WTO-Verhandlungen: Druck auf Entwicklungsländer soll Märkte öffnen
Heute beginnt in Genf die Mini-Ministerkonferenz der Welthandelsorganisation (WTO). Nach mehr als sieben Jahren sollen die Verhandlungen über neue Welthandelsregeln im Agrar-, Industriegüter- und Dienstleistungsbereich abgeschlossen werden. Doch NGOs wie Oxfam warnen davor, dass der derzeitige Vertragsentwurf die industrielle Entwicklung und die Nahrungsmittelversorgung in den armen Ländern gefährdet. Die Unstimmigkeiten betreffen alle Verhandlungsbereiche:
* Industriegüter: Die Forderung der EU, dass in Entwicklungsländern nur 50-70% der Zolllinien in einer Produktkategorie als Ausnahmen gelten dürfen, stößt auf vehementen Widerstand der Entwicklungsländer.
* Dienstleistungen: Der Verhandlungsentwurf sieht die Aushebelung des Freiwilligkeitsprinzips, das im WTO-Dienstleistungsabkommen mit Blick auf die Liberalisierung verankert ist, vor.
* Landwirtschaft: Die Entwicklungsländer sollen nur 6% der Zolllinien im Grundnahrungsmittelbereich komplett von der Liberalisierung ausnehmen dürfen. Ursprünglich hatten sie 20% und zuletzt mindestens 8% gefordert.
„Die Verhandlungen gehen weiter, als ob es die Nahrungsmittelkrise nicht gegeben hätte“, kritisierte die Oxfam-Sprecherin Marita Wiggerthale. Die Bundesregierung und die EU wollten die armen Länder zwingen, ihre Nahrungsmittelmärkte zu öffnen und die Kleinbauern damit schutzlos den subventionierten Billigimporten der reichen Länder auszusetzen. Bei den Industriegüter- und Dienstleistungsverhandlungen seien bereits bestehende Vereinbarungen durch neue Regelungen außer Kraft gesetzt worden, weil sie den Wirtschaftsinteressen der reichen Länder widersprechen. Arme Länder sollen beispielsweise nur dann zusätzliche Ausnahmeregeln zum Schutz ihrer im Aufbau befindlichen Industrien anwenden dürfen, wenn sie zuvor einem weitgehenden Abbau von branchenbezogenen Industriezöllen zugestimmt haben. – Auch wenn die Protagonisten der Doha-Runde den Verhandlungsabschluss als probates Mittel gegen die akute Konjunkturkrise beschwören – die scharfen Nord-Süd-Gegensätze dürften einen positiven Ausgang in Genf kaum zulassen.