29. Oktober 2010

Ein Ausflug nach Bretton Woods

Kurz vor dem Finanzministertreffen der G20 am vergangenen Wochenende unternahm Timothy Geithner einen Ausflug nach Bretton Woods – bildlich gesprochen, versteht sich. In einem Brief an seine „fellow finance ministers“ schrieb er: Die G20-Länder sollten in den nächsten Jahren Schritte zur Reduzierung ihrer externen Defizite „unter einen bestimmten Anteil ihres BIP“ unternehmen. Für die Defizitländer bedeute das, die nationalen Ersparnisse zu steigern und ihre Exportperformance zu verbessern. Umgekehrt müssten die Länder mit anhaltenden Überschüssen ihr Binnenwachstum und auf diese Weise die globale Nachfrage stärken. Die Defizitländer müssten ihre Währungen abwerten, die Überschussländer aufwerten, um so den Abbau der globalen Ungleichgewichte zu unterstützen.

Wie hoch die Defizite, gemessen am BIP sein dürften, geht aus dem Brief nicht hervor. Doch allgemein geht man davon aus, dass sie auf Dauer nicht über 4% liegen dürfen. Das Kommuniqué des Finanzministertreffens formulierte zwar nur vage, das man „zu mehr marktorientierten Wechselkurssystemen, die die zugrunde liegenden Fundamentaldaten reflektieren,“ kommen müsse. Und natürlich erwiesen sich wieder einmal die Deutschen als die schärfsten Widersacher eines besseren Wechselkursmanagements. Denn bei einer Obergrenze für Leistungsbilanzüberschüsse von 4% läge Deutschland mit seinen derzeitigen Rekordüberschüssen weit über der internationalen Norm. Die Kanzlerin lehnt daher Vorschläge strikt ab, Ungleichgewichte in den Leistungsbilanzen durch direkte Vorgaben, etwa „quantitative Leistungsbilanzziele“, zu bekämpfen, sagte sie vorgestern vor dem Bundestag.

Warum nur? In der EU plädiert man ja mühelos auch für „quantitative Ziele“ – jene berühmten 3% Haushaltsdefizit, wobei niemand rational erklären kann, warum das in dieser Form notwendig ist. Was freilich nur wenigen aufgefallen ist: Geithners Vorschlag – und deshalb darf man das Ausflug nach Bretton Woods nennen – ist im Grunde genommen ein Rückgriff auf die Idee, die Keynes auf der Konferenz von Bretton Woods im Jahre 1944 hatte. Dort forderte er einen Mechanismus, der es gestattet, Defizit- und Überschussländer gleichermaßen für das weltwirtschaftliche Gleichgewicht zur Verantwortung zu ziehen. Der IWF hat das zwar in seinen Statuten stehen, aber wegen der Übermacht der Überschussländer nie umsetzen können. Wenn jetzt die USA, die klassische Vormacht im Fonds, mit dieser Idee kommen, wird man damit rechnen dürfen, dass sie so schnell nicht wieder vom Verhandlungstisch verschwindet. Und das ist gut so, auch wenn es jetzt erst einmal vordergründig gegen die Chinesen geht.

26. Oktober 2010

Deutsche Rohstoffstrategie im Kreuzfeuer der Kritik

Auf dem Rohstoffkongress des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) hat Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle am 26. Oktober eine neue Rohstoffstrategie der Bundesregierung vorgestellt (>>> Wortlaut). Sie soll die Versorgung deutscher Unternehmen mit mineralischen und nicht-energetischen Rohstoffen für strategische Zukunftstechnologien sichern. Deutsche Umwelt-, Entwicklungs- und Menschenrechtsorganisationen üben allerdings deutliche Kritik an der Strategie. Sie haben Anforderungen an eine zukunftsfähige Rohstoffstrategie vorgelegt, die den Positionen der Bundesregierung teilweise diametral entgegenstehen. In dem umfänglichen Papier heißt es:

„Bisher wurde die Entwicklung der deutschen Rohstoffstrategie vom federführenden Bundeswirtschaftsministerium als ausschließliche Angelegenheit von Politik und Wirtschaft angesehen. Die Zivilgesellschaft wurde nicht beteiligt, der Prozess der Ausarbeitung der deutschen Rohstoffstrategie verlief intransparent. Deutsche Rohstoffpolitik ist aber zu wichtig, als dass sie unter Ausschluss der Öffentlichkeit formuliert werden darf. Erforderlich sind stattdessen transparente Entscheidungsprozesse, die soziale, menschenrechtliche und ökologische Interessen effektiv und gleichberechtigt berücksichtigen, bevor wichtige politische Entscheidungen getroffen werden.“

Einzelne NGO-SprecherInnen konkretisieren:

* Elisabeth Strohscheidt, Misereor: „Nach Aussagen der Bundesregierung dient die Rohstoffstrategie primär der Absicherung der Rohstoffversorgung der deutschen Wirtschaft und der Verbesserung des Marktzugangs zu Rohstoffquellen im Ausland. Die berechtigten Interessen der Menschen in den Abbauländern kommen in der Rohstoffstrategie dagegen nur am Rande zur Sprache. Soziale, ökologische und menschenrechtliche Aspekte müssen aber einen integralen Bestandteil deutscher Rohstoffpolitik bilden. Die Rohstoffversorgung der deutschen Wirtschaft darf nicht auf Kosten der Menschen und der Natur in den Abbauländern erfolgen.“

* Jens Martens, Global Policy Forum Europe: „Eine faire und ökologisch tragfähige Rohstoffstrategie muss die Senkung des Ressourcenverbrauchs, die Achtung und Schutz der Menschenrechte, die Einhaltung der internationalen Umwelt- und Sozialstandards, die zivile Konfliktprävention sowie die Eindämmung der Rohstoffspekulation zum Ziel haben. Eine Rohstoffstrategie, die diese Aspekte nicht effektiv berücksichtigt, läuft Gefahr, zur Verschärfung gewaltsamer Konflikte, zur Verletzung der Menschenrechte und zur Zerstörung der Umwelt beizutragen.“

* Barbara Unmüßig, Heinrich-Böll-Stiftung: „Die neue Rohstoffstrategie der Bundesregierung steht in krassem Widerspruch zu ihren Zielen etwa in der Klima- oder Entwicklungspolitik. Während auf der einen Seite für eine klimapolitische Trendwende gestritten und Armut bekämpft wird, verfolgt die Bundesregierung mit der Rohstoffstrategie eine Industriepolitik, die den fossilen Pfad forciert. Es fehlen Regulierungsansätze im Rohstoffsektor, die Entwicklungschancen rohstoffreicher Länder fördern. Stattdessen liegt nun eine inkohärente Strategie vor, die Menschenrechte, ökologische und soziale Kriterien missachtet.“

Auch internationale Rohstoffexperten und langjährige Projektpartner der Stiftung kritisieren das neue Konzept:
* Silas Kpanan Ayoung Siakor, Sustainable Development Institute Liberia und Gewinner des Goldman Environmental Awards 2006: „Es besteht die Gefahr, dass Deutschland im Zuge der Unterstützung deutscher Unternehmen bei der Sicherung ihres Rohstoffbedarfs schlechte Regierungsführung und die Verletzung von Menschenrechten ignoriert.“

* Samuel Nguiffo, Center for Environment and Development Kamerun und Träger des Goldman Environment Award 1999: „Deutschland setzt seine internationale Vorreiterrolle beim Klimaschutz und bei grünen Technologien aufs Spiel, wenn deutsche Unternehmen mit Investitionen im Bergbausektor Waldschutz gefährden.“

25. Oktober 2010

IWF-Reform: Durchbruch oder Reförmchen?

Nein, da mögen sie noch so lobpreisen, das ist kein Durchbruch, schon gar kein historischer, worauf sich die Finanzminister und Notenbankchefs der G20 am Wochenende in Südkorea geeinigt haben. Wohl wollen die Europäer jetzt auf zwei Sitze im Exekutivausschuss verzichten und die Stimmanteile (Quoten) werden um 6% zugunsten der großen Schwellenländer wie China, Brasilien und Indien umgeschichtet. China rückt damit noch vor Deutschland auf den Platz des drittstärksten Mitgliedslandes im IWF vor.

Doch die Veränderung macht fast keinen formellen Unterschied zu den bisherigen Governance-Gepflogenheiten im Fonds, wo Beschlüsse in der Regel per Konsens gefasst werden. Und wenn es einmal Streit gibt, verfügen die USA und auch die Europäer (wenn sie einig handeln) nach wie vor über eine Sperrminorität, da wichtige Entscheidungen 85% der Stimmen verlangen. Hinzu kommt, dass die G20 sich bis 2012 Zeit gegeben haben, um die Details der neuen Entscheidungslage auszuarbeiten. So sagten die Europäer zwar zu, auf zwei Sitze zu verzichten, aber welches Land genau seinen Sitz aufgibt und wie dies geschehen soll, ist nach wie vor offen. In zwei Jahren kann freilich noch viel geschehen.

Die G20-Beschlüsse werden auch nicht die alte Debatte um die Legitimität des Fonds beenden, wie IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn in Südkorea behauptete. Denn die Legitimitätsfrage hängt ja nicht nur an den Entscheidungsstrukturen des Fonds, sondern mindestens ebenso sehr an der inhaltlichen Ausgestaltung seiner Politik, vor allem an der Nachvollziehbarkeit und Akzeptanz der Bedingungen, die mit seinen Krediten verknüpft sind. In einem neuen Papier (>>> The IMF and Economic Recovery) fördern jetzt Mark Weisbrot und Juan Montecino vom Center for Economic Policy Research (CEPR) in Washington erneut heillose Widersprüche zwischen den Deklamationen des Fonds und seiner praktischen Politik zutage. So konstatiert er in seinem neuen World Economic Outlook klar und deutlich eine Verlangsamung des Aufschwungs, die Zerbrechlichkeit der aktuellen Konjunktur und zahlreiche „Down-side“-Risiken der aktuellen Wirtschaftsentwicklung. Von daher sollte man vom IWF ein klares Plädoyer für die Fortsetzung der Konjunkturstimulierung in schwachen Ökonomien erwarten. Das Gegenteil ist aber der Fall, wie die Autoren zeigen: Zumeist unterstützt der IWF weiterhin eine prozyklische Politik, plädiert für fiskalische „Konsolidierung“ und spricht sich auch gegen eine aktive Rolle der Zentralbanken bei der Finanzierung der Konjunkturpolitik aus.

20. Oktober 2010

G20: Kollision statt Kooperation?

Am kommenden Freitag und Samstag treffen sich die G20-Finanzminister und Zentralbankchefs in Gyeongju/Südkorea, um den Gipfel Mitte November in Seoul vorzubereiten. Auf das Treffen fallen derzeit viele Schatten: der drohende Währungs- und Handelskrieg, der nachlassende Schwung der Bemühungen um eine Reform des internationalen Finanzsystems, der Streit über fortgesetzte Stimuli oder haushaltpolitische Konsolidierung. Zuletzt haben jetzt auch noch der brasilianische Finanzminister Guido Mantega und Brasiliens Zentralbankgouverneur Henrique Meirelles ihre Teilnahme in Gyeongju abgesagt. Mantega hatte vor einigen Wochen als erster offen ausgesprochen, dass wir uns „mitten in einem Währungskrieg“ befinden.

Die beiden Brasilianer dürften nicht viel verpassen, wenn sie am Wochenende fehlen. Denn knapp zwei Wochen nach dem Aufbrechen der Widersprüche auf der Jahrestagung von IWF und Weltbank (>>> Im Schatten des drohenden Währungskriegs) gibt es fast keine Hoffnung auf Verhandlungsfortschritte bei den Streitthemen „Rebalancing“ der Weltwirtschaft, Reform des IWF oder der Verabschiedung neuer Kapitalstandards für die Banken („Basel III“). Vor allem die Schwellenländer greifen derzeit angesichts fehlender multilateraler Lösungen zu diversen Formen bilateraler Kapitalverkehrskontrollen, um sich gegen die sich aufbauenden neuen Spekulationsblasen und den Aufwärtsdruck auf ihre Währungen zu schützen. Der Dauerstreit zwischen den USA und China um den Wechselkurs Yuan-Dollar scheint ohnehin so festgefahren wie noch nie.

So baut sich zwei Jahre nach der Gründung der G20 auf Gipfelebene eine neue, von Interessengegensätzen und mangelnder Kooperationsbereitschaft gekennzeichnete Konstellation auf. Der neue Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwicklung (>>> W&E 10/2010) analysiert diese „Kollision der Ökonomien“ im Vorfeld des G20-Gipfels. Dabei gäbe es auch ohne den drohenden Währungs- und Handelskrieg beileibe genug unerledigte Aufgaben, derer sich die G20 annehmen müssten …

18. Oktober 2010

Die G20 macht Entwicklungspolitik

Die G20 hat kürzlich eine Arbeitsgruppe zur Entwicklungspolitik eingerichtet und wird auf dem November-Gipfel in Seoul eine umfassende Entwicklungsagenda verabschieden. Man mag sich darüber wundern, dass sich die G-20, die doch zur Bewältigung der Weltfinanz- und Wirtschaftskrise auf der Ebene der Staatschefs eingerichtet wurde, jetzt mit Fragen beschäftigen will, die mit der Krise nicht unmittelbar zu tun haben, schreiben Peter Wolff und Thomas Fues vom Deutschen Institut für Entwicklungspolitik (DIE). Und weiter:

Sollte es sich etwa um eine Ausweichreaktion handeln, weil man in den zwei Jahren seit dem Höhepunkt der Krise das Ziel, das globale Finanzsystem zu reformieren, nicht erreicht hat? Zwar hat die G-20 in den ersten Monaten nach dem Lehman-Kollaps im September 2008 durch koordinierte Politiken eine weltwirtschaftliche Kernschmelze vermieden und so dazu beigetragen, dass wir seit 2010 wieder weltwirtschaftliches Wachstum haben, das vor allem durch die Schwellenländer angetrieben wird. Die Fortschritte bei den selbst gesetzten Aufgaben zur Neugestaltung der Weltwirtschaft sind jedoch nicht berauschend. Die vor einer Woche abgeschlossene Jahrestagung von IWF und Weltbank hat deutlich gemacht, wie gering die Bereitschaft der führenden Wirtschaftsnationen ist, zu einem Ausgleich der weltwirtschaftlichen Ungleichgewichte beizutragen und wie stark sich die jeweiligen Wirtschaftspolitiken wieder an kurzsichtigen nationalen Interessen orientieren...


... den vollständigen Kommentar finden Sie >>> hier.

8. Oktober 2010

Regulierungslücken allenthalben

Während die Jahrestagung von IWF und Weltbank in Washington mit einer neuen Runde der Rhetorik über Währungs- und Handelskriege begonnen hat (s. Video), werden auch jene Stimmen nicht weniger, die vor einer nachlassenden internationalen Kooperationsbereitschaft und vor der Illusion warnen, mit den bisherigen Schritten zur Regulierung des Finanzsektors sei eine Wiederholung der Finanzkrise ausgeschlossen. Die Dood-Frank-Gesetze in den USA, die neuen europaweiten Aufsichtsbehörden und die Basel-III-Übereinkunft seien doch alles nur „Maßnahmen des kleinsten gemeinsamen Nenners“, meinte der Finanzmagnat George Soros in einem Interview.

Mit einer deutlichen Kritik an der Unzulänglichkeit von Basel III wartete in Washington der Vorsitzende der chinesischen Kommission zur Bankenregulierung, Liu Mingkang, auf. Vor allem mangelt es Liu zufolge an wirklich grenzüberschreitenden Anstrengungen. Offen sei bislang beispielsweise, wie im Falle des Scheiterns von grenzüberschreitend tätigen Finanzinstituten mit systemischer Bedeutung gehandelt werden solle. Die jetzigen Regelungen enthielten inhärente Anreize für die nationalen Behörden, die eigenen Banken gegenüber ausländischen zu bevorzugen. Eine Harmonisierung der nationalen Regulierungsansätze untereinander sei wahrscheinlich eine „mission impossible“. Liu forderte deshalb ein internationales Abkommen, in dem Regeln für den Informationsaustausch, die Gleichbehandlung von in- und ausländischen Finanzunternehmen und den Einlagenschutz festgelegt werden.

Eine umfassendere Kritik an den Begrenzungen von Basel III lieferte pünktlich zum Auftakt der Jahrestagung die UN-Abteilung für wirtschaftliche und soziale Angelegenheiten (UN-DESA) in ihrem jüngsten Monatsbriefing:

„Trotz ihrer Signifikanz schließen die Maßnahmen keinerlei Schutz gegen andere Bedrohungen der der internationalen Finanzstabilität ein, da sie keine Regulierungen vorsehen, um exzessivem Risikoverhalten im System der „Schattenbanken“ (Investment-Banken, Hedge-Fonds usw.) entgegenzutreten, noch beinhalten sie Vorkehrungen, um die Risiken zu mindern, die von systemisch wichtigen Finanzinstitutionen (‚too big to fail‘) ausgehen.“

7. Oktober 2010

Im Schatten des drohenden Währungskriegs

Der weltwirtschaftliche Aufschwung bleibt hochgradig zerbrechlich und in seinem regionalen Verlauf extrem ungleich. Und: Die Achillesferse der Erholung ist die nach wie vor nicht behobene Instabilität des Finanzsektors mit unbereinigten Bilanzen, fehlenden Regulierungen und der Drohung neuer Schuldenkrisen. So etwa lauten die Botschaften des neuen World Economic Outlooks und des Global Financial Stability Reports, die der Internationale Währungsfonds wie in den letzten Jahren am Vorabend der IWF/Weltbank-Jahrestagung veröffentlicht hat. Angeführt wird die weltwirtschaftliche Erholung von den Schwellenländern in Asien, während die Länder der Eurozone (mit der Ausnahme Deutschlands) das Schlusslicht bilden (s. im Einzelnen die Tabelle; bitte anklicken, um zu vergrößern).


Zugleich moniert der Fonds, dass die Länder zu wenig tun, um die globalen Ungleichgewichte zu korrigieren, so dass Staaten mit hohen Defiziten, allen voran den USA, solche mit gewaltigen Überschüssen, wie China, Deutschland und Japan, gegenüber stehen. In dieser Frage ist der IWF (wie auch die Europäer) in letzter Zeit immer deutlicher auf die Linie der offenen Kritik an der chinesischen Währungspolitik übergegangen und verlangt eine deutliche Aufwertung des chinesischen Yuan gegenüber dem Dollar. Die Chinesen freilich blockieren mit ihrer Intervention in die Währungsmärkte nur einen Aufwertungstrend, gegen den sich auch andere Schwellenländer, von Südkorea über Brasilien bis Thailand heftig zur Wehr setzen (>>> Zeit für koordinierte Kapitalverkehrskontrollen), weil er ihre Exporte beeinträchtigt. Ob es klug ist, so gegen China zu Felde zu ziehen und sich die in den USA verbreitete Sichtweise zu eigen zu machen, an den eigenen wirtschaftlichen Übeln seien primär die anderen Schuld, steht allerdings auf einen anderen Blatt.

Jedenfalls scheinen die neuen Währungsturbulenzen zu dem überragenden Thema der Jahrestagung der Bretton-Woods-Zwillinge an diesem Wochenende (und auch des G20-Gipfels in Seoul im nächsten Monat) zu werden. Inzwischen warnt auch der IWF vor einem neuen Währungskrieg. Doch während die Erkenntnis um sich greift, dass es ein ernsthaftes Risiko eines „Wettlaufs zum Abgrund“ gibt, der vor allem den Welthandel – bislang der Hauptfaktor der globalen Erholung – treffen würde, gibt es im Mainstream kaum ernsthafte Vorstellungen darüber, was dagegen zu tun sei. Der IWF, der die Währungspolitik ja in seinem Namen führt, ist tatsächlich äußerst begrenzt in seinen diesbezüglichen Möglichkeiten. Ein vor der Krise ausgerufenes multilaterales Surveillance-System, um die Ungleichgewichte zurückzuführen („rebalancing“), ist kaum über das Deklarationsstadium hinauszukommen.

Zwar rief in dieser Woche auch das internationale Bankeninstitut IIF zu einer neuen globalen Währungsübereinkunft auf. Fakt ist aber, dass es in Abwesenheit eines internationalen und kooperativen Wechselkursmechanismus‘ gar keine Alternative zum unilateralen Agieren der einzelnen Länder gibt. In dieser Rechnung ist auch ein neuer Handelskrieg eingeschlossen, wie er durch ein neues Gesetz des US-Repräsentantenhauses (gegen die chinesische „Währungsmanipulation“) jetzt vorbereitet wurde. Auch wenn dies noch keine ausgemachte Sache ist – „wir sollten uns auf harte Zeiten vorbereiten“, schreibt der Chef des Genfer South Centres, Martin Khor (>>> USA-China: Am Rande eines Handelskriegs?).