G20-Demos: Voller Erfolg oder Kassandra ohne Massenbasis?
„Voller Erfolg“ hieß es in der offiziellen Pressemitteilung der Veranstalter der Demonstrationen in Berlin und Frankfurt gegen den G20-Gipfel, der in der kommenden Woche in London stattfindet. Doch in die Erfolgsmeldungen mischen sich auch skeptische Stimmen. Geht es nach dem Mitbegründer von Attac Deutschland, Peter Wahl, so ist „Kassandra (nach wie vor) ohne Massenbasis“. Alles in allem habe sich gezeigt, dass es nirgendwo gelungen sei, über die engere globalsierungskritische und linke Szene hinaus Menschen zu mobilisieren. „Obwohl unsere Einschätzungen zum Finanzkapitalismus zutrafen, hat sich das bisher nicht in einer neuen Qualität auf der Straße umgesetzt.“
Neben den gängigen Erklärungen (z.B. die Krise sei noch nicht wirklich bei den Menschen angekommen) sieht Wahl auch jede Menge subjektive Schwächen, etwa die mangelnde Bündnisbreite: „Die Probleme zwischen Gewerkschaften und Bewegungen, insbesondere Attac, hätten bei einer klugen Bündnisdiplomatie zumindest minimiert werden können.“ Das antikapitalistische Profil der Proteste verbaue den Weg in den Mainstream der Gesellschaft, und die parteipolitische Schlagseite zur Linkspartei sei „eine strategische Dummheit erster Güte“. Hinzu komme, dass aus den Differenzierungen im herrschenden Block keine Konsequenzen gezogen werden. "‘Die da oben‘ werden als einzige reaktionäre Masse gezeichnet. Als ob es zwischen Obama und Bush, zwischen Köhler und Ackermann etc. keine Unterschiede gäbe! Das finden ‚normale‘ Leute nicht sehr überzeugend. Und da haben sie recht.“ Und schließlich würden „greifbare und begreifbare Alternativen“ kaum artikuliert.
Wenn das nicht alles aus der Luft gegriffen ist (und warum sollte es?), dann können wir noch von Glück sprechen, dass die Medien insgesamt recht positiv über die Proteste berichtet und als Hauptbotschaft den Ruf nach „einer gerechteren Weltwirtschaft“ vernommen haben. Nur Peter Richter in der FAZ am Sonntag hatte – nicht ganz zu Unrecht – Schwierigkeiten mit dem Motto der Demonstrationen „Wir zahlen nicht für eure Krise“. Das könnten eigentlich nur die sagen, die keine Steuern bezahlen, die ganz unten und die ganz oben. Alle anderen würden in den nächsten Monaten und Jahren unweigerlich zur Kasse gebeten.
Eine weiteres, sehr authentisches Video von der Londoner Demonstration findet sich >>> hier.