13. Oktober 2014

IWF/Weltbank-Jahrestagung: Kassandra wurde nicht beachtet

Es war wie in der griechischen Tragödie: Kassandras Warnungen (>>> Kassandra hat Recht) wurden nicht erhört. Die Financial Times sah am Ende sogar ein Zurückschwingen des Pendels von einer aktiveren Fiskalpolitik zur reinen Orthodoxie der Strukturreformen. In seinem Kommuniqué kaprizierte sich der Internationale Währungs- und Finanzausschuss (IMFC), der Lenkungsausschuss des IWF, ganz darauf, dass die Mitgliedsländer mit strukturellen Reformen die Wachstumsschwäche der Weltwirtschaft überwinden müssten. Im Vorfeld der Jahrestagung lancierte der IWF dagegen eine Studie, in der öffentliche Infrastrukturinvestitionen als Weg der wirtschaftlichen Erholung empfohlen wurden (>>> Vor einem globalen Schub an Infrastrukturinvestitionen?). Diese könnten sogar schuldenfinanziert werden, da sie sich sowohl kurz- als auch mittelfristig mehr als auszahlten.

Doch davon, von einem „free lunch“, so der ehemalige Chefökonom der Weltbank, Lawrence Summers, über diesen Ansatz, wollte der britische Schatzkanzler George Osborne ebenso wenig wissen wie von Aufrufen zu einer Lockerung der Fiskalpolitik in Deutschland, über dessen mögliches Abrutschen in eine Rezession auf der Jahrestagung spekuliert wurde. Während IWF-Chefin Christine Lagarde eine „neue Mittelmäßigkeit“ der weltwirtschaftlichen Entwicklung sah und vor Stagnation und Deflation warnte, sah der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble „keinen Grund, über eine Krise in der globalen Ökonomie zu sprechen“ und empfahl stur, Kurs zu halten und „mit strukturellen Reformen fortzufahren“. Der IMFC-Vorsitzende Tharman aus Singapur verkündete nach der Ausschusssitzung sogar: „Jeder war auf die wirkliche Herausforderung konzentriert, und das ist die der strukturellen Reformen, viel mehr als makroökonomische Politik.“

Der Begriff Strukturreformen hat für die neoliberale Glaubensgemeinde eine geradezu magische Bedeutung. Er klingt gut, meint aber das ganze Set der Deregulierung und Liberalisierung, das uns die derzeitige wirtschaftliche Malaise eingebrockt hat – von der Flexibilisierung der Arbeitsmärkte über die Kürzung der Sozialausgaben bis zur Liberalisierung der Dienstleistungsmärkte. So klingt es denn wenig überzeugend, wenn auch in Washington wieder viel von inklusivem Wachstum und der notwendigen Reduzierung der Ungleichheit die Rede war, zugleich aber immer wieder betont wurde, wie wichtig es sei, auch die klassische Agenda des IWF fortzuführen. Ein Neuanfang sieht anders aus. Unhappy Birthday also auch zum 70.!

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