31. August 2016

Deutsche Agrarkonzerne profitieren von Entwicklungshilfe

Die Bundesregierung begünstigt unter dem Deckmantel der Hungerbekämpfung einseitig die Agenda großer Agrarkonzerne, empfiehlt konkrete Markenprodukte und zum Teil hochgiftige Pestizide. Zu diesem Fazit kommt Oxfam Deutschland in dem Bericht: Böcke zu Gärtnern. Warum die aktuelle Kooperation mit Agrarkonzernen eine nachhaltige Landwirtschaft verhindert. Demnach verstößt das Entwicklungsministerium (BMZ) bei Kooperationsprojekten mit Agrarkonzernen gegen eigene Vorgaben, schließt agrarökologische Ansätze de facto aus und übergeht Kleinbauern bei der Projektentwicklung. 

Die Oxfam-Studie zeigt, wie aktuelle Kooperationsprojekte mit Agrarkonzernen wie Bayer, BASF und Yara auf eine industrielle Landwirtschaft setzen. Von Hunger hauptsächlich betroffene Gruppen wie Kleinbauern oder Frauen wurden bei der Entwicklung der untersuchten Projekte bis auf eine beschränkte Ausnahme dagegen nicht beteiligt. Oxfam wertete für den Bericht zahlreiche über das Informationsfreiheitsgesetz erhaltene Dokumente und Schulungsmaterialien zu drei öffentlich-privaten Partnerschaften (PPPs) aus: die Better Rice Initiative Asia (BRIA), die Competitive African Rice Initiative (CARI) sowie die Potato Initiative Africa (PIA). CARI empfiehlt zum Beispiel den Einsatz von hochgiftigen, gesundheits- und umweltschädlichen Pestiziden wie Lambda-Cyhalothrin und Deltamethrin, die auf der Liste des internationalen Pesticide-Action-Networks (PAN) stehen. Damit verstößt das BMZ gegen eigene Vorgaben, wonach besonders umweltschädliche Produkte nicht mehr zur Anwendung kommen und die PAN-Liste zeitnah berücksichtigt werden soll.

Die Projekte verharmlosen auch die vielfältigen ökologischen Probleme der industriellen Landwirtschaft und verkennen in ihrer Fixierung auf technologische Lösungen, dass Hunger kein Problem des Mangels, sondern von Armut und der Verletzung von Menschenrechten ist.

Zwei der drei untersuchten Projekte laufen noch bis Ende 2017. Sie waren unter dem Dach der German Food Partnership etabliert worden, die 2015 offiziell auslief. Die im selben Jahr von Entwicklungsminister Gerd Müller ins Leben gerufenen und mit 195 Mio. € geförderten „Grünen Innovationszentren“ (Sonderinitiative „Eine Welt ohne Hunger“) räumen den Agrarkonzernen nun teilweise noch mehr Macht und Vorteile ein, wie eine Analyse der bislang einsehbaren Vertragsmodalitäten belegt. Kein Wunder, dass die Unternehmen bereits Schlange stehen.

Die Kooperation mit den großen Agrarkonzernen im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit begann Ende der 1990er Jahre und verstärkte sich nach dem Weltwirtschaftsforum 2011. Die dort verabschiedete „Neue Vision für die Landwirtschaft“ beförderte die Gründung der Investitionsplattform „GROW Africa“ und der „Neuen Allianz für Ernährungssicherheit“ der G8. Zudem inspirierte sie den damaligen deutschen Entwicklungsminister Dirk Niebel, die „German Food Partnership“ 2012 ins Leben zu rufen. Das BMZ ließ die GFP im Jahr 2015  offiziell auslaufen. Kritiker der GFP wie FIAN, INKOTA, Oxfam, die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) und andere begrüßten diesen Schritt  und werteten dies als Erfolg ihrer Kampagne „Keine Entwicklungshilfe für Agrarkonzerne“. Umso ärgerlicher, dass Entwicklungsminister Gerd Müller die Agenda der GFP mit dem Globalvorhaben „Grüne Innovationszentren“ im Rahmen der Sonderinitiative „Eine Welt ohne Hunger“ und der Gründung der „Agentur für Wirtschaft und Entwicklung“ jetzt fortsetzt.