betonen ihre Kommuniqués seit der jüngsten Finanzkrise regelmäßig die Notwendigkeit einer reformierten und stabileren globalen Finanzarchitektur. Aber das Plädoyer bleibt schwach; eine klare, geschweige denn antagonistische Trennlinie zur Politik der G8 wird nicht erkennbar. Immerhin wurde in Brasilia deutlich, wie schnell sich die BRICs derzeit institutionalisieren. Ihr Gipfel war jetzt schon der zweite (nach Jekaterinburg im Juni letzten Jahres in Russland), und der dritte ist für nächstes Jahr schon in China vorgesehen. Gleichzeitig vervielfachen sich die sektoralen Integrationsinitiativen unter den BRICs geradezu atemberaubend schnell, vor allem im wirtschaftlichen Bereich. Süd-Süd-Kooperation ist heute zweifellos eines der größten Erfolgsprojekte.

>>> BRICs Urged Reform of Financial Architecture: Communiqué of the summit in Brasilia

15. April 2010

Entwicklungshilfe: Helden und Schurken fünf Jahre danach

Nach Helden und Schurken in der Entwicklungspolitik der Europäischen Union (EU) fragte ein Sonderdienst des Informationsbriefs Weltwirtschaft & Entwicklung, der vor fünf Jahren im Auftrag von Oxfam Deutschland erschien. Fünf Jahre später gibt eine jetzt von der OECD publizierte Übersicht über die jüngsten ODA-Zahlen für 2009 (>>> Die Armut steigt – die EU-Entwicklungshilfe sinkt) Anlass zu ähnlichen Fragen. Zum Beispiel: Was haben Griechenland und Deutschland in der Entwicklungspolitik gemeinsam? Zumindest so viel, dass ihre entwicklungspolitischen Nettoleistungen im letzten Jahr gegenüber 2008 jeweils um 12% zurück gingen. Bei Griechenland nennt die OECD als Grund „haushaltspolitischen Druck“, bei Deutschland dagegen das Auslaufen von Schuldenerlassen, die immer noch als Entwicklungshilfe angerechnet werden.

Es gab jedoch noch größere Schurken als das hellenische Defizit- und das germanische Überschussland. Und es gab ein paar erstaunliche Helden sowie auch traditionelle Helden, aber mit ein paar Flecken auf der weißen Weste. Im Einzelnen:

* Die größten Schurken unter den europäischen Gebern waren 2009 wie schon vor fünf Jahren Österreich (-31,2%) und Italien (-31,1%. Hinzu kam Irland mit einem Rückgang der Leistungen um -18,9%.
* Erstaunlich gut schnitten Großbritannien und Frankreich ab, deren ODA-Anteil am Bruttonationaleinkommen (BNE) von 0,43 auf 0,52% bzw. von 0,39 auf 0,46% stieg. Das zeigt, dass man auch in der Krise die entwicklungspolitischen Leistungen steigern kann, wenn man will.

Bei etlichen Gebern, darunter auch einige Musterknaben, die das 0,7%-Ziel der UNO schon seit längerem überschritten haben, erhöhte sich der Anteil der Entwicklungshilfe am BNE, obwohl sie weniger ausschütteten. Grund dafür sind die in der Krise schrumpfenden volkswirtschaftlichen Gesamtleistungen.

* Im Falle der Niederlande erhöhte sich der ODA-Anteil am BNE leicht, obwohl die Ausgaben um 600 Mio. Dollar fielen.
* Spaniens Entwicklungshilfe wuchs von 0,45 auf 0,46% des BNE, aber seine aktuellen Ausgaben fielen um 200 Mio. Dollar – nicht gerade beeindruckend für das Land, das derzeit die EU-Präsidentschaft hat.
* Interessante Fälle sind auch Schweden und Luxemburg: Obwohl beide über 1% des BNE gaben, betrug die ODA in absoluten Zahlen weniger als 2008.

>>> Die Armut steigt – die EU-Entwicklungshilfe fällt

11. April 2010

Attac-Bankentribunal urteilt wie erwartet

Die Richterinnen und Richter des Attac-Bankentribunals an diesem Wochenende haben die Anklage in wichtigen Punkten bestätigt. In ihrem in der Berliner Volksbühne verkündeten Urteilsspruch stellten sie fest:

"Die Jury kommt zu der Überzeugung, dass die Finanzkrise nicht wie eine Naturgewalt über die deutsche Wirtschaft hereingebrochen ist. Es gibt klare Verantwortliche. Dazu gehört die Politik, hier vertreten durch Bundeskanzler Gerhard Schröder und Bundeskanzlerin Angela Merkel. Durch ihre Arbeitsmarkt-, Sozial- und Finanzpolitik haben sie dazu beigetragen, dass sich die Finanzmärkte von der Realwirtschaft ablösen konnten und hochriskante Spekulationsgeschäfte möglich wurden. Sie haben wiederholt die öffentlichen Interessen an private ausgeliefert. Sie haben die Demokratie untergraben. Sie haben die Gläubiger geschont und nicht für die Kosten der Bankenrettung herangezogen. Sie haben die Milliardensummen den öffentlichen Haushalten aufgebürdet. Sie setzen sich nicht entschieden für die überfällige Regulierung der Finanzmärkte ein. Sie lassen es ferner geschehen, dass Milliarden von Menschen im globalen Süden noch tiefer in Armut gestützt werden.

Die Jury widerspricht den Banken, hier vertreten durch Deutsche Bank-Chef Josef Ackermann, sie seien nur 'Getriebene der Märkte'. Vielmehr haben sie durch ihr bedenkenloses Gewinnstreben den Grundsatz grob verletzt, dass 'Eigentum verpflichtet' und auch dem Wohl der Allgemeinheit zu dienen hat."

In ihrer Urteilsbegründung monierten die Richter insbesondere, dass die Profiteure der Staatshilfen nicht angemessen an den Rettungsaktionen beteiligt wurden und die Gläubiger der Banken bisher gar keinen Beitrag leisten mussten. Der derzeitigen Bundesregierung sei vor allem anzulasten, dass noch immer keinerlei Regulierung der Finanzmärkte erfolgt sei. Zwar der Einwand der Verteidigung berechtigt, dass die Einflussmöglichkeiten Deutschlands in internationalen Gremien begrenzt sind. Dennoch trage die derzeitige Bundesregierung eine Mitschuld, dass die internationale Finanzmarktregulierung nur schleppend in Gang kommt. "Kanzlerin Merkel ist erkennbar bemüht, die Standortinteressen der deutschen Kreditinstitute zu verteidigen", heißt es in der Begründung. So habe etwa der Zeuge Sven Giegold als Mitglied des Europaparlaments glaubhaft belegen können, dass Deutschland eine stärkere Bankenaufsicht auf europäischer Ebene verhindert und eine bessere Regulierung von Hedge-Fonds blockiert hat.

Das Gericht folgte auch der Darstellung des Zeugen Harald Schumann, dass bei der Rettung der Hypo Real Estate unnötig Steuergelder verschwendet wurden, weil das Bundesfinanzministerium trotz bekannter Liquiditätsengpässen keinerlei Notfallplan aufgestellt hatte. Zudem sei es falsch gewesen, die Fusion von Commerzbank und Dresdner Bank zuzulassen und mit Steuermitteln zu finanzieren. "Die Aufgabe der Bundesregierung wäre es gewesen, kleinere Banken zu schaffen, statt gigantische Zusammenschlüsse zu organisieren", stellten die Richter fest.

Als Gänzlich unvereinbar mit demokratischen Grundsätzen bezeichnete die Jury, dass selbst von Regierungsseite manche Finanzakteure als "too big to fail" angesehen werden. Dies konstatiere einen unerträglichen Zustand staatlicher Ohnmacht, der mit dem Demokratieprinzip unvereinbar sei. "Daraus folgt der zwingende Beweis für die Notwendigkeit der Zerschlagung solcher Institute", heißt es in der Urteilsbegründung.

Das Urteil im (vorläufigen) Wortlaut findet sich >>> hier.

9. April 2010

Bankenabgabe vs. FTT: Lehrstück für die Macht der Finanzindustrie

Zu einem Lehrstück für die Macht der Finanzindustrie gegenüber der Politik droht die derzeitige Auseinandersetzung um die Einführung einer Finanztransaktionssteuer (FTT) zu werden. Wenn der Vorabbericht des Handelsblatts über die Studie des Internationalen Währungsfonds (IWF) zur Beteiligung der Banken an den Kosten der Finanzkrise auf Tatsachen beruht und nicht nur Stimmungsmache gegen die FTT ist, kann man dies getrost als erneute Kapitulation des Fonds und vieler Regierungen vor der Macht der Finanzindustrie werten. Danach favorisiert der Bericht gegenüber der FTT eine international koordinierte Bankenabgabe, da die Einführung einer FTT mit zahlreichen „Umsetzungsschwierigkeiten“ behaftet sei.

Kein Wunder, das die Kampagne „Steuern gegen Armut“, die derzeit auch im internationalen Kontext Unterschriften für eine FTT sammelt, die IWF-Position scharf kritisiert hat. Auch die Bundesregierung greift der Beschlussfassung der einschlägigen internationalen Beratungen, dem Finanzministertreffen der EU in der nächsten Woche, der Beratung der G20-Finanzminister in Berlin Ende Mai und dem G20-Treffen im Juni in Toronto, vor, indem sie die Einführung einer Bankenabgabe als Alternative zur Finanztransaktionssteuer betreibt.

Ins selbe Horn stößt jetzt auch ein Bericht der EU-Kommission mit dem Titel Innovative Financing at a global level, der vom Europäischen Rat zur Vorbereitung einer gemeinsamen europäischen Position in dieser Frage in Auftrag gegeben worden war. Unter den diversen Instrumenten gibt die Kommission deutlich der Bankenabgabe und einer CO2-Besteuerung den Vorzug, während gegen die FTT einige alte, längst widerlegte Argumente neu aufgetischt werden. So behauptet der Bericht, die Einführung einer FTT führe zur Fehlallokation von Finanzressourcen. Das Gegenteil ist jedoch der Fall, weil damit kurzfristige Spekulationen entmutigt und langfristige Investitionen ermuntert werden. Zur Aufwertung der Bankenabgabe vertauscht die Kommission einfach die Argumente. Diese entmutige risikoreiche Investitionen, behauptet sie. Dabei weisen selbst Mainstream-Fachleute auf die Gefahr eines „moral hazard“ hin, wenn Banken sich gegenüber künftigen Krisen abgesichert sähen.

Zu Recht sagt deshalb Kampagnensprecher Jörg Alt: "Wir bleiben bei unserer Forderung nach Einführung einer Transaktionssteuer, weil sie die Krisen treibenden kurzfristigen Spekulationen auf den Finanzmärkten unrentabel macht, und weltweit ca. 200 Mrd. € für den Kampf gegen Hunger und Armut auf der Welt, für die Bekämpfung des Klimawandels und für die Deckung der Krisenkosten einbringt". Genau dies leiste eine Bankenabgabe nicht. Sie sei nichts weiter als eine Insolvenzversicherung für die Banken.

7. April 2010

Bessere Standards in der Rohstoffindustrie?

Das International Accounting Standards Board (IASB) hat gestern einen wichtigen Schritt zur Verbesserung der Berichts- und Rechnungslegungsstandards in der Erdöl-, Erdgas- und Bergbauindustrie getan. Allerdings sagen Experten der rohstofffördernden Industrie, dass der ursprüngliche Vorschlag durch den Druck von Unternehmen verwässert wurde. Was gestern vorgelegt wurde, reicht deshalb nicht aus, um Investoren und BürgerInnen rohstoffreicher Länder Zugang zu notwendigen Informationen zu ermöglichen.

In einem formalen Discussion Paper für einen neuen Standard in der rohstofffördernden Industrie untersucht das wichtigste Gremium für weltweite Rechnungslegungsstandards verschiedene neue Berichtanforderungen für Reserven, Produktion und Kosten. Das Diskussionspapier ist ein wichtiger Schritt in der Reform der IASB-Standards. So wird darin u.a. der Vorschlag behandelt, durch Unternehmensinformationen auf Länderbasis ("country-by-country") für größere Transparenz zu sorgen. Bisher werden nur zusammengefasste Informationen für Regionen oder Unternehmensaktivitäten veröffentlicht.

Die Bürgerinnen und Bürger der rohstoffreichen Länder haben aber ein Recht zu erfahren, wie viel ihre Regierung aus dem Verkauf der Abbaurechte und den anfallenden Steuern einnimmt. Nur so kann gewährleistet werden, dass die Gelder wirklich bei der armen Bevölkerung ankommen und nicht in dubiosen Kanälen korrupter Regierungen versacken. Die internationale Publish-What-You-Pay-Kampagne, Revenue Watch, das Tax Justice Network und Investorengruppen unterstützen deshalb die Forderung nach einer länderspezifischen Informationspflicht, die die Interessen der Menschen der rohstoffreichen Länder und der Investoren über jene der Erdöl- und Bergbauindustrie stellt.