29. Mai 2009

Nächster G20-Gipfel in Pittsburgh

Der nächste G20-Gipfel wird am 24./25. September in Pittsburgh/USA stattfinden. Dorthin hat jetzt US-Präsident Obama die anderen Staats- und Regierungschefs der Gruppe der 20 eingeladen. Die USA hatten sich beim Londoner G20-Gipfel Anfang April bereit erklärt, nächster Gastgeber des Wirtschaftsgipfels zu sein. Die Wahl von Pittsburgh begründet das Weiße Haus damit, dass die Stadt ein Symbol für die Erholung von der Stahlkrise und Pionier bei Investitionen in neue und grüne Technologien sei.

Das Gipfeltiming ist auf die nächste UN-Generalversammlung abgestimmt, zu deren Eröffnungssitzung am 22. September sich zahlreiche Staats- und Regierungschefs ohnehin in den USA aufhalten werden. Ob es aber darüber hinaus – etwa im Rahmen des neuen Multilateralismus, den die Obama-Administration proklamiert – Überlegungen gibt, die ökonomisch-sozialen Aktivitäten der UNO stärker mit dem G20-Rahmen zu verschränken, ist nicht bekannt. Im Rahmen der Vorbereitung des auf den 24.-26. Juni verschobenen UN-Finanzgipfels gibt es allerdings ein Szenarium, den Gipfelprozess über die Einsetzung ministerieller Arbeitsgruppen bis zur nächsten UN-Generalversammlung „offenzuhalten“. Der kommende September dürfte jedenfalls wieder spannend werden.

27. Mai 2009

Aufgeschoben, doch nicht aufgehoben

Der UN-Finanzgipfel, der ursprünglich Anfang nächster Woche, vom 1.-3. Juni, stattfinden sollte, ist gestern von der UN-Vollversammlung einvernehmlich auf den 24.-26. Juni verschoben worden. Dieser Schritt, so der gegenwärtige Präsident der UN-Generalversammlung, Miguel d’Escoto Brockmann, wurde notwendig, um Zeit für ein „positives und nach vorne gerichtetes Outcome-Dokument“ im Konsens zustande zu bringen und damit den Erfolg der Konferenz zu sichern. Auf der Basis des aktuellen Entwurfstextes soll jetzt bis spätestens Montag, den 15. Juni, ein Konsens unter allen 192 Mitgliedsstaaten erzielt werden.

Mit dieser Entscheidung hellen sich die dunklen Wolken über dem UN-Finanzgipfel etwas auf, die sich angesichts eines eskalierenden Streits um Verfahrungsfragen, Eigenmächtigkeiten bei der Vorlage von Verhandlungsvorlagen und einer zögerlichen Haltung der Industrieländer gegenüber einer stärkeren Rolle der UNO in Wirtschafts- und Sozialfragen in den letzten Wochen aufgetürmt hatten (vgl. auch den vorstehenden Gastkommentar von Silke Weinlich).

Ein erfolgreicher Gipfel der „G192“ ist also durchaus wieder möglich. Das ist auch bitter notwendig, dokumentiert das heute in New York vorgestellte Update des UN-Berichts World Economic Situation and Prospects 2009 noch einmal eindrücklich, dass gerade die Entwicklungsländer unverhältnismäßig hart durch die globale Wirtschafts- und Finanzkrise getroffen werden, obwohl sie für diese Krise am wenigsten verantwortlich sind. Beflügelt werden könnte die Gipfelvorbereitung auch durch den Bericht der sog. Stiglitz-Kommission, der jetzt in seiner vollen Länge als vorläufiger Entwurf vorgelegt wurde. Selbst wenn nur einige der weitreichenden Vorschläge des Berichts Eingang in den endgültigen Text der Abschlussdeklaration des UN-Gipfels fänden, wäre dies ein echter Fortschritt, auf den sich aufbauen ließe.

25. Mai 2009

UN-Finanzgipfel: Chance oder Kollateralschaden?

Gastkommentar von Silke Weinlich*)

Vom 1. bis 3. Juni ist in New York bei den Vereinten Nationen eine Konferenz auf Ministerebene zur Wirtschafts- und Finanzkrise und ihren Auswirkungen auf die globale Entwicklung geplant. Angesichts heftiger Konflikte im Vorfeld ist es noch ungewiss, ob es den 192 Mitgliedsstaaten gelingen wird, sich auf eine gemeinsame Abschlusserklärung zu einigen, und wie aussagekräftig solch ein Konsensdokument sein wird. Es steht sogar zur Debatte, ob die Konferenz überhaupt zum geplanten Zeitpunkt stattfinden wird. (Nach einem Vorschlag der derzeitigen Präsidenten der UN-Generalversammlung soll die Konferenz auf den 24.-26. Juni verschoben werden. Eine endgültige Entscheidung soll morgen früh fallen. - RF) Dabei ist es außerordentlich wichtig, dass Industrie- und Entwicklungsländer die UN-Konferenz zu einem guten Ergebnis führen.

Erstens ist ein gemeinsames Vorgehen in der Krise dringend nötig. In einer immer stärker integrierten und vernetzten Welt lassen sich Wohlfahrt und Sicherheit im Norden und Süden weniger denn je getrennt voneinander betrachten. Gleichzeitig sind Entwicklungsländer, ohne selbst zu den Verursachern zu zählen, am stärksten von der Krise betroffen und können ihre Folgen alleine nur unzureichend abfedern. Zweitens würde eine nichtssagende Abschlusserklärung oder gar ein Scheitern der Konferenz der UN erheblichen Schaden zufügen. Mittel- und langfristig bieten aber auch neue Institutionen wie die G20 der Industrie- und Schwellenländer keine Alternative zur Inklusivität und Legitimität der UN. Sie können nur gemeinsam mit ihr Pfeiler einer effektiven und legitimen Global-Governance-Architektur bilden. Drittens sind viele der auf den New Yorker Verhandlungstischen liegenden Vorschläge innovativ und könnten der Welt nützliche Werkzeuge an die Hand geben, die nicht nur bei der Bewältigung der gegenwärtigen, sondern auch der Prävention zukünftiger Krisen helfen könnten. Hier handelt es sich z. B. um die Einrichtung eines International Panel on Systemic Risks in the Global Economy, das den globalen wissenschaftlichen Sachverstand in Bezug auf Zukunftsrisiken wie Pandemien, Klimawandel oder Nahrungsmittelknappheit bündeln und deren Ursachen, Wechselwirkungen und mögliche Auswirkungen auf die Weltwirtschaft und globale Entwicklung analysieren würde. Andere Vorschläge beinhalten die Einrichtung einer neuen Kredit-Faszilität zur kurzfristigen Mobilisierung von zusätzlichen Geldern für Entwicklungsländer, die Schaffung eines weltweiten Reservesystems, oder die Einrichtung eines globalen Wirtschaftsrats unter dem Dach der UN.

Die bevorstehende UN-Konferenz wurde auf der Folgekonferenz zur Entwicklungsfinanzierung in Doha im Herbst letzten Jahres gegen den Widerstand einiger Industrieländer beschlossen. Ihre inhaltliche Grundlage bilden neben Berichten des Generalsekretärs und von UN-Institutionen auch die jüngst veröffentlichten Empfehlungen der „Stiglitz-Kommission“, die 2008 vom Präsidenten der Generalversammlung einberufen worden ist. Diese Expertenkommission unter dem Vorsitz von Nobelpreisträger Joseph Stiglitz, der auch Bundesministerin Wieczorek-Zeul angehört, hat umfassende Vorschläge zur Reform des internationalen Währungs- und Finanzsystems erarbeitet.

Schwerwiegende inhaltliche Differenzen haben bislang die Konferenzvorbereitung geprägt und wurden ungewöhnlich intensiv auch über Verfahrensfragen ausgetragen. Auf der Oberfläche verlaufen die Konfliktlinien zwischen den Entwicklungs- und den Industrieländern, obwohl bei genauerer Betrachtung die Lager weniger klar sind. Die Industrieländer stellen die Bewältigung der aktuellen Krise in den Vordergrund und legen dabei einen Schwerpunkt auf die entwicklungspolitische Dimension. Sie sind darum bemüht, neue Finanzzusagen zu vermeiden und eine weiterreichende Rolle der Vereinten Nationen in Wirtschafts- und Sozialfragen (jenseits von Entwicklungspolitik) zu verhindern. Gleichzeitig wollen sie die G20-Beschlüsse zur Finanzkrise von der UN absegnen lassen.

Einige Entwicklungsländer unter der Führung der ALBA-Gruppe (die 2001 vom venezolanischen Staatspräsidenten Chavez lancierte „Bolivarianische Alternative für Amerika“) versuchen hingegen, die Vereinten Nationen umfassend aufzuwerten. Sie identifizieren das weltweit vorherrschende Wirtschafts- und Sozialmodell als Hauptursache der gegenwärtigen Krisen und wirken auf ein radikales Umsteuern auf globaler Ebene hin. Diese Haltung wird besonders deutlich im ersten Entwurf des Abschlussdokuments, das der Präsident der Generalversammlung, der nicaraguanische Politiker, Diplomat und katholische Priester Miguel d’Escoto Brockmann, am 8. Mai vorgelegt hat. (Inzwischen liegt eine neuer Entwurf vor.- RF) Dieser Entwurf ist von den Industriestaaten – nicht zuletzt wegen gravierender Verfahrensfehler – nicht als Verhandlungsgrundlage akzeptiert worden. NGOs hingegen begrüßten, dass der Entwurf ähnlich den Empfehlungen der „Stiglitz-Kommission“ viele ihrer Forderungen aufgenommen habe, ja sogar über sie hinausgehe.

Die Intensität, mit der dieser Konflikt ausgetragen wird, muss vor dem Hintergrund der Machtverschiebungen im internationalen System interpretiert werden. Die vom bisherigen Krisenmanagement weitgehend ausgeschlossenen rund 170 Nicht-G20 Staaten fordern Mitsprache und berufen sich dabei darauf, selbst Hauptleidtragende der Krise zu sein. Obwohl innerhalb der Entwicklungsländergruppe immer weniger von einer einheitlichen Interessenlage die Rede sein kann, positionieren sich die Staaten des Südens nach außen hinter den polarisierenden Anführern. Damit tragen sie zu einer Verhärtung der Fronten bei und bestärken die Industrieländer in deren Überzeugung, dass die UN für die Behandlung von Wirtschafts- und Finanzfragen ungeeignet ist. Diejenigen Schwellenländer, die auf dem Finanzgipfel am 20. April in London mit am Tisch saßen und eine Vermittlerrolle einnehmen könnten, wirken im VN-Kontext der Nord-Süd-Polarisierung nicht offen entgegen. Dass sich die Auseinandersetzung zwischen Industrie- und Entwicklungsländern in der UN weiter radikalisiert – bei gleichzeitigem Stillhalten der Schwellen- und der kleineren Entwicklungsländer – ist demnach ein durchaus mögliches, wenngleich auch bedrückendes Szenario. Gelähmt und im Finanz- und Wirtschaftsbereich noch weiter marginalisiert würde die UN zum Kollateralschaden der Bemühungen zur Beilegungen der aktuellen Krisen. Dabei liegt eine starke Weltorganisation auch jenseits ihrer unersetzlichen Rolle als globalem Normen- und Standardsetzer im Interesse aller Staaten: Die G20 bedürfen einer legitimatorischen Absicherung; die Entwicklungsländer profitieren vom souveränen Gleichheitsgrundsatz, von technischer Hilfe und Mitsprache; und auch diejenigen Industrieländer, die bei G20-Entscheidungsprozessen außen vor sind, können in der UN ihre Positionen einbringen.

Mit Optimismus ist jedoch auch das Gegenteil, also eine durch die Krise angeregte positive Wendung, für die UN denkbar. Die Obama-Administration steht den Vereinten Nationen deutlich aufgeschlossener gegenüber als die Vorgängerregierung, was große Chancen birgt für eine Verbesserung der konfliktgeladenen Stimmung innerhalb der Organisation. Die G20-Staaten wären gut beraten, den Wert der UN als unverzichtbaren Kern des Multilateralismus zu erkennen, und sich für ihre Stärkung – mithin für Reformen – einzusetzen. Dabei könnten sie als konstruktive Brücke zwischen Nord und Süd fungieren. Die Konferenz zur Finanz- und Wirtschaftskrise und ihren Folgen für die globale Entwicklung wäre dabei ein guter Auftakt. Deutschland sollte darauf dringen, dass die UN auch in den kommenden Monaten als Diskussionsforum für Maßnahmen zur Beilegung der Krisen genutzt wird (Follow-Up Prozess). Deutschland sollte sich bei den europäischen Partnern ebenso wie bei Japan und den USA für konkrete Zugeständnisse einsetzen. Die bereits vereinbarten Ziele für die Öffentliche Entwicklungszusammenarbeit (Official Development Assistance ODA) von 0,7 % des Bruttonationaleinkommens dürfen – auch wenn die Zielerreichung derzeit fraglich erscheint – nicht zum Verhandlungsgegenstand werden, sondern müssen vielmehr Ausgangspunkt aller weiteren Erwägungen darstellen.

*) Die Autorin ist Mitarbeiterin des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik in Bonn.

Hinweis: Zum UN-Finanzgipfel ist ein neuer W&E-Hintergrund erschienen, der zugleich eine neue Serie "Globale Krise und Entwicklungspolitik eröffnet: >>> W&E-Hintergrund Mai 2009

11. Mai 2009

Lateinamerika: Die Bank des Südens steht

Der seit langem anvisierten Banco del Sur (“Bank des Südens”) steht nicht mehr im Wege. Die Wirtschaftsminister Argentiniens, Boliviens, Brasiliens, Ekuadors, Paraguays, Uruguays und Venezuela erreichten am letzten Freitag in Buenos Aires eine Einigung über die Satzung der neuen multilateralen Bank, die sich als regionale Alternative zu Institutionen wie der Weltbank oder dem Internationalen Währungsfonds (IWF) versteht. Die seit 2007 diskutierte Satzung soll jetzt schnell von den Parlamenten der Mitgliedsstaaten ratifiziert werden, sagte der Brasilianische Wirtschaftsminister Guido Mantega.

Die Banco del Sur steht für die neuen Linkstendenzen in Lateinamerika und ist gerade angesichts der derzeitigen, vom Norden ausgelösten Finanzkrise ein wichtiges Signal für die Bestrebungen nach ökonomischer Unabhängigkeit auf dem Subkontinent. Auch die Governance-Strukturen der neuen Südbank sollen sich deutlich von denen der Bretton-Woods-Institutionen abheben. So hat jedes Mitgliedsland eine gleiche Stimme im Vorstand, auch wenn die Projekte, zunächst im Wert von 70 Mio. Dollar, vornehmlich von den wirtschaftlich stärkeren Mitgliedsländern Venezuela, Brasilien und Argentinien finanziert werden.

Das Treffen in Buenos Aires war das letzte Treffen auf Ministerebene, auf dem es um die Details der künftigen Operationen der Bank ging. Das nächste, noch für Mai geplante Treffen soll auf der Ebene der Staats- und Regierungschefs stattfinden und der förmlichen Gründung der neuen Institution dienen. Die Banco del Sur wird über ein Startkapital von 7 Mrd. Dollar verfügen, von denen Argentinien, Brasilien und Venezuela jeweils 2 Mrd. beisteuern. Weitere 400 Mio. Dollar kommen von Ekuador und Uruguay, während Bolivien und Paraguay jeweils 100 Mio. Dollar einzahlen.

7. Mai 2009

Löchrig wie ein Schweizer Käse

Das Netzwerk für Steuergerechtigkeit hat den Regierungsentwurf für ein Gesetz zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung, der heute im Deutschen Bundestag beraten wird, als „löchrig wie ein Schweizer Käse“ kritisiert. Es sei zwar wichtig, dass die Möglichkeiten internationaler Steuerhinterziehung auch durch nationale Gesetzgebung energisch bekämpft werden, betont Misereor-Sprecher Georg Stoll, der gleichzeitig Vorstandsmitglied im internationalen Tax Justice Network ist. Der vorliegende Entwurf sei jedoch viel zu schwach, um das Geschäftsmodell der Steueroasen ernsthaft zu bedrohen.

Der Gesetzesentwurf des Bundesfinanzministeriums wurde von der Unionsfraktion erst nach deutlichen Abschwächungen als Regierungsentwurf akzeptiert. Er soll Steuerentlastung von erweiterten Nachweis- und Mitwirkungspflichten abhängig machen, wenn die Steuerpflichtigen über Steueroasen operieren, die den deutschen Steuerbehörden keinen Zugang zu steuerrelevanten Informationen gewähren. Als Maßstab dafür wird der OECD-Standard über den Informationsaustausch in Steuerangelegenheiten angelegt. „Der entscheidende Schwachpunkt des Entwurfs wie auch des OECD-Standards liegt darin, dass Steuerinformationen nur angefragt werden können, wenn schon konkrete Informationen über einen Steuerflüchtling und seinen Zielort bekannt sind. Damit kommt man aber dem systematischen Versteckspiel der Steueroasen nicht bei. Wir benötigen einen automatischen Informationsaustausch zwischen Steuerbehörden. Ein Fall wie Zumwinkel wäre dann viel früher aufgeflogen – oder erst gar nicht entstanden“, meint Stoll.

Außerdem komme in der aktuellen Debatte die internationale Dimension zu kurz. Gerade Entwicklungsländer hätten unter der Steuerhinterziehung wohlhabender Bürger und internationaler Unternehmen besonders zu leiden. Notwendig sei ein starkes internationales Abkommen mit
automatischem Informationsaustausch.