IWF und Finanzkrise: Einäugig oder vollblind?
Der IWF (im Bild das Hauptquartier in Washington) ist wieder einmal in aller Munde. Aber nicht, weil die Länder des Südens wieder massive Zahlungsbilanzprobleme haben, die der Fonds überbrücken soll. Sondern deshalb, weil die Privatakteure an den Kapitalmärkten in Bredouille sind. In seinem gestrigen Bericht zur Finanzmarktstabilität, der besser „Bericht über die Instabilität der Finanzmärkte“ heißen sollte, beziffert der IWF die voraussichtlichen Verluste im Zuge der aktuellen Kredit- und Finanzkrise auf nahezu 1 Billion US-Dollar. Damit hätte die „Credit crunch“ ein größeres Ausmaß als die Japankrise Anfang der 90er und die Asienkrise in der zweiten Hälfte der 90er Jahre. Gleichzeitig stellt der Fonds fest, dass die globalen Konsequenzen der Subprime-Krise „tiefgehende Auswirkungen auf das Finanzsystem und die Makroökonomie“ haben könnten. Die Autoren sprechen von einem „kollektiven Versagen“ der Finanzmarktakteure und von einer deutlichen Zunahme der „systemischen Risiken“.
Die Frage stellt sich jedoch, wie es um das eigene Versagen des Fonds bestellt ist, für den jetzt immer häufiger eine verstärkte Aufsichtsrolle gefordert wird. Hinweise für eine Antwort darauf liefert Hector Torres, der als alternierender Direktor für die Cono-Sur-Länder im IWF-Vorstand sitzt. In einem Kommentar zitiert er genüsslich aus früheren Berichten zur Finanzstabilität. Und siehe da: Wie sehr sich die Rhetorik und die Diagnosen des Fonds doch geändert haben! Noch im September 2006, also zehn Monate vor dem Ausbruch der aktuellen Krise, beschied der Global Financial Stability Report (GFSR) den Finanzsektoren noch „eine starke Position, um mit jeglichen zyklischen Herausforderungen und künftigen Marktkorrekturen zurecht zu kommen“. Im April 2007, also drei Monate vor Krisenausbruch, hieß es im GFSR, „die Schwäche (der Finanzmärkte; R.F.) war auf bestimmte Bereiche des Hypothekenmarktes beschränkt“ und „stellt wahrscheinlich keine ernste systemische Bedrohung dar“. Die IWF-Auguren schrieben sogar: „Der US-Immobilienmarkt scheint sich zu stabilisieren…“
Torres meint, diese eklatante Fehleinschätzung und die Unfähigkeit, die jüngste Krise vorherzusagen, seien auf das Governance-Modell des IWF zurückzuführen, das es nahezu unmöglich mache, die Entwicklungen vor der eigenen Haustür, also im Land des größten Anteilseigners, realistisch zu analysieren. Aber das stimmt nur teilweise. Denn dann hätte der Fonds ja bei Krisen im Süden bessere Prognosen liefern müssen. Wie allgemein bekannt, hat er jedoch bei der Vorhersage der Asienkrise genauso versagt, wie ein Jahrzehnt später bei der Subprime-Krise, die von den USA ausging. Am besten wäre es, der IWF ginge erst einmal „in sich“, bevor er nach neuen Rollen Ausschau hält. So wichtig eine Stärkung der Aufsicht und Kontrolle über die globalen Finanzmärkte ist – es besteht kein Grund, den Bock vorschnell zum Gärtner zu machen.
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