27. Dezember 2006

Deutsche G8-Präsidentschaft: Bono kommt ...

Mit der Beschaulichkeit, in der sich deutsche NGOs auf den G8-Gipfel vom 6.-8. Juni 2007 in Heiligendamm vorbereiten, dürfte es vorbei sein, wenn der irische Rockstar Bono und sein Kollege Bob Geldorf ihren Afrika-Kampagnen-Zirkus nach Deutschland bringen. Schon im nächsten Monat will die von Bono und Geldorf ins Leben gerufene NGO DATA ein Büro in Berlin eröffnen. Geplant ist u.a. eine Serie von Veranstaltungen ("intellectual aid"), zu denen deutsche Minister und Politiker eingeladen werden - zum Zuhören; reden dürfen sie nicht.

Geschickt stößt DATA in ein Vakuum, das von deutschen NGOs im Rahmen ihrer G8-Vorbereitung bislang nicht bearbeitet wird. Zum Gipfel will DATA öffentlichkeitswirksam die Frage stellen, was aus den Versprechungen des G8-Gipfels von Gleneagles vor zwei Jahren geworden ist. "Der deutsche G8-Gipfel sollte zum Thema haben, diese Versprechen in die Wirklichkeit umzusetzen", erklärte ein DATA-Sprecher gegenüber der Financial Times. In der Tat ist dies von der offiziellen Gipfel-Agenda bislang nicht vorgesehen (>>> W&E 11/2006). Während deutsche Politiker von Merkel (s. Photo mit Bono) bis Wieczoreck-Zeuil die Intervention der Bono-Truppe begrüßen, sind die NGOs eher spektisch. Lagerübergreifend wird befürchtet, die Pop-Stars würden, wie in Gleneagles, auf eigene Faust die Nähe der Spitzenpolitiker suchen und sich von der Szene nicht einbinden lassen.

23. Dezember 2006

Krise der Umwelt - Krise von Attac

Das Jahr 2007 dürfte zu einem entscheidenden Jahr für die Zukunft der Globalisierung, aber auch der globalisierungskritischen Bewegung werden, schreiben die "Blätter für deutsche und internationale Politik" im Leitartikel ihrer Januar-Ausgabe (Heft 1/2007). Der Autor, Albrecht von Lucke, geht dabei nicht nur mit den etablierten Parteien, sondern auch mit Attac hart ins Gericht:

"Zu Recht als die wohl wichtigste Bewegung des 21. Jahrhunderts bezeichnet, hat sie (die globalisierungspolitische Bewegung um Attac; R.F.) diesen Anspruch bisher jedoch noch nicht eingelöst – insbesondere was die Klimafrage anbelangt. Bis heute gibt es keine alternative Umweltpolitik auf globalem Niveau, operieren Drittwelt-, Friedens- und Umeltbewegung vor allem aneinander vorbei.
Darin liegt eine Ursache dafür, warum sich Attac derzeit in der Krise befindet. Gewiss kann man dafür, jedenfalls zu einem Teil, das abgeklungene Medieninteresse verantwortlich machen. Hier liegt aber auch eigenes Versagen gerade dieses vielleicht prominentesten Teils der Bewegung. Nach einer anfänglichen Hochphase hat sich Attac in den letzten Jahren das Globalisierungsthema zwar nicht aus der Hand nehmen lassen, aber schon seit geraumer Zeit ist es erstaunlich ruhig um diese Frage geworden. Zum einen rückten nationale Themen, insbesondere der Kampf gegen Hartz IV, stark in den Vordergrund. Zum anderen fehlt es der Bewegung aber auch an inhaltlich-thematischer und konstruktiver Fundierung, insbesondere hinsichtlich der Klimafrage.
Seit Jahren, spätestens seit dem 11. September 2001, betreibt die gobalisierungskritische Bewegung vor allem eine Politik des „Anti“. Die Menschheit gegen Bush, lautete in den letzten fünf Jahren die Devise. Gerade in der Umweltpolitik geht diese Rechnung jedoch nicht auf – insbesondere weil sich Staaten wie die Bundesrepublik allzu gern hinter dem Umweltsünder USA verstecken, der bis heute das Kyoto-Protokoll nicht unterzeichnet hat. Dabei ist auch Deutschland, der vorgebliche ökologische Musterknabe, noch immer weit von Vorbildlichkeit entfernt. Heute beträgt der CO2-Ausstoß eines Bundesbürgers mit im Durchschnitt zehn Tonnen pro Jahr das Zwanzigfache eines Inders, und ganz Afrikas CO2-Ausstoß etspricht derzeit dem der Bundesrepublik...
Gewiss greift Attac als Bewegung für die Tobin-Tax die Devisenspekulation als die avancierteste Form des Turbokapitalismus an und schlägt damit ein eigenes Regulierungsmittel vor. Von einem umfassenden Alternativmodell zum fossilistischen Kapitalismus ist die Bewegung jedoch noch weit entfernt. Dafür bedürfte es eines Ansatzes, der jeden Lebensbereich erfasst und auf seine Zukunftstauglichkeit hin durchleuchtet: von der Wirtschafts- und Arbeits- über die Ernährungs- bis zur Mobilitätspolitik. Davon kann augenblicklich keine Rede sein."

Die Kritik ließe sich fortsetzen. In der Vorbereitung auf den G8-Gipfel, die eine Art Erlösung aus der Krise bringen soll, ist viel von "Protest" und "Gegenwind" die Rede. Kaum einer in der Szene beschäftigt sich jedoch ernsthaft mit der inhaltlichen Agenda des Gipfels, mit der Frage der Alternativen zur Politik der G8 oder mit Vorschlagen zu einer grundlegenden Reform der überkommenen Gipfelarchitektur. Großspurig und ohne Blick für die Realitäten wird von "Massenblockaden" gegen den Gipfel geredet. In der Abschlußerklärung der letzten Aktionskonferenz wird sogar die Blockade und Umzingelung des Rostocker Flughafens angekündigt, "um die ankommenden Regierungschefs zu begrüßen". Abstruser und abenteuerlicher geht's kaum noch. Und so wird es denn wohl statt der "Umzingelung" die weiträumige "Umzäunung" des Tagungsortes geben - und schon hat man einen neuen Grund zum "Protest".

22. Dezember 2006

Global Governance School beim DIE in Bonn

Am Deutschen Institut für Entwicklungspolitik (DIE), das sich als Think Tank der deutschen Entwicklungspolitik versteht, beginnt im Februar 2007 unter dem Titel "Global Governance School" ein neu eingerichteter Qualifizierungskurs für junge Führungskräfte aus sog. Ankerländern. Dieser ist Teil des neuen Fortbildungs- und Dialogprogramms „Managing Global Governance“, das das DIE zusammen mit der Internationalen Weiterbildung und Entwicklung GmbH (InWEnt) im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) durchführt. Im Rahmen dieser Qualifizierung werden Teilnehmern aus Brasilien, Indien, China, Südafrika und Mexiko fachliche Kenntnisse zu Fragen der Gestaltung der Globalisierung und internationaler Kooperation vermittelt. Zudem findet ein intensiver Austausch zwischen jungen Führungskräften aus Deutschland, Europa und aus den Partnerländern statt. In diesem Sinne will das Programm einen Beitrag zum globalen Management internationaler Herausforderungen und Risiken in den vielfältigsten Bereichen (Wirtschaft, Sicherheit, Umwelt, Energie, Kommunikation, Technologie, Forschung) und zur Intensivierung der strategischen Kooperation Deutschlands mit diesen in Weltwirtschaft und -politik an Bedeutung gewinnenden Ländern leisten.

17. Dezember 2006

BMZ will Verhandlungsdurchbruch bei EPAs

Die Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Heidemarie Wieczoreck-Zeul, will erstmals die Regierungen der AKP-Staaten (Afrika, Karibik, Pazifik) mit an den Tisch laden, wenn sich die Entwicklungsminister der EU zu ihrem regulären informellen Treffen am 12./13. März 2007 auf dem Bonner Petersberg versammeln. Im Hintergund steht die Hoffnung, während der deutschen Präsidentschaft auf einen Durchbruch in den Verhandlungen zwischen der EU und den AKP-Staaten über die sog. Wirtschaftspartnerschaftsabkommen zu erzielen.

Am Vorabend des Treffens, am 12. März, kommen in Bonn die europäischen NGOs zusammen (>>> Internationale NGO-Konferenz). Eingeladen sind u.a. Wieczoreck-Zeul und der europäische Entwicklungskomissar Michel. Die Runde dürfte sich schnell darüber einig werden, daß EPAs entwicklungsfördernd ausgestaltet werden müssen. Die entscheidendere Frage ist allerdings, wie dies in dem für Handelsfragen federführenden Wirtschaftsministerium gesehen wird. Schon am 27. Februar bereiten sich die deutschen NGOs mit einer Veranstaltung in Berlin (>>> David gegen Goliath) auf die EPA-Debatte vor, die allgemein als die wichtigste entwicklungspolitische Frage angesehen wird, die während der deutschen EU-Präsidentschaft zur Entscheidung ansteht.

13. Dezember 2006

Hohe Erwartungen an die deutsche EU-Präsidentschaft

An die am 1. Januar 2007 beginnende deutsche EU-Präsidentschaft (rechts das offizielle Logo) knüpfen entwicklungspolitische NGOs hohe Erwartungen. Das schreibt der Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwicklung in einem Bericht kurz vor dem Ende der finnischen Präsidentschaft aus Brüssel (>>> W&E-Hintergrund Dez 2006). In ihrer Bilanz der zurückliegenden sechs Monate schreibt Denise Auclair, die für das katholische Netzwerk CIDSE und Caritas Europa in der belgischen Hauptstadt arbeitet, die finnische Präsidentschaft habe das Thema "Entwicklungspolitische Kohärenz" auf EU-Ebene durchaus vorangebracht, allerdings nur in prozeduraler Hinsicht. Wie politische Interessenkonflikte zwischen einzelnen Politikbereichen, z.B. zwischen Handels- und Entwicklungspolitik, künftig gelöst werden, sei auch nach dem im Oktober beschlossenen Arbeitsprogramm der EU-Entwicklungsminister offen.


Das heikle Thema der Verhandlungen über sog. Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (EPAs) mit den AKP-(Afrika, Karibik, Pazifik)-Staaten reiche die finnische Präsidentschaft wie "eine heiße Kartoffel" an die Deutschen weiter. Ob diese jedoch eine entwicklungsverträgliche Orientierung in den Verhandlungen durchsetzen werden, wie in Berlin beteuert wird, ist keineswegs sicher. Auch mit Blick auf die im Februar/März 2007 anstehende Überprüfung der Umsetzung der Monterrey-Verpflichtungen (0,39% des Bruttonationaleinkommens für öffentliche Entwicklungshilfe) fragt sich die Autorin, wie die Deutschen eine Führungsrolle in der EU spielen wollen, wenn das eigene Haus nicht in Ordnung ist. - Weitere Beiträge der Ausgabe befassen sich mit dem neuen Trend der EU-Handelspolitik zu Bilateralismus und Regionalismus (Rainer Falk) sowie mit wirtschaftspolitischen Alternativen zur neoliberalen Transformation des europäischen Sozialmodells (Euro-Memorandum-Gruppe).

7. Dezember 2006

Gender-Strategie der Weltbank: Eindimensionale Marktorientierung

Scharfe Kritik an dem neuen Gender-Aktionsprogramm der Weltbank übt der Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwicklung in seiner neuen Ausgabe (>>> W&E 12/2006). Der Aktionsplan ist mit 24,5 Mio. US-Dollar ausgestattet und eine maßgebliche frauenpolitische Leitlinie der Bank für die Haushaltsjahre 2007-2010. Zwar sei es richtig und wichtig, schreibt W&E-Autorin Christa Wichterich, Chancengleichheit auch auf den Märkten voranzubringen. Doch sehe der Aktionsplan die Frauen eindimensional als Marktakteurinnen - sei es als Unternehmerin, als Landbesitzerin, als Kreditnehmerin bei privaten Banken oder als flexible Teilzeitarbeiterin. Unter der Überschrift "Die neuen Smarties der Weltbank" schreibt Wichterich:

"Dagegen verschwinden die konkreten ökonomischen Tätigkeiten von Frauen als Bäuerin, Kleinhändlerin, Dienstleisterin oder Exportarbeiterin hinter diesen Funktionen als Marktakteurinnen. Selbsthilfegruppen und informelle Tätigkeiten sollen gezielt in den Markt integriert werden."

Weitere Beiträge der Dezember-Ausgabe gehen der Frage nach, ob soziale Gerechtigkeit und ökonomsiche Globalisierung miteinander vereinbar sind (Rainer Falk), und würdigen Leben und Werk des kürzlich verstorbenen monetaristischen Ökonomen Milton Friedman (Herbert Schui). In den Rubriken W&E-Infospiegel und W&E-Update finden sich Terminhinweise und Tips für 2007.

2. Dezember 2006

Steinbrück: G8 mittelfristig überflüssig

Vielleicht sollte man doch öfter Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) lesen. Die FAZ berichtete jedenfalls schon am 20. November von Verlautbarungen des deutschen Finanzministers Peer Steinbrück (Photo), die eine beitere Aufmerksamkeit verdienen. Nach dem G20-Treffen in Melbourne (>>> G20 vis-à-vis G8) sagte Steinbrück, die Gruppe der führenden Industrienationen (G8) werde mittelfristig überflüssig werden und solle besser durch die G20 ersetzt werden - "nicht im kommenden Jahr, aber in zwei oder drei Jahren". Sie bilde die Interessen von Schwellenländern und entwickelten Industriestaaten einfach besser ab. Ob ihm da wohl die erstmalige Teilnahme an einem G20-Treffen auf die Sprünge geholfen hat oder der gastgebende australische Finanzminister Peter Costello? Dieser hatte schon am Rande der Jahrestagung von IWF und Weltbank in Singapur gesagt, die G8 seien ein Anachronismus aus einer anderen Welt (>>> G-7, Aging Hero, Must Make Room for 20 Nations). Die Zukunft gehöre der G20, die nach der Asienkrise ins leben gerufen worden war.


Nun hat das entscheidende Wort, wenn es um die G8 geht, sicher die Bundeskanzlerin. Diese freut sich derweil unverdrossen auf ihre Gastgeberrolle im nächsten Juni, wie sie in dem soeben eröffneten Online-Portal der Bundesregierung zur G8-Präsidentschaft (siehe offizielles Logo) kund tut (>>> www.g-8.de). Doch vielleicht ist ja die Äußerung Steinbrücks ein weiteres Indiz dafür, daß es mit der G8 doch schon bald zu Ende geht. Zu wünschen wäre es.

1. Dezember 2006

1 Dec 2006: World AIDS Day