16. Februar 2017

G20-Aussenminister in Bonn: Im Zeichen der Nachhaltigkeitsagenda?

Es ist bemerkenswert, dass die deutsche G20-Präsidentschaft neben der Zusammenarbeit mit Afrika sowie Krisenprävention und Friedenspolitik die 2030-Agenda 2030 für Nachhaltige Entwicklung zum ersten Schwerpunkt des Außenministertreffens, das heute und morgen in Bonn stattfindet, erklärt hat. Bemerkenswert, weil entwicklungspolitische Themen – ganz anders als Sicherheitspolitik – in der Regel nicht hoch oben auf der außenpolitischen Themenliste stehen. Doch die Schwerpunktsetzung passt auch zu dem Motto „Gestaltung globaler Ordnung – Außenpolitik jenseits des Krisenmanagements“, unter dem das Treffen der Außenminister steht.

Zeitgleich zu dem Treffen hat der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) ein neues Sondergutachten übergeben. Es hat den Titel „Entwicklung und Gerechtigkeit durch Transformation: Die vier großen I“ (Investitionen, Innovationen, Infrastrukturen und Inklusion). Konkret empfiehlt der WBGU, dass die G20-Staaten sich darauf einigen, ihre CO2-Emissionen bis 2050 auf Null abzusenken und sich gegen riskante Technologien der Klimamanipulation auszusprechen. Zur Umsetzung der Nachhaltigkeits- und Klimaschutzziele sollten sie transformative Staatsfonds (Zukunftsfonds) einrichten, die sich aus einer Bepreisung von CO2-Emissionen und aus einer neuen Form der Erbschaftssteuer speisen. Zudem sollte die Transformation zur Nachhaltigkeit genutzt werden, um die soziale und wirtschaftliche Ungleichheit zu senken, also die Inklusion innerhalb der Gesellschaften, wie auch global voranzubringen – sie kann so zum Gerechtigkeitsprojekt werden. Auch hierfür könnten die Zukunftsfonds eingesetzt werden.

Das sind sicher gute Vorgaben für ein Außenministertreffen, ebenso wie die Empfehlung an die G20, „ihre Führungsrolle wahrzunehmen und die Umsetzung der 2015 verabschiedeten Nachhaltigkeitsziele sowie des Klimavertrags von Paris kraftvoll anzugehen“. Denn wie der WBGU in seiner begleitenden Pressemitteilung selbst schreibt, gewinnen dies beiden Abkommen „angesichts der zunehmenden Spannungen und Spaltungen in der Weltpolitik und in vielen nationalen Gesellschaften … noch größere Bedeutung. Dies gilt umso mehr nach dem Amtsantritt des US-Präsidenten Trump.“ 

Das ist der springende Punkt! Es ist völlig offen, ob unter den gegenwärtigen globalen Bedingungen (>>> Die G20 in den Zeiten der Cholera) Transformationsprozesse in die Richtung von Entwicklung und Gerechtigkeit oder vielmehr zurück in die Gegenrichtung laufen werden. Mit Blick auf diese Frage werden die G20-Außenminister in Bonn genau zu beobachten sein, insbesondere der Neue aus den USA, Rex Tillerson. Und selbst wenn in Bonn einige Weichen in Richtung auf Nachhaltige Entwicklung gestellt werden sollten, wird interessant sein zu sehen, ob am Ende nicht doch sicherheitspolitische Erwägungen im engeren Sinne die Oberhand behalten, wenn nämlich die meisten G20-Minister anschließend gleich weiterreisen werden: zur Münchner Sicherheitskonferenz.

3. Februar 2017

EU-Gipfel in Malta/Lybien-Abkommen: Abschottung statt Schutz

Als scheinheilig hat die internationale Nothilfe- und Entwicklungsorganisation Oxfam die Reaktion der EU auf den von US-Präsident Trump verhängten Einreisestopp für Zuwanderer und Flüchtlinge kritisiert. Kanzlerin Merkel und andere europäische Staats- und Regierungschefs hätten zwar recht mit ihrer Kritik an dem Erlass. Gleichzeitig jedoch haben sich mehrere EU-Politiker im Vorfeld des informellen EU-Gipfels in Malta für eine engere Kooperation mit Libyen bei der Migrationskontrolle ausgesprochen. Die Pläne stehen bei dem heutigen Treffen auf der Tagesordnung. Sie laufen auf eine Auslagerung der europäischen Migrationskontrolle in das seit Jahren umkämpfte Land hinaus, in dem Menschenrechtsverletzungen und sogar Mord an Geflüchteten und anderen Migranten an der Tagesordnung sind. 

Oxfam fordert von den Staats- und Regierungschefs der EU, ihre Migrationspolitik in einer Form zu gestalten, die die Menschenrechte respektiert und die menschliche Sicherheit in den Mittelpunkt stellt. Die Regierungen müssen Migrant/innen schützen, Flüchtlingen internationalen Schutz gewähren sowie sichere und reguläre Möglichkeiten zur Migration schaffen.

In diesem Sinne müsse die EU sicherstellen, dass migrationspolitische Abkommen mit Drittstaaten folgende Punkte berücksichtigen:

1. Entwicklungshilfegelder sind dazu da, Armut zu bekämpfen. Unter keinen Umständen dürfen sie dazu missbraucht werden, die Mobilität von Migrant/innen zu beschränken, da dies dem Ziel der Armutsbekämpfung zuwiderläuft.
2. Die Zusammenarbeit mit Drittstaaten bei der Grenzsicherung muss gewährleisten, dass die Menschenrechte, die Bewegungsfreiheit von Migranten und die Rechte von Asylbewerbern respektiert werden.
3. Verlässliche Kontrollmaßnahmen müssen sicherstellen, dass die Umsetzung von Abkommen mit Drittstaaten mit dem Völkerrecht vereinbar ist. Wenn dies nicht möglich ist, darf kein Abkommen abgeschlossen werden. 

Oxfam arbeitet in Italien mit Migranten, die von Libyen aus das Mittelmeer überquert haben. Ihre Erfahrungsberichte sind in einem Bericht (>>> Hotspots – Rights denied) dokumentiert. Schon im Vorfeld des EU-Gipfels im Oktober 2016 veröffentlichte Oxfam einen Bericht, der das Versagen der EU-Migrationspolitik beschreibt (>>>Causing suffering and problems - Europe’s approach tomigration. Zum heutigen EU-Gipfel hat Oxfam eine Protestbrief-Aktion an Bundeskanzlerin Merkel initiiert >>> hier.

2. Februar 2017

BayernLB: Verwickelt in Trumps Pipeline

Bau der Dakota Access Pipeline
Zu den schockierenden Nachrichten der ersten Woche von Trumps Präsidentschaft gehört die Anordnung der Wiederaufnahme des Baus an zwei US-Pipelines, die wegen ihrer Umweltauswirkungen heftig umstritten sind. Weniger bekannt ist, dass die BayernLB in die Finanzierung einer von ihnen, der Dakota Access, verwickelt ist. Die knapp 1.900 Kilometer lange Pipeline soll Land kreuzen, das der Stamm Standing-Rock-Sioux als heilig ansieht, und nach bisheriger Planung auch unter dem See Oahe am Fluss Missouri verlaufen. Anfang Dezember wurde der Weiterbau nach monatelangen Protesten des Stamms und weltweiter Unterstützer blockiert; die Protestbewegung hatte intensivere Umweltprüfungen durchgesetzt. Der neue US-Präsident Trump hat jedoch am 24. Januar angewiesen, den Bau der Ölpipelines Keystone XL und Dakota Access zu beschleunigen.

Gegen die bayrische Verstrickung protestieren deshalb heute mehrere NGOs vor der Zentrale der BayernLB. Sie wollen mehr als 700.000 Unterschriften aus weltweiten Petitionen gegen die Finanzierung von Dakota Access übergeben. Die BayernLB ist jedoch nur eine von 17 beteiligten Banken, die dem Pipeline-Konsortium im August 2016 einen Projektkredit über bis zu 2,5 Mrd. Dollar gewährt haben. Die Aktion ist Teil einer globalen Protestwoche. Die Stammesangehörigen und Aktivisten wollen ihren Widerstand nun verstärken – auch gegen involvierte Banken. Dave Archambault II, Vorsitzender des Stamms Standing-Rock-Sioux, sagt: „Wir freuen uns, dass einige der Banken Gespräche mit unserem Stamm geführt haben. Leider hat sich die BayernLB bisher einem solchen Dialog verweigert. Statt nur den Pipeline-Firmen zuzuhören, sollte sie auch unsere Sichtweise und Bedenken berücksichtigen. Dieser einseitige Ansatz hat in der Geschichte immer wieder zu großen Schwierigkeiten beim Umgang mit Interessen indigener Völker geführt. Die Bank sollte kein Unternehmen unterstützen, das bewusst unsere Sorgen ignoriert.“

Auch für die Umweltorganisation urgewald ist die BayernLB ist viel zu passiv. „Banken wie die holländische ING und die norwegische DNB äußern wenigstens öffentliche Kritik am Verhalten des Pipeline-Konsortiums oder verkaufen Anteile beteiligter Unternehmen. Wenn die BayernLB nicht zum Gehilfen Trumps werden will, muss sie sich klarer öffentlich positionieren. Im Zweifel muss sie aus dem Kredit aussteigen.“

1. Februar 2017

Die UNO im Fadenkreuz Trumps

Die einen reden von einer „ökonomischen Kriegserklärung“ an den Rest der Welt (Martin Wolf), die anderen etwas verharmlosend von der Umsetzung von Wahlversprechen. Wer gehofft hatte, Donald Trump würde nach seiner Amtseinführung im Stil staatsmännischer und inhaltlich angepasster werden, sieht sich getäuscht. Dieser Mann meint und macht, was er sagt. Nach den Schockwellen, die das Weiße Haus in den ersten zehn Tagen aussendete, sind jetzt auch zwei „executive orders“ in der Pipeline, die die Vereinten Nationen und multilaterale Verträge ins Fadenkreuz nehmen.

Wie die New York Times berichtete, kündigt die erste Exekutivanordnung eine Kürzung der US-Finanzbeiträge für internationale Organisationen um mindestens 40% und einen vollständigen Zahlungsstopp für Institutionen und Gremien an, die bestimmte Kriterien nicht erfüllen, in denen etwa die Palästinensische Autonomiebehörde oder die PLO Mitglied sind, die „Abtreibungsprogramme“ finanzieren oder die Sanktionen gegen den Iran oder Nordkorea umgehen. Es soll ein Ausschuss ins Leben gerufen werden, der speziell die US-Finanzbeiträge zu Peacekeeping-Operationen oder zum UN-Bevölkerungsfonds ins Visier nimmt.

Die zweite Anordnung sieht ein „Moratorium über Neue Multilaterale Verträge“ vor. Es soll zu Empfehlungen führen, aus welchen Verhandlungen oder Verträgen die USA aussteigen sollen. Eine begleitende Stellungnahme zu der Anordnung erwähnt beispielsweise die UN-Konvention zur Beseitigung aller Formen der Diskriminierung der Frau und die UN-Konvention über die Rechte der Kinder. Auch das Pariser Klimaschutz- und andere Umweltabkommen könnten von dieser Anordnung betroffen sein. 

Auch wenn die Inkraftsetzung der „Orders“ jetzt vorerst zurückgestellt wurde, um mehr Einrichtungen der US-Regierung, etwa dem State Department, Gelegenheiten zur Prüfung ihres Inhalts zu geben, schweben sie als akute Drohung über der internationalen Zusammenarbeit. Eine 40%ige Kürzung der US-Beiträge würde die Arbeit der Vereinten Nationen und ihrer Unter- und Spezialorganisationen ernsthaft beeinträchtigen. Ob formell von der UNO unabhängige Organisationen wie der IWF und die Weltbank auch von der Kürzungswut des neuen US-Präsidenten betroffen sind, geht aus den der New York Times vorliegenden Entwürfen wohl nicht hervor. Es wäre jedoch nicht das erste Mal, dass bei der Review der Global Governance-Architektur durch Washington einige Institutionen übrig bleiben, die sich unmittelbar für die Zwecke US-amerikanischer Machtpolitik instrumentalisieren lassen.