Vor der Jahrestagung von IWF und Weltbank: Kassandra hat Recht
Für Kassandrarufe
ist die Geschäftsführende Direktorin des IWF, Christine Lagarde, immer gut.
Während ein Teil des Mainstreams die Weltwirtschaft in einer „neuen Normalität“
angekommen sieht, hat Lagarde jetzt
vor einer „neuen Mittelmäßigkeit“ gewarnt – ein mittelmäßiges Wachstum mit mäßigen
oder rückläufigen Investitions- und Konsumraten, anhaltend hoher
Arbeitslosigkeit und zahlreichen finanziellen Risiken – und zwar „für eine
lange Zeit“. Lagardes Diagnose des „new mediocre“ kommt der Wirklichkeit sicher
näher als die etwas selbstgefällige Rede von der „neuen Normalität“. Denn in
der aktuellen weltwirtschaftlichen Entwicklung ist weder viel Neues noch
Normales zu entdecken (>>> W&E 09/2014). Die durchschnittliche Wachstumsprognose für die Weltwirtschaft
wird der IWF in seinem neuen World Economic Outlook deshalb erneut nach unten
korrigieren – von im Frühjahr noch vorhergesagten 3,7 auf rund 3%.
Schwerer
fällt es da, den hoffnungsfrohen Aufrufen Lagardes zu einer energischeren
Politik zu folgen, die der Weltwirtschaft „neuen Schwung“ einzuhauchen soll.
Denn woher soll dieser neue Schwung kommen? In den letzten Jahren galten stets die
Schwellenländer als die neuen Lokomotiven der Weltkonjunktur. Doch nicht nur
hat ihr Wachstum in letzter Zeit stark eingebüßt. Und die USA, die unter den
Industrieländern noch die besten Wachstumszahlen aufweisen, sind zu schwach, um
diese Rolle allein zu übernehmen.
Keine rosigen Aussichten also für die rund 10.000 Finanz- und Entwicklungsminister, Zentral- und Privatbanker, die sich ab Mitte der Woche zur Jahrestagung von IWF und Weltbank in Washington DC versammeln werden. Und auch wenig Anlass für die Cocktail-Partys und gepflegten Festessen, die mit solchen Ereignissen gewöhnlich einher gehen!
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