In der aktuellen Debatte um
die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) treten die
Befürworter insbesondere mit drei Argumenten hervor: Erstens brauchten wir das
neue Freihandelsabkommen, um dem lahmenden Wachstum einen kräftigen Schub zu
geben. Zweitens müssten sich die USA und Europa auf starke Bestimmungen des
Investitionsschutzes einigen, da sie nur dann in der Lage wären, diese auch in
Abkommen mit Drittstaaten durchzusetzen. Und drittens gibt es einige, die sich
von einem TTIP sogar höhere und verbindliche Umwelt- und Sozialstandards
versprechen. Doch während das erste Argument Ursache und Wirkung verwechselt,
ist das zweite höchst verräterisch und das dritte reichlich naiv.
Es
ist verständlich, dass in Zeiten einer blutleeren Erholung und stagnativer
Tendenzen versucht wird, den Handel als des Rätsels Lösung anzupreisen. So
argumentierte jüngst der US-amerikanische TTIP-Unterhändler Michael Froman,
mehr Handelsabkommen trieben das globale Wachstum an und verwies u.a. auf die
relativ guten Wachstumszahlen der USA im zweiten Quartal 2014, wofür
insbesondere steigende Exporte der US-Wirtschaft verantwortlich seien. Warum
die deutlich exportstärkere deutsche Ökonomie ausgerechnet im selben Quartal
überraschend ins Minus rutschte, erklärt sich so freilich nicht. Der vielfach
behauptete Zusammenhang zwischen internationalem Handel und globaler Expansion
existiert in dieser Form auch gar nicht bzw. ist geradezu kontraproduktiv, wenn
alle Staaten dieselbe exportorientierte Strategie verfolgen. Der erhoffte
globale Aufschwung des Handels wird durch eine robuste Erholung des Outputs –
gestützt auf eine steigende gesamtwirtschaftliche Nachfrage und heimisches
Wachstum – stattfinden und nicht andersherum.
Dem
zweiten eingangs zitierten Argument ist zwar eine gewisse Plausibilität nicht
abzusprechen, hinter der aber schnell ein imperiales Kalkül sichtbar wird:
Demnach soll TTIP auch ein Hebel sein, um durchzusetzen, was in anderen
Zusammenhängen nicht möglich war – in der Doha-Runde der WTO beispielsweise, wo
das Investitionsthema aufgrund des Widerstands von Entwicklungs- und
Schwellenländern von der Agenda genommen werden musste oder in der OECD, wo die
Verhandlungen über ein Multilaterales Investitionsabkommen (MAI) sogar an
Widersprüchen zwischen den Industrieländern scheiterten. Dass wir einen starken
Investitionsschutz mit eigenen Schiedsgerichten schon deshalb ihm TTIP
bräuchten, um hernach ähnliche Bestimmungen den Schwellen- und
Entwicklungsländern aufzudrücken, ist also eher Anmaßung als Argument.
Und
dann ist da noch das Argument bzw. besser: die Hoffnung, dass TTIP von den
Europäern auch dazu genutzt werden könnte, um gegenüber den USA höhere Umwelt-
und Sozialstandards durchzusetzen. Dies ist nicht nur naiv, sondern verkennt
ganz grundsätzlich die Funktion und die aktuellen Tendenzen von
Handelsabkommen. Denn warum sollten die Verhandlungspartner in solchen Abkommen
Regelungen zustimmen, zu deren Umsetzung sie bislang bei sich zu Hause nicht
bereit waren? Der reale Trend in Handelsverhandlungen geht deshalb nicht zur
Schaffung neuer, höherer und gemeinsamer Normen, sondern zur gegenseitigen
Anerkennung bestehender Normen. Wer
keine Absenkung von sozialen, umwelt- oder verbraucherpolitischen Standards
will, sondern auf ihre Anhebung zielt, muss sich für umfassende und multilaterale
Abkommen, an denen wirklich alle Handelspartner beteiligt sind, einsetzen, auch
wenn das ein harter Weg ist. Genau gegen einen solchen Multilateralismus steht
aber TTIP.