24. Oktober 2007

G77: Sechs Punkte für Doha

(New York) Bei diesem Hochrangigen Dialog sollten wir uns darauf konzentrieren, einen Rahmen zu formulieren, der ein optimales Ergebnis der zweiten FfD-Konferenz („Finanzierung für Entwicklung“) in Doha Ende 2008 sicherstellt, erklärte gestern die pakistanische Finanzministerin Hina Rabbani Khar, stellvertretend für die Gruppe der 77 und Chinas in New York. Und dafür, was unter den gegenwärtigen Bedingungen optimal wäre, lieferte sie die Maßstäbe in Form von sechs Punkten gleich mit.

Erstens bleibe für die Mehrheit der Entwicklungsländer der Zugang zu konzessionärer Entwicklungshilfe entscheidend bei der Verwirklichung der Millennium-Entwicklungsziele (MDGs) und entsprechend groß müsse der Druck auf die Industrieländer werden, die 0,7%-Versprechen bis 2015 einzulösen. Was die Qualität der Hilfe betrifft, so sollte nach Auffassung der G77 das neue Development Cooperation Forum im Rahmen des UN-Wirtschafts- und Sozialrates (ECOSOC) das entscheidende Forum werden. Zweitens plädieren die Entwicklungsländer (für manche vielleicht erstaunlich) dafür, in Doha einen Aktionsplan zur gleichmäßigeren Attrahierung von ausländischen Direktinvestitionen zu verabschieden. Unzureichend sei drittens die bislang erfolgte Schuldenstreichung. Es müßten mehr Mittel hierfür bereitgestellt und sichergestellt werden, daß das Verschuldungsniveau mit der Erreichung der MDGs kompatibel werde.

Der vierte Punkt der Benchmarks betrifft die nach wie vor ausstehende Reform der internationalen Finanzarchitektur. Diese müßte sich an Zielen orientieren, für die ursprünglich der IWF gegründet wurde, einmal die Gewährleistung finanzieller Stabilität, zum anderen die Bereitstellung ausreichender Liquidität für Länder in Zahlungsschwierigkeiten. Fünftens fordern auch die G77 – obwohl dieses Problem an ihnen bislang weitgehend vorbei gegangen ist – eine stärkere Regulierung und Transparenz für die sog. innovativen und komplexen Finanzprodukte, die die Finanzturbulenzen dieses Sommers verursacht haben. Und sechstens wollen die G77 endlich aus der Sackgasse der Doha-Runde der WTO heraus. Dies gehe aber nur, wenn der Entwicklungsanspruch der Runde eingelöst wird.

Insgesamt, so stellte die G77-Sprecherin fest, sei man mit dem Monterrey-Konsens noch nicht weit gekommen auf dem Weg zu einem neuen System finanzieller Governance, das die Ungleichgewichte und Ungleichheiten der Vergangenheit korrigiert und den Herausforderungen der Gegenwart und der Zukunft gerecht werde. Es gab in der letzten Zeit viele Unkenrufe darüber, daß sich die G77 überlebt habe. Gestern hat sie als einzige staatliche Gruppierung einen klaren Weg nach Doha gewiesen.

23. Oktober 2007

UN-ECA: Geber im Rückstand gegenüber Afrika

Die Afrikaner sehen Fortschritte beim Schuldenerlaß, aber meinen, daß die Geber bei anderen Zielen, die 2002 in Monterrey formuliert wurden, im Rückstand sind. Dies geht aus einer neuen Studie der UN-Wirtschaftskommission für Afrika hervor, die pünktlich zum Hochrangigen FfD-Treffen („Financing for Development“) hier in New York erschienen ist. Sie mißt den Fortschritt bei der Umsetzung des Monterrey-Konsensus von 2002, in dem Geber und Nehmer eine „neue Partnerschaft“ eingegangen sind.

Die Studie konzediert, daß die afrikanischen Regierungen Fortschritte bei dert Mibilisierung interner Ressourcen gemacht haben, bemängelt jedoch, daß die Sparraten immer noch zu niedrig sind, gemessen an den Investitionserfordernissen. Investitionen aus dem Ausland steigen zwar, sind jedoch zu stark auf den Rohstoffsektor ausgerichtet. Kaum Fortschritte sehen die ECA-Experten beim Handel und bei der ODA, wo die Geber immer noch ihren Zusagen hinterher hinken. Beim Schuldenerlaß gebe es Fortschritte, doch sein wesentlich mehr notwendig.

UN-Hauptquartier: NGOs alarmiert über mangelnde FfD-Umsetzung

(New York) Am Hauptsitz der Vereinten Nationen in New York hat heute morgen der Hochrangige Dialog der UN-Vollversammlung zum Thema „Finanzierung für Entwicklung“ (FfD) begonnen. Die bis morgen dauernde Veranstaltung ist zugleich Follow-Up der Monterrey-Konferenz für Entwicklungsfinanzierung aus dem Jahre 2002 und Vorbereitungstreffen für die Fortsetzungskonferenz, die Ende 2008 in Doha stattfinden soll (>>> W&E 03-04/2007). Die Reden wurden allerdings (mit der Ausnahme des UN-Generalsekretärs Ban Ki-moon von Politikern der zweiten und dritten Garde vorgetragen. Ihr gemeinsamer Nenner war die Versicherung: Die Millennium-Entwicklungsziele können erreicht werden, doch dazu sind weit höhere Anstrengungen erforderlich, als gegenwärtig erkennbar.

Wesentlich alarmierter klangen die Stellungnahmen von NGOs, die gestern in einem Hearing vorab vorgetragen wurden. Eine Allianz aus WEDO („Women’s Environment & Development Organization“), GCAP („Global Call to Action against Poverty” ) und WIDE (“Women in Development Europe”) sagte, die bislang zugesagten und geflossenen Finanzressourcen für nachhaltige Entwicklung, Armutsbekämpfung und das Empowerment von Frauen seien schlicht unzureichend. Nachhaltige Entwicklung, so Nerea Craviotto von WIDE, erfordere weitreichende politische Veränderungen. Alle Entwicklungs- und Wirtschaftspolitiken müßten der Verwirklichung der sozialen und wirtschaftlichen Menschenrechte untergeordnet werden.

Die zentrale Forderung der hier vertretenen NGOs zielt darauf ab, daß die zivilgesellschaftliche Partizipation im Vorbereitungsprozeß auf Doha formalisiert wird. Bislang ist diese – ebenso wie der Vorbereitungsprozeß insgesamt – sehr stark durch informelle Strukturen gekennzeichnet. In einer gemeinsamen Stellungnahme des katholischen Entwicklungshilfe-Netzwerks CIDSE und von Caritas Internationalis wird gefordert, das Ziel des Vorbereitungsprozesses und der Doha-Konferenz müsse ein Ergebnis-Dokument sein, das den Konsens in Bezug auf vier Themenbereiche formuliert: Mobilisierung heimischer Ressourcen, Entwicklungshilfe und innovative Finanzierung, Schulden und systemische Fragen wie die Reform des IWF.

22. Oktober 2007

Weltbank: Erneuter Diskurswechsel unter Zoellick

(Washington) Überraschend schnell hat der neue Präsident der Weltbank Robert Zoellick (s. Photo) die krude Antikorruptionsrhetorik seines Vorgängers durch einen neuen Diskurs ersetzt, in dessen Mittelpunkt das Ziel einer „inklusiven und nachhaltigen Globalisierung“ steht. Das wurde schon in der letzten Woche deutlich, als er in einer Rede 100 Tage nach seinem Amtsantritt seine sechs „strategischen Themen“ vorstellte. Der Gemeinsame Entwicklungsausschuß von IWF und Weltbank hat gestern das „Potential“ dieser Orientierung anerkannt. In seinem Kommuniqué stellt der Ausschuß fest, daß „die stärkere Unterstützung für die Einbeziehung und das Empowerment der Ärmsten in der Entwicklung, vor allem in Subsahara-Afrika, und das aktive Engagement der Weltbank-Gruppe in fragilen und von Konflikten betroffenen Staaten Schlüsselelemente des strategischen Ansatzes“ der Bank sein müssen. Darüber hinaus wird der Weltbank eine starke Rolle bei der Sicherung der Globalen Öffentlichen Güter und bei der Bearbeitung globaler Fragen wie dem Klimaschutz zugesprochen.

Damit folgt die Weltbank auf der verbalen Ebene Empfehlungen, wie sie in letzter Zeit von verschiedenen Seiten gegeben wurden, von dem Politiökonomen Robert Wade von der London School of Economics etwa (>>> W&E 10/2007) oder der Präsidentin des einflußreichen Center for Global Development in Washington, Nancy Birdsall, oder auch der deutschen Entwicklungsministerin Heidemarie Wiecoreck-Zeul. Dies und die immer noch anhaltende Erleichterung über den Abtritt von Wolfowitz sorgen offensichtlich dafür, daß kaum einer auf der offiziellen Ebene das lyrische Tirili-Tirila des „pragmatisch-konservativen“ Zoellick aus dem Bush-Umfeld hinterfragt. Dabei steht es schon in auffälligem Gegensatz zu dem Mangel an Substanz, mit dem diese Jahrestagung heute zu Ende geht.

Es sei sehr enttäuschend, keine konkreten Initiativen aus diesem Wochenende hervorgehen zu sehen, die die Armutsreduzierung vorantreiben, beklagte die Sprecherin von Oxfam International, Elizabeth Stuart. Dabei ist es allerdings auch nicht so, daß der neue Präsident keine neuen Ideen mitbringt. Aber die entstammen zum großen Teil dem Instrumentenkasten des Investment Bankers an der Wall Street, wo Zoellick zwischenzeitlich Erfahrungen sammeln konnte. So stehen Finanzmarktentwicklung, Privatsektorförderung und die direkte Einbeziehung der Großindustrie und der Großfinanz in das Fundraising der Bank bei Zoellick hoch im Kurs.

Wenn der neue Mann an der Spitze der Weltbank seine ehrgeizigen Ziele verwirklichen will (und auch bei ihm bestehen diese in erster Linie in der Stärkung der Bank), wird er in der Tat auf keine Finanzquellen verzichten können. Zoellicks Plädoyer für mehr Geld für die Softloan-Filiale IDA ist ebenso energisch wie für die Aufrechterhaltung des Weltbank-Engagements in den Schwellenländern oder für die Umsetzung der sog. Clean Energy-Agenda der Bank. Die Geber sollten die Kassen der Bank jedoch nicht wieder auffüllen, ohne zuvor für einen wirklichen Kurswechsel in der Praxis zu sorgen. Konkrete Schritte wären ein Abstand von Kreditkonditionen, die Privatisierung und Liberalisierung vorantreiben, oder eine deutliche Aufstockung der Investitionen in Erneuerbare Energien, bei drastischer Kürzung des Portfolios für die fossile Energieproduktion. Viele NGOs haben die richtigen Ratschläge dafür längst parat.

21. Oktober 2007

Ohne IWF-Reform wächst das Risiko einer globalen Krise

(Washinton) Die Unfähigkeit der Mitgliedsländer, die überfällige Reform des IWF voranzutreiben, verschärft das Risiko einer globalen Wirtschaftskrise im Gefolge einer ungeordneten Rückführung der globalen Währungsungleichgewichte. Dies sagte der Chef der kanadischen Zentralbank, David Dodge, der Financial Times hier in Washington. Die sich hinziehende und unvollendete Reform unterminiere die Fähigkeit des IWF, eine größere Rolle bei der Lösung der globalen Währungsprobleme zu spielen. Wörtlich sagte Dodge: „Das ist genau die Zeit, in der wir die Fähigkeiten und Expertise des Fonds, die globalen Ungleichgewichte zu bearbeiten, brauchen.“ Doch das Scheitern der Reformbemühungen an diesem Wochenende (s. vorherigen Eintrag) habe die Chance verringert, daß die Mitgliedsländer zu einer gemeinsamen währungspolitischen Position finden.

IWF-Reform: Hinterläßt Rato dem Fonds einen Rohrkrepierer?

(Washington) Rodrigo de Ratos IWF-Reformen drohen zum Rohrkrepierer zu werden. Die Europäer weigern sich, Abstriche an ihrer überbewerteten Position im IWF hinzunehmen, und die USA sind nicht ernsthaft daran interessiert, den ärmsten Ländern im Fonds mehr Mitsprache einzuräumen. Das wurde gestern deutlich, nachdem der Wirtschafts- und Finanzausschuß des IWF (IMFC), das strategische Steuerungsorgan des Fonds, getagt hatte. Der frisch gebackene IMFC-Vorsitzende, der italienische Wirtschafts- und Finanzminister Tommaso Padoa-Schioppa (auf dem Photo rechts von de Rato), beschwor auf einer anschließenden Pressekonferenz zwar die Verdienste de Ratos. Er sei der Architekt der Mittelfristigen Strategie des Fonds, und habe den Finanzsektor als Arbeitsfeld des Fonds aufgewertet, die Aufwertung der Schwellen- und Entwicklungsländer in den Entscheidungsprozessen angestoßen, eine „multilaterale Surveillance“ eingeführt und eine neues Einkommensmodell für den IWF auf den Weg gebracht, zitierte er aus dem Kommuniqué. Doch bei näherem Hinsehen sind alle diese „Reformen“ unvollendete Baustellen. Ratos Nachfolger Strauss-Kahn (unten mit de Rato) wird hart arbeiten müssen, um das Steuer herumzureißen.

Bestes Beispiel dafür ist die vielzitierte Stimmrechtsreform im Rahmen der gegenwärtigen Quotenüberprüfung. Hier hatte die IWF-Spitze entscheidende Annäherungsprozesse für die Herbsttagung vorausgesagt. Die jetzt gefundenen Formulierungen im Kommuniqué überdecken jedoch fortbestehende Gegensätze nur mühsam. So wird von einer Verdoppelung der Basisstimmrechte gesprochen, eine Quotenerhöhung „in der Größenordnung von 10%“ ins Auge gefaßt und bei der Neubestimmung der Formel, nach der die Stimmrechte errechnet werden, soll künftig das Bruttoinlandsprodukt (BIP) zu Marktpreisen die entscheidende Größe bleiben, aber auch die Größe nach Kaufkraftparität (PPP) „berücksichtigt“ werden. Zum Vergleich: Die Entwicklungsländer fordern eine Verdreifachung der Basisstimmrechte, damit die ärmsten Länder bei der Neuverteilung des Einflusses nicht leer ausgehen, und sehen die Bedeutung von BIP und PPP für die Quotenformel genau andersherum. Und eine Begrenzung der Quotenaufstockung auf 10% läuft unter dem Strich darauf hinaus, daß die Industrieländer insgesamt an Entwicklungs- und Schwellenländer gerade mal 2% der Stimmrechte abgeben.

Ganz ähnlich ist es bei dem zweiten Bereich, der die Diskussion im IMFC heute geprägt hat, den Konsequenzen aus den jüngsten Turbulenzen auf den Finanzmärkten und der Anpassung der globalen Ungleichgewichte. Da der Dollarpreis „marktbestimmt“ (de Rato) ist, wird eine Intervention des IWF von vorneherein ausgeschlossen. Auch in anderen Punkten, etwa beim Umgang mit den explodierenden Derivaten, geht der IWF-Steuerungsausschuß nicht über die von den G7 gezogenen Grenzen hinaus (s. vorstehender Eintrag). Auch hier wird erst mal auf eine vertiefte Analyse der neuen Herausforderungen gesetzt statt zu handeln. Immerhin haben die Mitglieder des hohen Gremiums ein paar Punkte in das Kommuniqué geschrieben, die geklärt werden sollen: das Risikomanagement bei komplexen strukturierten Produkten, die Bewertung und Buchführung außerbilanzlicher Finanzinstrumente, die Rolle der Rating-Agenturen und die Grundprinzipien, die von den Aufsichtsbehörden angewendet werden sollen. Vielleicht werden die Analysen, die bis zum Frühjahr vorliegen sollen, ja ganz gut. Aber ob dann praktische Konsequenzen gezogen werden, dafür mag heute niemand seine Hand ins Feuer legen.

20. Oktober 2007

G7: Druck auf China, Laissez-faire beim Dollar, Hedge-Fonds Fehlanzeige

(Washington) Es unterstreicht den exklusiven Charakter der Gruppe der 7 (Finanzminister; s. neuestes "Familienphoto"), daß deren Kommuniqués nicht auf der Website des IWF, sondern auf der des jeweils gastgebenden Finanzministeriums veröffentlicht werden. Zwar werden diese Texte in den letzten Jahren von Treffen zu Treffen nur leicht modifiziert und fortgeschrieben. Doch aufgrund der zentralen Stellung der G7-Länder im globalen System ökonomischer Governance werden sie akribisch studiert. Das wichtigste Merkmal des neuesten G7-Kommuniqués, das gestern abend veröffentlicht wurde, wird hier allgemein darin gesehen, daß die G7-Finanzminister den Druck auf China zur Aufwertung seiner Währung weiter erhöhen, während gegen die anhaltende Talfahrt des Dollar nach Art des Laissez-faire nichts unternommen wird.

Als bisher schärfste Formulierung gegen China wird dieser Passus angesehen: „Wir begrüßen Chinas Entscheidung, die Flexibilität seiner Währung zu erhöhen, doch im Lichte seines steigenden Zahlungsbilanzüberschusses und der Inflation im Inland unterstreichen wir die Notwendigkeit einer beschleunigten Aufwertung seines effektiven Wechselkurses.“ In Bezug auf die Währungspolitik der G7-Länder selbst wird lediglich die Verpflichtung formuliert, „auf geeignete Weise zusammenzuarbeiten“. Auf die Frage, ob dies auch die Möglichkeit einer gemeinsamen Intervention in die Devisenmärkte einschließe, sagte ein Vertreter des US Treasury Departments: „Mit Sicherheit nicht.“ Obwohl US-Vertreter weiter von der „Politik des starken Dollars“ reden, halten dies alle Beobachter für reine Lippenbekenntnisse.

Ganz ähnlich ist es beim Umgang mit den aktuellen Turbulenzen an den Finanz- und Kreditmärkten. Hier formulieren die Finanzminister: „Die Verbriefung und die Finanzinvestitionen haben erheblich zum Wachstum unserer Ökonomien beitragen. Wir erwarten, daß die Marktteilnehmen viele der Mängel, die durch die kürzlichen Ereignisse deutlich wurden, beheben.“ Und alles weitere bleibt dann einer weiteren Untersuchung durch das Forum für Finanzmarktstabilität überlassen, das bis zum nächsten G7-Treffen einen weiteren Bericht abliefern soll. Übrigens: Da dies das letzte G7-Finanzministertreffen in diesem Jahr war, läßt sich sein Kommuniqué auch als Sargnagel für die Hedge-Fonds-Initiative der deutschen G8-Präsidentschaft ansehen. Nicht einmal der Begriff taucht in dem Dokument auf.

G24 verlangen echte Reformen beim IWF

Deutlich selbstbewußter als in den vergangenen Jahren sind die Formulierungen, die die Gruppe der 24, die die Entwicklungsländer beim IWF vertritt, gestern in ihr Kommuniqué geschrieben hat. Die G24 trifft sich traditionsgemäß immer parallel zu den G7-Finanzministern am Vorabend der eigentlichen Jahrestagung. Während die G7 bis in den Abend hinein tagte, kam die G24 mit ihrem Dokument schon nachmittags heraus. Vor allem zur anstehenden Stimmrechtsreform finden die Entwicklungsländer klare Worte.

Ohne Umschweife stellt das Papier fest, daß die bis jetzt auf dem Tisch liegenden Vorschläge „enttäuschend und inakzeptabel“ sind, da sie hinter den grundlegenden Zielen der Reform zurückbleiben. Dazu gehöre eine „signifikante Umverteilung der Stimmrechte zugunsten der Schwellen- und der Entwicklungsländer“. (Die bisherigen Szenarien lassen höchstens 2-3% mehr Stimmen für den Süden zu.) Diese dürfe aber nicht zuungunsten bestimmter Ländergruppen im Süden, etwa der LDCs, gehen. Wörtlich heißt es: „Um das demokratische Defizit der Bretton-Woods-Institutionen zu beheben, erneuern die Minister ihren Aufruf, die Basisstimmrechte mindestens zu verdreifachen, um die Stimmanteile der Länder mit niedrigem Einkommen zu erhöhen. Darüber hinaus rufen sie dazu auf, für alle politischen Entscheidungen im IWF ein Regime der ‚doppelten Mehrheit‘ in Betracht zu ziehen.“ Die Vorschläge von Strauss-Kahn (>>> Mit Strauss-Kahn aus der Krise?) erzeugen also bereits vor seinem Amtsantritt am 1. November Dynamik.

Das gewachsene Selbstbewußtsein hat aber vor allem ökonomische Gründe. Die Entwicklungsländer sehen sich vor dem Hintergrund der jüngsten ökonomischen Entwicklungen als „neue treibende Kraft wie auch als stabilisierender Faktor der Weltwirtschaft“ und stellen fest, daß die jüngsten Turbulenzen diesmal an ihnen weitgehend vorbei gegangen sind. Beklagt wird in dem Kommuniqué jedoch, daß man den auch im Süden nach wie vor bestehenden Risiken (‚downside risks‘) besser begegnen könne, wenn man mehr Vertrauen in ein finanzielles Auffangnetz auf multilateraler Ebene haben könnte – ein dezenter Hinweis darauf, daß die Akkumulation von harten Währungsreserven derzeit für die meisten Länder im Süden der einzige gangbare Weg ist, um sich vor volatilen Kapitalflüssen und spekulativen Attacken zu schützen.

19. Oktober 2007

Neuer Weltentwicklungsbericht: Sträfliche Vernachlässigung des Agrarsektors

(Washington) Die Entwicklungspolitik des Nordens vernachlässigt die Landwirtschaft genauso sträflich wie es die Regierungen im Süden tun. Der Anteil der Agrarförderung an der öffentlichen Entwicklungshilfe (ODA) ist mit 4% exakt genau so niedrig wie das, was die Regierungen Subsahara-Afrikas im Rahmen ihrer Budgets für die Förderung der Landwirtschaft bereitstellen. Das ist weit weniger als die 11-14% des Staatshaushalts, die in Asien aufgewendet wurden, um die Grüne Revolution zu finanzieren. Das geht aus dem neuen Weltentwicklungsbericht hervor, der hier heute vorgestellt wurde und der das Motto „Agriculture for Development“ („Landwirtschaft für Entwicklung“) trägt.

Der Hinweis auf die Grüne Revolution in Asien kommt nicht von ungefähr, denn der Bericht möchte zu allererst darauf hinweisen, daß die Produktivität im Agrarsektor Afrikas beträchtlich hinter der anderer Regionen im Süden zurückgeblieben ist. Dabei leben und arbeiten in diesem Sektor 65% der Arbeitskräfte, die 32% zum Wachstum des Bruttoinlandsprodukts beitragen. Die Agenda „Landwirtschaft für Entwicklung“, die der Bericht vorschlägt, orientiert deshalb vor allem auf die Verbesserung des Investitionsklimas, die bessere Nutzung der Märkte, der Technologien und nachhaltigeres Wasser- und Bodenmanagement. Direkte Investitionen in den Agrarsektor seien mit Blick auf die Armutsreduzierung rund viermal so effektiv wie in anderen Sektoren. Umgekehrt, so meinte Weltbank-Präsident, Robert Zoellick, bei der Präsentation des Reports, helfe der neue Fokus auf die Landwirtschaft das wirtschaftliche Wachstum insgesamt zu forcieren. Produktivitätssteigerung, Wachstum, Technologien und Märkte – so lauten also die Schlüsselbotschaften, die der diesjährige Flaggschiff-Report der Weltbank aussendet.

Von den Industrieländern fordert der Bericht erneut den Abbau schädlicher Politiken wie die Behinderung afrikanischer Baumwollexporte. Auch müßten die Industrieländer dringend mehr tun, um die Bauern im Süden bei der Anpassung an die Folgen des Klimawandels zu unterstützen.

Die Weltbank liebt das Agrobusiness, die NGOs die Kleinbauern

(Washington) Selten haben die NGOs mit so vielen Stellungnahmen auf einen Weltentwicklungsbericht reagiert wie in diesem Jahr. In einem gemeinsamen Kommentar begrüßen FIAN und sechs weitere deutsche NGOs (EED, Oxfam, Brot für die Welt u.a.) zwar die neue Aufmerksamkeit für die Landwirtschaft, bewerten die Weltbankempfehlungen aber als ungeeignet, Armut zu bekämpfen und das Menschenrecht auf Nahrung zu gewährleisten. Vernachlässigt sehen die NGOs vor allem die Kleinbauern. Der Weltentwicklungsbericht recycle die altbekannten Rezepte der Liberalisierung, Gentechnik und Exportsteigerung. Den Kleinbauern, die durch diese Politik marginalisiert werden, erweise die Weltbank damit einen Bärendienst.

Auch Misereor und die Heinrich-Böll-Stiftung werfen Weltbank vor, aus richtigen Analysen falsche Schlüsse zu ziehen. In einem ausführlichen Analysepapier, das morgen in Washington präsentiert wird, heißt es: "Die Landwirtschaft wird ausschließlich durch die ökonomische Brille betrachtet; ihre vielfältigen sozialen und ökologischen Funktionen werden nicht angemessen bewertet." Für Barbara Unmüßig vom Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung, lautet die Kernfrage, wie zukünftig genug Nahrung für alle produziert werden könne, und wie den ProduzentInnen besonders in den armen Ländern des Südens ein sicheres und angemessenes Einkommen garantiert werden könne: Diese Herausforderung stelle sich um so dringlicher, weil gerade die Landwirtschaft massiv vom Klimawandel betroffen sein werde, Wasser knapper und Öl teurer werde.

Mit einer weiteren ausführlichen Analyse wartet Oxfam International auf. Darin wird u.a. darauf hingewiesen, daß die weltweite Entwicklungshilfe für den Agrarsektor nach Angaben der OECD von 11,5 Mrd. US-Dollar im Jahr 1987 auf 3,9 Mrd. US-Dollar gefallen. Die Kredite der Weltbank für Landwirtschaft beliefen sich in 2006 nur auf 7% der gesamten Kreditleistungen der Weltbank. Das entspricht 1,75 Mrd. US-Dollar. Im Jahr 1982 waren es noch 30%. Auch die größten Geberländer haben ihre Entwicklungszusammenarbeit für den Agrarsektor in den vergangenen 20 Jahren deutlich verringert. So gab Deutschland 1996 noch 588 Mio. US-Dollar Entwicklungshilfe für die Landwirtschaft in armen Ländern. Der Betrag sank auf einen Tiefststand von 136 Mio. US-Dollar im Jahr 2000 und erreichte 2005 wieder eine Höhe von 211 Mio. US-Dollar.

Ein weiterer kritischer "Bericht zum Bericht" ist heute von ActionAid International veröffentlicht worden: The World Bank and Agriculture. A critical review of the World Bank's World Development Report.

Bei IWF und Weltbank in Washington: Kleiner Paukenschlag am Vorabend der Jahrestagung

(Washington) Jetzt hat auch der Internationale Währungsfonds (IWF) die Rede des US-Finanzministeriums von der „Politik des starken Dollars“ Lügen gestraft. Im Gegensatz zu ihrem (ausscheidenden) Geschäftsführenden Direktor, Rodrigo de Rato, der noch letzte Woche erklärte, der Dollar sei „unterbewertet“, haben die „Experten“ des Fonds in dem gerade veröffentlichten World Economic Outlook festgestellt, die US-Währung sei immer noch zu hoch bewertet. Die überraschende Diagnose der IWF-Leute steht zumindest teilweise im Widerspruch zu ihrer Warnung vor einer ungeordneten Anpassung der globalen Ungleichgewichte als einer der größten Bedrohungen für die weltwirtschaftliche Entwicklung. Die Währungshändler jedenfalls haben dies als grünes Licht für weitere Dollarverkäufe genommen, und der Euro ist gestern promt auf ein neues Hoch im Verhältnis zum Greenback geklettert.


Zuletzt hatte der einflußreiche US-Ökonom Martin Feldstein, der einmal Chefökonom unter der Reagan-Administration war, gefordert, die Märkte müßten sich „von der Idee verabschieden, daß ein starker Dollar gut für Amerika sei“. Im Gegenteil: Ein fallender Dollar sei gut für die amerikanische Konkurrenzfähigkeit, und die Handelspartner, allen voran Europa, sollten sich mit der Stärkung ihrer inneren Kaufkraft auf den Ausfall der US-Exportmärkte vorbereiten. Täten sie dies nicht, würde dies in den USA automatisch die protektionistischen Kräfte stärken.

Kaum noch Aussicht auf Erfolg haben vor diesem Hintergrund die Bemühungen der Europäer, bei der kommenden G7-Finanzministertagung hier in Washington Formulierungen durchzusetzen, die den Höhenflug des Euro (und damit die Verschlechterung der europäischen Exportaussichten) zumindest vorübergehend stoppen könnten. „Der IWF hat wenig Sympathie für bedrängte Exporteure der Eurozone“, kommentierte die Financial Times lakonisch.

Die europäischen Finanzminister haben sich unterdessen – wohl um überhaupt noch einen Passus zum Thema Währungspolitik in das G7-Kommuniqué hineinzubekommen – dazu entschlossen, wieder einmal mit den USA Schulterschluß zu üben. Selbst Frankreichs Christine Lagarde erklärte, man dürfe nicht ausschließlich das Verhältnis des Euro zum Dollar betrachten, sondern müsse auch die Rolle des Yen und des Renminbi sehen – gemeinsames US-europäisches China- und Japan-Bashing also. Die verschiedentlich als wichtigstes Treffen der G7 der letzten Zeit bezeichnete Zusammenkunft an diesem Wochenende könnte vor diesem Hintergrund gut zu einer großen Enttäuschung werden. – Was freilich auch nicht übersehen werden darf: Die Euro-Aufwertung hat auch nach Auffassung der Europäischen Zentralbank noch nicht die Schmerzgrenze erreicht. Und es gibt willkommene Nebeneffekte: Die hohen Ölpreise, die auch gestern wieder eine neue Rekordmarke überschritten haben, können dadurch leichter verkraftet werden.

14. Oktober 2007

Konflikte in Afrika so teuer wie Entwicklungshilfe: Kontrolle des Waffenhandels überfällig

Kriege und kriegerische Konflikte zerstören die Volkswirtschaften vieler afrikanischer Länder. Rund 284 Mrd. US-Dollar haben sie Afrika zwischen 1990 und 2005 gekostet. Etwa den gleichen Betrag erhielt Afrika in diesem Zeitraum als Entwicklungshilfe. Dies geht aus einer aktuellen Studie Africa’s Missing Billions („Afrikas verlorene Milliarden“) hervor, die letzte Woche von Oxfam International, dem Internationalen Aktionsnetz zu Kleinwaffen IANSA und Saferworld in New York vorgestellt wurde. Anlaß sind die laufenden Beratungen des Abrüstungsausschusses der UN-Generalversammlung über ein neues Abkommen zur Kontrolle des weltweiten Waffenhandels. Die Studie ermittelt die Auswirkungen bewaffneter Konflikte auf die Volkswirtschaften von 23 betroffenen Ländern in Afrika. Dabei wurden sowohl direkte Kriegskosten (Rüstungsausgaben, zerstörte Infrastruktur) als auch wirtschaftliche Folgekosten (erhöhte Inflation, Verschuldung und Arbeitslosigkeit; Anstieg der Sterblichkeit) berücksichtigt. Schätzungen zufolge schrumpfte die Wirtschaft in den untersuchten Ländern im Durchschnitt um 15%.

Die Hilfsorganisationen Oxfam und IANSA fordern seit Jahren ein weltweites Übereinkommen, das den Handel mit konventionellen Rüstungsgütern verbietet, wenn dadurch das Humanitäre Völkerrecht gebrochen, Menschenrechte verletzt oder die nachhaltige Entwicklung untergraben werden. Anfang des kommenden Jahres soll unter dem Dach der Vereinten Nationen eine Gruppe von Regierungsexperten zusammentreffen. Sie hat den Auftrag, bis zur nächsten Generalversammlung im Herbst 2008 die Verhandlungsgrundlage für ein Waffenhandelsabkommen („Arms Trade Treaty“) zu schaffen.

8. Oktober 2007

Regenwaldabholzung im Kongo: Weltbank erneut im Zwielicht

In einem Bericht, der vorzeitig an die Öffentlichkeit gelangte, kritisiert der offizielle Inspektionsausschuß der Weltbank (‚Inspection Panel‘) schwere Versäumnisse der Bank im Zusammenhang mit Regenwald-Projekten im Kongo. Anlaß für die Untersuchung war eine formelle Beschwerde von NGOs aus der DR Kongo, die mit den indigenen Pygmäen zusammenarbeiten. Es handelt sich um das zweitgrößte Regenwaldgebiet nach dem Amazonas in einer Größe Frankreichs. Der Bericht stellt fest, daß zwei von der Weltbank im Jahr 2002 bewilligte Projekte die Abholzung des Regenwaldes in industriellem Maßstab zum Ziel hatten und damit die DR Kongo potentiell zu Afrikas größtem Holzproduzenten machen würde. Zudem fand das Panel heraus, daß es bei Planung und Beginn der Projekte „unangemessene Beurteilungen vieler wichtiger sozio-ökonomischer und umweltrelevanter Belange bei der Forstnutzung“ gegeben habe.

Völlig außer Acht gelassen habe die Weltbank, daß die Waldgebiete des Kongo von Indigenen bewohnt werden. Lediglich „begrenzte Aufmerksamkeit“ sei der Tatsache gewidmet worden, daß etwa 40 Millionen Kongolesen, meist Kleinbauern in Subsistenzwirtschaft, die Wälder zum Überleben brauchen. Die Projekte würden nicht nur die Umwelt gefährden, sondern voraussichtlich auch nicht der Armutsbekämpfung dienen. Die Weltbank der Regierung der DR Kongo zudem eingeredet, daß die Einkünfte aus dem Holzeinschlag wesentlich höher sein würden, als es real der Fall ist.

Peinlich ist die Feststellung, das Weltbank-Management habe viele der eigenen Umwelt- und Sozialstandards mißachtet. Die Weltbank hat wiederholt betont, sie helfe, den bestehenden, aber meist illegalen Holzeinschlag in der DR Kongo unter Kontrolle zu bringen. Insbesondere würden die rund 150 Holzfirmen einer rechtlichen Begutachtung unterzogen. Das Inspection Panel stellt allerdings fest, daß dieser Prozess sehr schlecht durchgeführt werde. Die Zukunft von rund 15 Millionen Hektar Regenwald, der teilweise von Pygmäen bewohnt wird, werde durch diesen fehlerhaften Revisionsprozess gefährdet. – Offiziell veröffentlicht wird der Bericht voraussichtlich Ende Oktober.

3. Oktober 2007

DSK: Vom Reform-Kandidaten zum Reform-Direktor?

„Ich habe mich als Kandidat der Reform beworben. Jetzt bin ich der Geschäftsführende Direktor der Reform“, sagte Dominique Strauss-Kahn nach seiner Wahl im Executive Board am vergangenen Freitag. Wenn man ihn so reden hört, könnte man meinen, er wolle im Internationalen Währungsfonds (IWF) von einem auf den anderen Tag alles anders machen, wenn er am 1. November sein Amt antritt. Der Fonds solle nicht länger als Gendarm der Weltwirtschaft dienen, er müsse sich selbst reformieren, um seine Relevanz und Legitimität wieder herzustellen. Und korrigiert werden müsse auch das Image von der Weltbank als der „guten Mutter“ und dem IWF als dem „großen Knüppel“. Wo immer DSK, wie er sich in Frankreich gerne nennen läßt, derzeit auftritt, sei es im CNN-Interview oder bei France 2, sei es mit einem Wallstreet Journal-Kommentar oder in einem Le Monde-Interview, die Botschaft ist klar: Hier kommt einer, der den Fonds verändern will.

Das unterscheidet den „Frenchman“ ganz sicher von dem schwächelnden Horst Köhler und seiner mißglückten Konditinalitätsreform. Immerhin will Strauss-Kahn die gewichtige Konditionalitätsfrage neue aufrollen und klären, welche Auflagen für ein Programm wirklich wichtig sind, wie er in seiner Bewerbungsrede im Executive Board sagte. Einiges wurde auf den Weg gebracht, so Strauss-Kahn. „Doch dies ist nicht genug.“ Das unterscheidet ihn von dem arbeitssamen Vorgänger Rodrigo de Rato, der den Reformbedarf zwar erkannt hatte, aber dann doch lieber vorzeitig abtreten wollte. Die starken Worte gegen die Rolle des IWF als globaler Finanzpolizist und die Rückbesinnung auf das ursprüngliche Mandat des IWF, „das Wachstum und die Beschäftigung durch die Sicherstellung der finanziellen Stabilität in der Welt zu fördern“, unterscheiden Strauss-Kahn ganz sicher auch von dem letzten „Frenchman“ an der Spitze des Fonds: Michel Camdessus, der erst hernach seine Erfüllung in Reden vor der Sozialarbeiter-Fraktion der Katholischen Kirche fand, in seiner Amtszeit jedoch der Protagonist der neoliberalen Globalisierer-Rolle des IWF war.

Wenn Strauss-Kahn auf die Rolle der internationalen Finanzmärkte in diesem „Zeitalter der Turbulenzen“ (wie der ehemalige Chef der US-Zentralbank, Alan Greenspan, seine Autobiographie genannt hat) zu sprechen kommt, redet er gerne von der Finanzstabilität als einem „öffentlichen Gut“, das der IWF gewährleisten müsse. Dies dürfte der schwierigste Bereich sein, in dem der neue IWF-Chef sich bewähren muß. Unabhängig davon, wie ernst die neue Reformrhetorik wirklich gemeint ist (>>> beteiligen Sie sich doch an der heute beginnenden Umfrage in der rechten Spalte dieses Blogs und stimmen Sie mit ab), auch Strauss-Kahn wird nur in einer Politik der kleinen Schritte vorankommen können: „Alle diese Veränderungen können nicht über Nacht vonstatten gehen“, heißt es in seiner Vorstellungsrede. Auch seine Lösungen sind also „incremental rather than radical“, kommentierte da der Londoner Economist beruhigt. Immerhin habe DSK mit seiner Kampagne, zu der eine Lobby-Tour mit 60.000 Meilen und ein eigener Blog gehörte, die Energie bewiesen, die hoffen läßt, daß wenigstens er seine gesamte Amtszeit von fünf Jahren durchhält.