24. Januar 2019

Davos 2019: Skandal und Angst im Ski-Paradies

Sicher - der neue, gerade inthronisierte brasilianische Präsident Jair Bolsonaro war sichtlich schaumgebremst, als er den versammelten 3000 Vertretern von Wirtschaft, Finanzen und Politik sein Land als neues Investitionsparadies darstellte, das er für den Weltmarkt öffnen und mit einem neuen Wirtschaftsklima ausstatten will. Ein Skandal war es doch, dass die Organisatoren des Weltwirtschaftsforums (WEF) einen die Eröffnungsrede halten ließen, der inzwischen weltbekannt ist für seinen Frauenhass und seine Homophobie, für seine Lobpreisungen der Militärdiktatur und der Folter. Wie das zu dem selbstgezüchteten Nimbus der ‚Davos People‘ von Weltoffenheit und Globalität passen soll, wird wohl ebenso ein Geheimnis bleiben wie die Frage, was ein nationalistischer und faschistoider, zum Präsidenten aufgestiegener Hinterbänkler zum diesjährigen Motto „Globalisierung 4.0 – Shaping a Global Architecture in the Age of the Fourth Industrial Revolution“ beitragen könnte.


Und so begann das WEF 2019 mit einem selbstverschuldeten Schlag gegen die eigene Glaubwürdigkeit, die auch nicht dadurch wieder hergestellt werden konnte, dass es im weiteren Verlauf einige Redner*innen gab, die zu dem Thema durchaus Profundes beizutragen hatten. Etwa die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel, die ein für ihre Verhältnisse flammendes Plädoyer für den Multilateralismus ablieferte und dabei vor allem den Reformbedarf in internationalen Organisationen anmahnte, den die Schwellen- und Entwicklungsländer seit langem einfordern, z.B. eine halbwegs repräsentative Repräsentation im IWF oder generell eine Anpassung der Institutionen und ihrer Governance an die aktuellen politischen und wirtschaftlichen Weltverhältnisse.

Jenseits des diesjährigen Risiko-Reports, der die größte Gefahr inzwischen im Klimawandel sieht, dominiert in Davos in diesem Jahr die Angst vor dem erstarkenden Rechtspopulismus und den Unwägbarkeiten der wirtschaftlichen Entwicklung. Der Rechtspopulismus, dessen Zentralfigur Trump seine Teilnahme kurzfristig abgesagt hat, wird durchaus zutreffend als Angriff auf die Globalisierung von rechts gesehen. Und die beiden aktuellen Unwägbarkeiten für die Weltwirtschaft sind die Fristen für einen handelspolitischen Kompromiss zwischen China und den USA (1. März) und den Brexit (29. März). Beide könnten am Ende in einem „No-Deal“-Szenario enden, das die Unsicherheit über die weltwirtschaftliche Entwicklung weiterhin verstärkt – die Gefahr einer neuen globalen Rezession eingeschlossen. – Allerdings sollten die Kassandra-Rufe nicht zu weit getrieben werden. Schließlich sind die gegenwärtigen Risiken immer noch weit entfernt von den Absturzängsten, die die Wirtschafts- und Finanzleute während der Finanzkrise 2008 ff. in Atem hielten. Ein Unterschied zwischen damals und heute ist allerdings markant: Während 2008 zu neuen Anstrengungen der internationalen Kooperation führte, geht die Entwicklung heute in die andere Richtung. Umso wichtiger sind die Rufe nach einem gestärkten Multilateralismus, die den Zumutungen des „Unser Land zuerst“ entgegentreten.

8. Januar 2019

Weltbank: Jim Yong Kim geht. Was kommt danach?

Überraschend hat der Chef der Weltbank, Jim Yong Kim, zum 1. Februar seinen Rücktritt angekündigt. Dabei hätte er noch dreieinhalb Jahre im Amt bleiben können. Doch jetzt laufen die Spekulationen vor allem darum, was Kim zu seinem Schritt bewogen hat. Eine Interpretationsmöglichkeit wäre, dass er keine Lust mehr hatte zu einem Dauerstreit mit der Trump-Administration, die aus ihrer Feindschaft gegen multilaterale Institutionen kaum einen Hehl macht. Immerhin hatte Kim erst im letzten April eine (historisch hohe) Kapitalerhöhung von 13 Mrd. Dollar gegen die Skeptiker von der Trump-Truppe durchgesetzt.



Wahrscheinlicher ist jedoch ein persönlich-ökonomisches Motiv. Wie es in dem Rücktrittsstatement heißt, verlässt Jim Kim die Weltbank, um in eine Investment-Firma einzusteigen, die „den Fokus auf zunehmende Infrastruktur-Investitionen in Entwicklungsländern“ legt. „Sein direkter Wechsel in die Investmentbranche ohne jedes ‚Cooling off‘ ist ein Skandal“, meint Knud Vöcking von Umwelt- und Entwicklungsorganisation „urgewald“. „Deutschland und die anderen Anteilseigner müssen dieser Praxis einen Riegel vorschieben. Wir kritisieren in aller Schärfe, dass der Weltbank-Präsident in ein Geschäftsfeld wechselt, dass er in seiner Amtszeit mit großen Summen ausstattete. Er hat dafür gesorgt, dass der Privatsektor bei großen Infrastrukturprojekten von Risiken befreit wurde und durch Entwicklungsgelder Profite garantiert werden.“ Das stimmt: Kofinanzierungen mit dem Privatsektor und „Blending“ von Kreditmitteln haben an Bedeutung stark zugenommen bei dieser „wichtigsten multilateralen Entwicklungsbank der Welt“.



Vor allem aber dürfte der Kim-Rücktritt eine neue Runde in den Auseinandersetzungen um die Frage einleiten, wer die Auswahl des neuen Weltbank-Präsidenten bestimmt. Traditionell steht dieser Posten den USA zu (während die Führung des IWF bei den Europäern liegt). Zwar wurden unter Kim neue Regeln beschlossen, nach denen der Auswahlprozess offen, transparent ablaufen und sich an den Verdiensten des/r Kandidaten/in orientieren müsse. Dass die Trump-Leute darauf jedoch viel geben – damit kann kaum gerechnet werden.



Unabhängig von dieser Machtfrage, spielt auch das Profil eine Rolle, das die Weltbank gegenüber den neuen Entwicklungsbanken wie der Asiatischen Infrastruktur-Investitionsbank in Peking und der Neuen Entwicklungsbank der BRICS-Staaten noch hat. Kim behauptet, die Armutsbekämpfung sei in den letzten Jahren vor allem dank der Weltbank zurück gegangen. Das kann mit Fug und Recht bestritten werden. Denn das Gros der Armutsreduktion in den letzten Jahrzehnten verdankt sich einheimischen Politiken Chinas. Stärker noch wiegt das Argument jener Kritiker, die sagen, die wirtschaftsfreundliche Agenda der Bank habe es vor allem westlichen Konzernen ermöglicht, Profite in Entwicklungsländern zu machen, ohne dort faire Steuern zu entrichten.

6. Januar 2019

Vom Handelskrieg zur globalen Anarchie? Trumps versteckte Agenda

Wir sollten uns nicht irreführen lassen und denken, dass der „Handelskrieg“ zwischen den USA und China nach dem kürzlichen Treffen ihrer Präsidenten beigelegt ist. Stattdessen weitet Präsident Donald Trump den Konflikt über die Zollfrage hinaus in viele andere Bereiche aus, in dem umfassenden Versuch, Chinas wirtschaftliche Entwicklung zu stoppen oder zu verlangsamen. Dies hat nicht nur Auswirkungen auf China und Länder wie Malaysia, die in chinesische Produktionsketten integriert sind, schreibt Martin Khor.

Der heraufziehende Konflikt markiert das Ende des westlichen Glaubens an die Win-Win-Vorteile der Liberalisierung von Handel und Investitionen. Er ist die Begleitmusik zum Aufkommen einer alternativen Sicht, nach der China und andere Länder keine Partner, sondern Rivalen sind, die in Schranken gehalten werden müssen.

Just als Trump und Chinas Präsident Xi Jinping sich am Rande des G20-Gipfels zum Dinner niedergelassen hatten, um einen „Waffenstillstand“ in ihrem Zollkrieg zu schließen, verhafteten die kanadischen Behörden die Tochter des Besitzers von Huawei, des chinesischen Technologiegiganten, dessen Smartphone-Verkäufe inzwischen höher als die des iPhones von Apple sind und global an zweiter Stelle hinter Samsung kommen.

Die Finanzchefin von Huawei, Meng Wanzhou, war im Transitbereich des Flughafens von Vancouver, als sie auf Ersuchen der USA festgenommen wurde, weil ihr Konzern vor Jahren die US-Sanktionen gegen den Iran verletzt habe. Erst nach vielen Tagen wurde sie gegen eine Kaution freigelassen, muss aber eine elektronische Fußfessel tragen.


Die chinesische Regierung nannte diese Aktion „sehr unfreundlich“ und chinesische Bürger waren empört. Es wäre so, als würde China Melinda Gates verhaften, die Ko-Chefin der Bill and Melinda Gates Foundation, weil diese angeblich chinesische Gesundheitsbestimmungen missachtet hätte. In der gesamten westlichen Welt hätte es einen ungeheuren Aufschrei gegeben und Drohungen mit sehr gravierenden Konsequenzen. Doch die Chinesen akzeptieren offensichtlich die Haft Mengs als eine Routineangelegenheit, die mit dem Handelskrieg nichts zu tun hat. Es kann allerdings kein bloßer Zufall sein, dass die Verhaftung Jahre nach dem angeblichen Verbrechen zur selben Zeit stattfand wie das Essen von Xi und Trump...

... der vollständige Artikel erschien in W&E 11-12/2018 >>> hier.