Regierungen müssen in Glasgow in den Krisenmodus
Die schwachen Klimaschutzziele der Länder, die unzureichende finanzielle Unterstützung für wirtschaftlich benachteiligte Länder und der Umgang mit Schäden, die der Klimawandel verursacht: Das sind die drei großen Baustellen der Weltklimakonferenz (COP26), die heute in Glasgow beginnt.
Ein Gastkommentar von Jan Kowalzig*)
In Glasgow müssen die Regierungen sofort in den Krisenmodus gehen. Die krasse Unzulänglichkeit der eingereichten Klimaschutzziele der Länder unter dem Pariser Abkommen droht den Planeten zu verbrennen. Kurz vor der COP26 hatte das UNFCCC-Klimasekretariat in einer Analyse dieser Selbstverpflichtungen unter dem Pariser Abkommen davor gewarnt, dass die globalen Emissionen bis 2030 um 16% ansteigen werden. Um die globale Erwärmung auf maximal 1,5°C zu begrenzen, wie es das Pariser Abkommen vorsieht, müssten sie aber um knapp die Hälfte sinken.
Die Welt steuert auf eine katastrophale Entwicklung der Klimakrise zu. Die Regierungen müssen auf der COP26 beschließen, ihre mittel- und langfristigen Pläne nicht erst – wie eigentlich vorgesehen – in fünf Jahren, sondern so lange jedes Jahr nachzubessern, bis deren Gesamtwirkung es ermöglicht, die globale Erwärmung auf 1,5°C zu begrenzen.
* Mehr Mittel für die Anpassung an die Klimakrise
Die zweite große Baustelle der Weltklimakonferenz sind die finanziellen Klima-Hilfen der Industrieländer für von der Klimakrise betroffene, wirtschaftlich benachteiligte Länder. Das Versprechen der Industrieländer, diese Hilfen bis 2020 auf jährlich 100 Mrd. US-Dollar anzuheben, wurde nicht gehalten. Die Geberländer hatten dazu am Montag einen Plan vorgelegt, nach dem sie das Ziel nun 2023 erreichen würden – drei Jahre später als versprochen.
Die Klimafinanzierung ist ein wichtiger Baustein in der mühselig austarierten Balance des Vertrauens zwischen den Ländern. Dass das Versprechen der Industrieländer nicht eingehalten wurde, ist eine schwere Hypothek, die nun auf der COP26 lastet. Nicht nur erhalten die betroffenen Länder deutlich weniger Unterstützung als zugesagt; auch handelt es sich großenteils um Kredite, die die Schuldenkrise verschärfen. Zudem wird nach wie vor nur rund ein Viertel der Gelder für die Anpassung an den Klimawandel verwendet, etwa zum Schutz der Ernten vor Dürren oder Überschwemmungen. Die Industrieländer sollten auf der COP26 zusagen, bis 2025 den Anteil der Mittel für Anpassung auf 50% der Klimafinanzierung anzuheben.
* Unterstützung bei Schäden und Verlusten
Ein drittes großes Thema für die besonders vom Klimawandel betroffenen oder bedrohten Länder ist der Umgang mit Schäden und Verlusten, die sich auch trotz umfangreicher Anpassungsmaßnahmen nicht vermeiden lassen, etwa wenn flache Küstenstreifen nach und nach im Meer versinken oder der Anbau von Nahrungsmitteln wegen wiederkehrender Dürren zunehmend unmöglich wird. Die COP26 wird über das Thema verhandeln, sich dabei aber um eher technische und prozedurale Fragen kümmern. Die Notwendigkeit neuer finanzieller Unterstützung möchten die Industrieländer wie bisher auch auf dieser Konferenz möglichst ausklammern, weil sie Kompensationsforderungen betroffener Länder für angerichtete Schäden fürchten.
Die betroffenen Länder brauchen dringend mehr Unterstützung nicht nur für die Anpassung an die Veränderungen, sondern auch für den Ausgleich von unvermeidlichen Schäden und Verlusten. Das ist auch eine Frage der globalen Gerechtigkeit, denn diese Länder haben oft kaum oder gar nicht zur Klimakrise beigetragen. Auf der COP26 sollten die Regierungen dringend vereinbaren, in den kommenden Jahren neue Gelder zu mobilisieren und geeignete Mechanismen zu ihrer Verteilung einzurichten.
Jan Kowalzig ist Referent bei Oxfam Deutschland für Klimawandel und Klimapolitik.
Hinweis:
* Rainer Falk: Eine Strategie des Südens für Glasgow. Entwicklungsorientierung und Anpassung an den Klimawandel, auf: weltwirtschaft-und-entwicklung.org