Wissensbank kennt eigene Zahlen nicht
Die Weltbank hat mit der Überarbeitung ihrer Sozial- und Umweltstandards begonnen. In diesem zwei Jahre dauernden Prozess wird auch ihre Politikrichtlinie zu Zwangsumsiedlungen geändert. Allerdings scheint die Weltbank, die sich gern als „knowledge bank“ (Wissensbank) bezeichnet, keine Angaben darüber machen zu können, wie viele Menschen in von ihr finanzierten Projekten von Zwangsumsiedlungen betroffen sind.
Bei der Evaluierung der Umwelt- und Sozialstandards, die der Überarbeitung vorgelagert war, musste sich die hausinterne Evaluierungsabteilung (Independent Evaluation Group/IEG) der Weltbank wegen fehlender Daten auf Stichproben stützen. Sie schätzt, dass insgesamt mehr als eine Million Menschen von Zwangsumsiedlung betroffen sind. Für Knud Vöcking, Weltbank-Referent der deutschen Umwelt- und Menschenrechtsorganisation urgewald, ist das „eine konservative Schätzung“. Die letzte Weltbank-Studie zu Zwangsumsiedlungen von 1994 sprach von zwei Millionen Betroffenen über einen Zeitraum von acht Jahren.
Zwangsumsiedlungen betreffen zumeist die Armen in den Projektgebieten und ziehen die Lebensgrundlagen und den Zusammenhalts von Gemeinschaften in Mitleidenschaft. „Völlige Verarmung als unbeabsichtigtes Resultat von Entwicklungsprojekten dürfte nicht vor kommen“, sagt Korinna Horta, Menschenrechts-Expertin bei urgewald. „Aber in der Praxis herrschen Missbrauch von Geldern, Einschüchterung der Betroffenen und soziale Ungerechtigkeit bei Zwangsumsiedlungen.“ Gerade in Zeiten stetig steigender Investitionen in Infrastrukturprojekte müsse alles getan werden, dass es erst gar nicht zu Zwangsumsiedlungen kommt. Mit Entwicklungsgeldern Lebensgrundlagen zu zerstören ist für die meisten NGOs nicht akzeptabel.
In einem Schreiben an „Dear Mr. Zoellick“ fordern jetzt Organisationen aus 25 Ländern, dass die Weltbank das Ausmaß der von ihr unterstützten Zwangsumsiedlungen untersucht und bekannt macht. Außerdem soll sie eine unabhängige Studie zu deren Auswirkungen und den von der Weltbank daraus gezogenen Lehren in Auftrag geben. Nur auf solch einer Grundlage könne eine sinnvolle Überarbeitung der Weltbank-Richtlinien stattfinden. Man sieht: Auf den neuen Präsidenten der Bank, der bis zur kommenden Frühjahrstagung der Bretton-Woods-Zwillinge feststehen soll, wartet einiges an Arbeit.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen