27. November 2015

Vor Paris: Klimaschutz - Ein Business-Plan?

Während sich die USA und auch die EU auf ein klares Nein zur Aufnahme des Themas „Loss and damage“ in das neue Klimaabkommen festgelegt haben, kommt die Weltbank mit einem „Business Plan“ nach Paris, der Afrika widerstandsfähiger gegen die Folgen des Klimawandels machen soll (>>>Accelerating Climate-Resilient and Low-Carbon Development: The Africa Climate Business Plan). Zwischen beiden Positionen gibt es einen Zusammenhang, und beides zeigt erneut, dass der Klimagipfel (COP21), der am Montag in Paris beginnt, unter keinem guten Stern steht (>>> Die Tabus der internationalen Klimaverhandlungen).


Das Nein zu „Loss and damage“, also zu Kompensationszahlungen an den Süden, vor allem an die ärmsten Länder, für die aus dem Klimawandel resultierenden Verluste und Schäden, zeigt, dass sich der Norden nach wie vor mit Macht gegen einen wirklichen Nord-Süd-Ausgleich im Rahmen eines Klimadeals sperrt. Dass die Weltbank mit einem „Business Plan“, in dessen Mittelpunkt der Stärkung der Resilienz steht, daher kommt, verweist darauf, wie wenig von dem Gerede zu halten ist, man wolle wirklich ein „ambitioniertes“ Klimaabkommen erreichen. Statt den Klimawandel zu stoppen, verortet sich der Weltbank-Plan im Kontext der Bemühungen zur Unterstützung des Südens bei der Anpassung an den Klimawandel. Dass er dies unter dem Motto der Stärkung der Widerstandsfähigkeit tut, ist ein weiteres Indiz dafür, wie das Resilienz-Konzept nach und nach an die Stelle des Konzepts der Nachhaltigen Entwicklung tritt. (Dies hat in einem sehr lesenswerten Aufsatz kürzlich Thomas Gebauer in den blättern des iz3w als jüngsten Trend der Entwicklungspolitik dargestellt.)

Tatsächlich kommt in dem neuen „Business Plan“ der Weltbank der Begriff „Nachhaltige Entwicklung“ kaum vor, dafür dominiert der Resilienz-Begriff. Der Plan identifiziert rund ein Dutzend prioritäre Bereiche in drei Clustern, in denen die Resilienz der afrikanischen Länder gegen den Klimawandel gestärkt, ausgebaut und vermittelt werden soll. Dabei hält die Bank bereits eine Erwärmung der Erdatmosphäre gegenüber dem vorindustriellen Niveau von 1,5-1,75° C für unvermeidbar, zieht aber auch eine Erwärmung von 2 oder gar 4°C als möglich in Erwägung. Je nachdem, welches Szenario eintritt, müsse für den „Business Plan“ 16 Mrd., 20-50 Mrd. oder sogar 100 Mrd. Dollar bis zur Mitte des Jahrhunderts mobilisiert werden.

Nun wäre gegen die Stärkung der Widerstandsfähigkeit gegen die in der Tat drastischen Folgen des Klimawandels in Subsahara-Afrika (vom Verlust von Ackerland, rückläufiger Nahrungsmittelproduktion, zunehmender Hunger, Wetterextreme wie Hitze und Dürren etc.) nichts einzuwenden, spiegelte sich in solchen Plänen nicht auch das Abrücken von einem ernsthaften Kampf gegen den Klimawandel zugunsten des bloßen Überlebenskampfs angesichts nicht mehr abzukehrender Umweltveränderungen. Die Weltbank wäre nicht die Weltbank, würde sie ihren neuen Plan, der vornehmlich internationales Geld in die Töpfe ihres eigenen institutionellen Netzwerks lenken soll, nicht auch als Beitrag zur Erreichung ihrer eigenen Unternehmensziele rühmen, nach denen der Anteil der Klimafinanzierungen am eigenen Portfolio bis zum Jahr 2020 um ein Drittel steigen soll – und damit natürlich auch das politische Gewicht der Weltbank im Geberkonzert überhaupt.

24. November 2015

Das Risiko neuer Schuldenkrisen

Externe Verschuldung in Mrd. Dollar, 1980-2013
Die Risiken einer neuen Schuldenkrise stehen im Mittelpunkt der derzeit in Genf tagenden 10. Schuldenmanagement-Konferenz der UN-Konferenz für Handel und Entwicklung (UNCTAD).  Die Organisatoren hätten sich kaum einen besseren Zeitpunkt aussuchen können, ist ein wachsender globaler Schuldenberg doch ein entscheidender Faktor der hohen Fragilität der Weltwirtschaft. Während Woche für Woche neue alarmierende Meldungen über nicht-nachhaltige Verschuldungsniveaus in Schwellen- und Entwicklungsländern aufhorchen lassen, hat die globale Gesamtverschuldung inzwischen (2014) 199 Billionen Dollar erreicht (gegenüber 21 Mrd. Dollar 1984 zur Zeit der ersten Schuldenkrise).


Zwar haben sich die externen Verschuldungsindikatoren in vielen armen Ländern während des ersten Jahrzehnts nach dem Jahr 2000 verbessert, doch werden die inzwischen wieder steigenden externen Schulden in einer Zeit fallender Rohstoffpreise und steigender Zinssätze, von Währungsabwertungen und einer Verlangsamung des globalen Wachstums schwerer zu bedienen sein. Anlass zu besonderer Sorge sind stark verschuldete Privatunternehmen in den Emerging Markets, deren Niveau insgesamt über 18 Billionen Dollar erreicht hat, wobei rund 2 Billionen in ausländischer Währung anfallen.

Wie andere Beobachter geht UNCTAD deshalb davon aus, dass das Risiko neuer öffentlicher Schuldenkrisen durchaus real ist: Denn Finanzkrisen, die ihren Ursprung im privaten Sektor haben, münden gewöhnlich in eine öffentliche Überschuldung und eine längere Periode wirtschaftlicher und sozialer Probleme. Schätzungen variieren zwar, doch eine kürzliche Studie des IWF stellt fest, dass eine solche Krise 5-10% des Wachstums vernichtet und der Output nach acht Jahren immer noch um 10% unter dem normalen Trendwert liegt.

Neben der Gefahrenbewertung spielt auf der Konferenz das Problem eine große Rolle, dass es bislang keinen umfassenden Mechanismus für den Umgang mit souveränen Schuldenkrisen gibt. UNCTAD spielt hier eine besondere Rolle aufgrund ihrer Arbeit an einem neuen internationalen Insolvenzmechanismus für Staaten und an besseren vertraglichen Ansätzen zur Refinanzierung von Schulden. Bemerkenswert war in diesem Zusammenhang die Hauptrede über eine „neue internationale Architektur des Schuldenmanagements“, die der irische Präsident Michael Higgins gestern zur Eröffnung hielt. „Die Schuldenfrage ist viel zu wichtig“, so Higgins, „als dass man sie der Weltbank oder dem IWF überlassen könnte. Das Management der Schulden heute und in der Zukunft geht uns alle an…“ – Wir können uns in der Tat nicht erlauben, dass das erneut verschärfte Schuldenproblem den mit der Agenda 2030 angestrebten Neuanfang der internationalen Entwicklungspolitik durchkreuzt.

23. November 2015

Terrorismus - Die Verantwortung des Westens

Jeffrey D. Sachs, Leiter des Earth Institute an der Colombia University und Sonderberater des UN-Generalsekretärs, ist immer für eine Überraschung gut. Vom Verfechter einer rigorosen Privatisierungspolitik nach dem Ende der Sowjetunion wurde er zum engagierten Verfechter nachhaltiger Entwicklung. Seit geraumer Zeit lenkt er die Aufmerksamkeit auf die Verantwortung des Westens im Kontext des internationalen Terrors. Sein jüngster Kommentar: "Terroranschläge auf Zivilisten sind Verbrechen gegen die Menschlichkeit und zwar ungeachtet, ob es sich um dabei um den Absturz eines russischen Flugzeugs über der Halbinsel Sinai mit 224 zivilen Todesopfern oder um die entsetzlichen Massaker von Paris handelt, denen 129 unschuldige Menschen zum Opfer fielen oder um die tragischen Bombenanschläge von Ankara, bei denen 102 Friedensaktivisten getötet wurden. Die Täter – in diesem Fall der Islamische Staat (ISIS) – müssen gestoppt werden. Um dieses Ziel zu erreichen, muss man die Ursprünge dieses skrupellosen Dschihadisten-Netzwerks verstehen. 

So schmerzvoll dieses Eingeständnis auch sein mag, aber der Westen, insbesondere die Vereinigten Staaten, sind in hohem Maße für die Schaffung jener Bedingungen verantwortlich, in denen ISIS gedieh. Nur mit einer Änderung der amerikanischen und europäischen Außenpolitik gegenüber den Nahen und Mittleren Osten wird man die Gefahr weiterer Terroranschläge reduzieren können. 
 
Die jüngsten Attacken sollten als „Blowback-Terrorismus“ verstanden werden: als entsetzliche, unbeabsichtigte Folge wiederholter verdeckter und offener Militäraktionen der USA und Europa im gesamten Nahen und Mittleren Osten, in Nordafrika, am Horn von Afrika und in Zentralasien, die darauf abzielten, Regierungen zu stürzen und mit westlichen Interessen kompatible Regime zu installieren. Diese Operationen haben nicht nur die Zielregionen destabilisiert und großes Leid verursacht, sondern auch die Menschen in den USA, der Europäischen Union, Russland und im Nahen Osten einer beträchtlichen Terrorgefahr ausgesetzt...
 

19. November 2015

Von Antalya nach Hangzhou: Welche Zukunft hat die G20?

Es ist nichts Neues, dass die Themen eines Wirtschaftsgipfels durch aktuelle politische Krisen überdeckt werden. Doch noch nie haben politische Erschütterungen die offizielle Agenda so stark in den Hintergrund gedrängt, wie die brutalen Terroranschläge von Paris auf dem G20-Gipfel Anfang dieser Woche. Man mag argumentieren, angesichts der schnöden Wachstumsagenda der türkischen G20-Präsidentschaft sei dies halb so schlimm. Und unter dem Druck der Pariser Ereignisse sei wenigstens der seit der australischen Präsidentschaft im letzten Jahr klaffende Spalt innerhalb der G20 wieder etwas geschlossen worden. Doch dies bliebe unbefriedigend angesichts der Bedeutung eines Gremiums, das sich selbst zum Hauptforum der internationalen wirtschaftlichen Zusammenarbeit ernannt hat.


Der Gipfel von Antalya stand schon angesichts des kurz zuvor vor dem Hintergrund einer martialischen Drohkulisse errungenen Wahlsiegs der Gastgeber unter einem schlechten Stern. Das Thema „Kampf gegen den Terrorismus“ war zwar – sinnigerweise zusammen mit der Flüchtlingskrise – für das zweite Arbeitsessen der Gipfelteilnehmer eingeplant. Doch die wirtschafts- und finanzpolitische Agenda der G20 war schon seit geraumer Zeit zerfleddert, wie auch das in Antalya verabschiedete „Leader’s Communiqué“ mit seinen dutzenden von Annextexten wieder deutlich machte. In der Substanz gelang es gerade einmal, den von der OECD erarbeiteten Aktionsplan gegen Gewinnverlagerung und Steuervermeidung (BEPS) zu verabschieden – ein Dokument mit einigen Fortschritten, aber vielen weißen Flecken (>>> Bauchlandung statt Systemwechsel). Zur tatkräftigen Bearbeitung der heraufziehenden neuen Schuldenkrise der Schwellenländer reichte die Kraft zu nicht mehr (geschweige denn zu Anstößen in der Klimapolitik, die ohnehin nie zu Kerngeschäft der G20 gehörte).

Dabei ist die private Verschuldung in den Schwellenländern inzwischen höher als in den Industrieländern vor Ausbruch der Finanzkrise. Sieben Billionen Dollar sollen seit Beginn der lockeren Geldpolitik in den USA auf der Suche nach lukrativen Anlagefeldern in die Schwellenländer geflossen sein. Und die „Hebelung“ dieser Summen hat zu Schuldenbergen geführt, deren wirkliche Höhe kaum noch zu messen ist. Da aus privaten Schulden sehr schnell öffentliche Schulden werden können, wenn die Krise eklatiert, wäre die Suche nach adäquaten Regeln für staatliche Insolvenzfälle eine erstrangige Aufgabe für die G20. Doch Fehlanzeige. Ein Lichtblick ergab sich dagegen außerhalb der G20-Strukturen durch das grüne Licht für die Aufnahme des Renminbi in den Währungskorb der Sonderziehungsrechte (SZR) durch den IWF. Dies und der Übergang der G20-Präsidentschaft an China am kommenden 1. Dezember dürften dazu beitragen, die Volksrepublik stärker in die Strukturen der ökonomischen Global Governance einzubeziehen.

Auf genau dieser Linie liegt auch das Programm, das Chinas Staatschef Xi Jinping in Antalya andeutete. Der nächste G20-Gipfel wird am 4./5. September 2016 in Hangzhou in der ostchinesischen Provinz Zheijang stattfinden. Sein Thema „Building an innovative, invigorated, interconnected and inclusive world economy“ (etwa: Aufbau einer innovativen, starken, miteinander verbundenen und inklusiven Weltwirtschaft). Das klingt anders als das blasse „Together for inclusive and robust growth“ der türkischen Präsidentschaft mit dem unglaubwürdigen Zusatz „With the power of women“. Tatsächlich sagte Xi in Antalya, man wolle sich auf neue, innovative Wachstumsmuster, die Verbesserung der finanziellen und wirtschaftlichen Governance, die Förderung von Handel und Investitionen sowie einer inklusiven Entwicklung konzentrieren.

„Wir müssen die Vertretung und die Stimme der Schwellen- und Entwicklungsländer (in der Global Governance) ebenso stärken wie die Fähigkeit der Weltwirtschaft, Risiken zu widerstehen“, so Xi wörtlich, nicht ohne offene Kritik an der Blockade der Reform von IWF und Weltbank durch die USA hinzuzufügen. – Unter einer solchen Agenda, sofern sie konsequent durchbuchstabiert und durchgehalten wird, könnte die G20 sehr wohl zu ihren Kernaufgaben zurückfinden. Hoffen wir also, dass die Zukunft der G20 noch vor uns liegt.

14. November 2015

G20 in Antalya: Der Gipfel; die zehnte

In seiner regulären Umfrage vor dem 10. G20-Gipfel, der am 15./16. November in Antalya/Türkei stattfindet, hat der Internationale Gewerkschaftsbund (IGB; engl.: ITUC) herausgefunden, dass es für acht von zehn ArbeitnehmerInnen in den G20-Staaten für den Lebensstandard ihrer Familien von großer Bedeutung wäre, wenn sie monatlich 100 Dollar mehr Gehalt bzw. Lohn bekämen – ein Blickpunkt auf die wachsende Ungleichheit in der Welt. Mehr „Inklusivität“ steht zwar auf dem Programm des Gipfels in der Türkei – im Wesentlichen geht es jedoch um Wachstum, schieres Wachstum, nicht einmal „Wachstum mit Umverteilung“, wie ein altes Schlagwort aus der entwicklungspoltischen Debatte lautet.


Seit zwei bis drei Jahren haben sich die G20 jetzt auf die Fahnen geschrieben, das schleppende Wachstum der Weltwirtschaft anzuschieben. Doch seit 2012 korrigiert der IWF seine Wachstumsprognosen nun nach unten, zuletzt – im Oktober 2015 – prognostizierte er gerade nochmal 3,1% weltweit. Dieses soll sich nach einer neuen IWF-Note an den G20-Gipfel allerdings im nächsten Jahr auf 3,6% erhöhen, aber nur, wenn die Risiken der weltwirtschaftlichen Entwicklung erfolgreich gesteuert werden – sonst könnte das Wachstum erneut entgleisen. Diese Risiken sind – der IWF-Note zufolge – die anstehende Zinserhöhung durch die US-Notenbank, der Übergang Chinas zu einem neuen Wachstumsmodell (vom Export zum Binnenkonsum) und der zu Ende gehende Superzyklus hoher Rohstoffpreise.

Eine herausragende Rolle in der Wachstumsagenda der G20 spielt die Förderung der Infrastruktur – das ist gar nicht mal so falsch – doch die Form, in der das geschieht, ist mehr als problematisch. So propagieren die Weltbank und die OECD in Papieren für die G20 vor allem Öffentlich-Private Partnerschaften (PPP) als Königsweg der Infrastrukturförderung. Dabei werden öffentliche Finanzmittel als „Hebel“ eingesetzt, um private Investitionen zu mobilisieren – allerdings mit beträchtlichen Risiken für die öffentliche Hand, wie eine Studie des Eurodad-Netzwerks nachweist: Gehen die Projekte schief, bleibt der Staat meistens auf den Kosten sitzen – bis hin zur Übernahme der privaten Schulden in die öffentlichen Verbindlichkeiten.

Der Aufgabenberg des Antalya-Gipfels geht allerdings weit über die Wachstumsagenda hinaus, wie sich an den geplanten Arbeitsessen der Chefs ablesen lässt: Am ersten Gipfeltag geht es um Entwicklungsfragen und Klimawandel sowie um „Globale Herausforderungen: Terrorismus und Flüchtlingskrise. Am zweiten Tag stehen dann die G20-Kernthemen Finanzregulierung, internationale Steuern, Anti-Korruption und IWF-Reform auf der Tagesordnung sowie eine „Resilienz-Sitzung“, die sich mit Handels- und Energiefragen befassen soll. Eine Mammut-Agenda fürwahr, aber es bleibt abzuwarten, ob es wesentliche Ergebnisse geben wird.

Das wichtigste Gipfelereignis ist vielleicht die Präsentation des chinesischen Präsidenten Xi Jinping zum Abschluss. China wird im Dezember die G20-Präsidentschaft für 2016 übernehmen – eine Perspektive, mit der vielleicht wieder etwas Leben in die Bude kommt, die vor sieben Jahren so hoffnungsvoll eröffnet wurde, aber dann nach und nach den aufbrechenden Interessengegensätzen anheimfiel (>>> W&E-Hintergrund März-April2015: G20 zwischen Geopolitik und Finanzregulierung).

13. November 2015

Staateninsolvenz: Jetzt nur noch das System aufbauen

Gastblog von Joseph Stiglitz und Martin Guzman


Jedes entwickelte Land verfügt über ein Insolvenzrecht, doch es fehlt an einem entsprechenden Rahmenwerk für staatliche Kreditnehmer. Dieses rechtliche Vakuum ist durchaus von Bedeutung, denn es kann eine Volkswirtschaft zum Erliegen bringen, wie derzeit in Griechenland und Puerto Rico zu beobachten ist.

Im September setzten die Vereinten Nationen einen bedeutenden Schritt, um diese Lücke zu füllen und verabschiedeten eine Reihe von Prinzipien zur Restrukturierung von Staatsschulden. Neun Grundsätze – nämlich das Recht des Staates, eine Restrukturierung in Gang zu setzen, staatliche Immunität, Gleichbehandlung von Gläubigern, Restrukturierung durch (Super-) Mehrheitsentscheidung, Transparenz, Unparteilichkeit, Legitimität, Nachhaltigkeit und Verhandlungen in Treu und Glauben  - bilden dabei das Rückgrat wirksamer internationaler Rechtsstaatlichkeit.
 
Die überwältigende Unterstützung für diese Prinzipien – 136 UNO-Mitglieder stimmten dafür und nur sechs (angeführt von den Vereinigten Staaten) dagegen – zeugt von der weltweiten Einigkeit hinsichtlich der Notwendigkeit, Schuldenkrisen zügig zu lösen. Der nächste Schritt – nämlich die Ausarbeitung eines internationalen Vertrags über ein globales, für alle Länder verbindliches Insolvenzregime – könnte sich schwieriger gestalten...

... die Fortsetzung des Kommentars findet sich >>> hier.

Migrationsgipfel in Valletta: Tauschhandel mit ungedeckten Schecks

Eindringlich warnten entwicklungspolitische NGOs vor dem Migrationsgipfel von Valletta, die Entwicklungs-zusammenarbeit der EU und ihrer Mitgliedsländer dürfe nicht als Druckmittel für die Kooperation beim Grenzmanagement und der Rückführung von Flüchtlingen und Migranten missbraucht werden. „Es darf keine faulen Deals auf Kosten von Flüchtlingen geben.“ (VENRO) Tatsächlich ist die Übereinkunft, die gestern auf dem EU-Afrika-Gipfel in Villetta/Malta betroffen wurden, genau das: ein fauler Deal. Wie weit er auf Kosten von Flüchtlingen geht, ist zwar noch offen, da auf Drängen der Afrikaner eine Präferenz für „freiwillige Rückkehr“ in die Abschlusserklärung geschrieben wurde. Aber das zugleich verabschiedete Aktionsprogramm folgt genau dem Prinzip „Mehr Finanzhilfe gegen die Rücknahme unerwünschter afrikanischer Flüchtlinge aus Europa“.


Es wird gesagt, die Beschlüsse stellten den „kleinsten gemeinsamen Nenner“ zwischen der EU und der Afrikanischen Union dar. Die Afrikaner wollten im Gegenzug zu ihrer Bereitschaft, Flüchtlinge zurückzunehmen, mehr legale Zuwanderungsmöglichkeiten für Afrikaner nach Europa. Letztlich bleibt es aber jedem EU-Mitgliedsland selbst überlassen, wie viel legale Zuwanderung es gestattet. Der beschlossene „Treuhandfonds“ mit 1,8 Mrd. € aus dem EU-Haushalt kommt zwar zusätzlich zu den bisherigen 20 Mrd. € Entwicklungshilfe der EU für Afrika, ist aber klar als Instrument des Migrationsmanagements konzipiert. Er soll durch Beiträge der Mitgliedsländer auf das Doppelt erhöht werden, davon aber sind bislang lediglich gut 70 Mio. € zugesagt.

Dabei soll der Fonds einen schier unübersehbaren Aufgabenkatalog bedienen: neue Beschäftigung für junge Männer und Frauen schaffen, Klein- und Kleinstunternehmen fördern, die Nahrungsmittel- und Gesundheitsversorgung verbessern, die „Migrationssteuerung“ verbessern und auch freiwillige oder abgeschobene Rückkehrer aus Europa wieder eingliedern, und das in 23 Ländern, von Burkina Faso bis Tschad, von Äthiopien bis Uganda, von Ägypten bis Tunesien. Mit Ursachenbekämpfung hat dies allenfalls am Rande zu tun, wohl aber mit dem Versuch, Flüchtlinge von Europa möglichst fernzuhalten. Am Rande sei bemerkt: In der Türkei, über die nach dem Afrika-Gipfel beraten wurde, will sich die EU die Flüchtlingsabwehr rund 3 Mrd. € kosten lassen (vornehmlich zur schärferen Überwachung der Grenzen und zum Bau von Flüchtlingslagern).

EU-Parlamentspräsident Schulz gab derweil zum Besten, die EU-Entwicklungshilfe sei selbstverständlich an „Good Governance“ in den Zielländern geknüpft. Unter den Kandidaten des neuen Treuhandfonds sind aber u.a. folgende Länder mit drastischen Menschenrechtsverletzungen: Eritrea, Sudan, Uganda und Libyen. Der Präsident des Niger, Mahamadou Isoufou, kritisierte in Valletta hingegen nicht nur die mangelhafte Ausstattung des Fonds, sondern das System der Entwicklungshilfe überhaupt: „Was wir wollen, ist nicht nur öffentliche Entwicklungshilfe in dieser Form, sondern Reform der Global Governance.“ Vor allem der Welthandel müsse fairer werden. Hier hat die EU in der Tat auch nach Valletta noch viel zu tun.