Bedrohtes Mandat: UNCTAD unter starkem Druck
„Bis heute hat UNCTAD zwar eine bemerkenswerte Selbstbehauptungsfähigkeit bewiesen. Doch vor Rückschlägen ist auch diese Organisation nicht gefeit“, schrieb ich in meiner Vorschau auf die XIII. UN-Konferenz für Handel und Entwicklung in W&E 03/2012. Nach den Vorverhandlungen über das Abschluss-Dokument der vom 21.-26. April in Doha/Katar tagenden Vollversammlung sieht es danach aus, als könnte diese Befürchtung eher früher als später Wirklichkeit werden.
Die auf Initiative der Entwicklungsländer vor fast 50 Jahren gegründete UNCTAD war den westlichen Mitgliedsländern schon immer ein Dorn im Auge. Nachdem es dem Westen Anfang der 1990er Jahre gelungen war, der Organisation das Verhandlungsmandat zu nehmen, herrschte in den letzten Jahren eine Art Waffenstillstand, basierend auf der Neuformulierung des Mandats, das UNCTAD die Rolle als „Focal Point“ innerhalb des UN-Systems zubilligte, wo Probleme der Entwicklung und verwandte Themen aus den Bereichen Handel, Finanzen, Technologie, Investitionen und nachhaltige Entwicklung auf integrierte Weise behandelt werden können. Geht es nach den USA und anderen westlichen Ländern, soll UNCTAD künftig zu makro-ökonomischen Themen gar nicht mehr Stellung nehmen, nicht einmal Analysen anfertigen können.
Der Versuch, das Abschlussdokument von Doha entsprechend umzuformulieren, zielt nicht zuletzt darauf, das Deutungsmonopol von IWF und Weltbank weiter zu festigen, das die unkonventionellen und vorausschauenden Analysen von UNCTAD in den letzten Jahren immer wieder herausgefordert hatten. Der Angriff, der einer inhaltlich-politischen Strangulierung vor allem des UNCTAD-Sekretariats gleichkommt, hat jetzt 49 ehemalige Mitarbeiter von UNCTAD veranlasst, sich mit einem Statement öffentlich hinter die Organisation zu stellen (>>> Silencing the message or the messenger – or both). Sie werfen den OECD-Ländern vor, die Meinungsfreiheit in UNCTAD ausgerechnet zu einer Zeit zu bedrohen, in der andernorts im multilateralen System der Wert des Pluralismus langsam wiedererkannt wird. „Wenn nicht diejenigen, die stolz waren, für UNCTAD arbeiten zu dürfen, jetzt ihre Stimme erheben, wer dann?“
Das Statement verweist auf die – im Unterschied zu den Bretton-Woods-Institutionen – gute Leistungsbilanz der analytischen Arbeit von UNCTAD, die sich u.a. in der Vorhersage diverser Finanzkrisen der letzten Zeit gezeigt hat. Jetzt wo die Krise im Norden angekommen ist, hat dieser allerdings umso weniger Interesse daran, dass ein mehrheitlich von Süden bestimmtes Organ sich mit unabhängigen Positionen hierzu zu Wort meldet. Als jüngstes Beispiel für eine solche Wortmeldung könnte der vorbereitende Bericht von UNCTAD-Generalsekretär Supachai Panitchpakdi für UNCTAD XIII gelten, in dessen Mittelpunkt die Gefahren des finanzgetriebenen Kapitalismus stehen (>>> Primat der Entwicklung oder der Finanzmärkte?). Angesichts der Nachrichten aus Genf können wir können nur hoffen, dass dies nicht das letzte Beispiel für eine solche Wortmeldung war.
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