17. März 2016

Multis und Menschenrechte: Gutachten und Gesetzentwurf

Deutsche Unternehmen müssen Menschenrechte auch im Ausland achten.  Das fordert ein neues Gutachten, das Amnesty International, Brot für die Welt, Germanwatch und Oxfam bei Prof. Markus Krajewski von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und dem Rechtsanwaltsbüro Geulen & Klinger (Berlin) in Auftrag gaben (>>> Gutachten zur Verankerung einer menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht im deutschen Recht).  Es enthält konkrete Empfehlungen, wie dies gesetzlich ausgestaltet werden kann. Im Mai entscheidet die Bundesregierung, wie viel Verantwortung Unternehmen für die Produktionsbedingungen in Drittländern übernehmen müssen. Dazu soll ein ‚Nationaler Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte‘ verabschiedet werden.

Kernstück des Gutachtens ist ein Gesetzentwurf, der in Deutschland ansässige  Unternehmen erstmals verpflichten würde, wesentliche menschenrechtliche Risiken in ihren Auslandsgeschäften zu prüfen und ihnen vorzubeugen. Das Gutachten stützt sich dabei insbesondere auf die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte (>>> Zahme Leitlinien für Skandalkonzerne), zu deren nationaler Umsetzung sich Deutschland verpflichtet hat. Zu den häufig verletzten Sorgfaltspflichten gehören fehlender Brandschutz in Textilfabriken, gesundheitsgefährdende Arbeit in Steinbrüchen oder Landvertreibung und Wasserverschmutzung im Rohstoffabbau. Die Vorgaben des Gesetzes sollten durch staatliche Behörden überwacht und durchgesetzt werden. Wie sich gezeigt hat, reichen freiwillige Sozial- und Umweltstandards nicht aus. Denn die meisten Unternehmen werden erst dann wirklich aktiv, wenn sie rechtlich dazu verpflichtet werden.

Mobiltelefone, Fahrzeuge oder Kleidung - viele Produkte des täglichen Lebens haben nach Ansicht der auftraggebenden NGOs einen hohen Preis: Beim Abbau der Rohstoffe und bei der Produktion von Waren kommt es immer wieder zu Menschenrechtsverletzungen. So bauen Männer, Frauen und auch Kinder in einigen Regionen der Demokratischen Republik Kongo Kobalterz unter lebensgefährlichen Arbeitsbedingungen ab. Kobalt wird für wiederaufladbare Batterien benötigt und ist deshalb Bestandteil von Elektroautos, Laptops und Mobiltelefonen. Das Gutachten zeigt, dass die Einführung gesetzlicher Sorgfaltspflichten nicht nur notwendig, sondern für Unternehmen auch machbar ist. Mit dem Nationalen Aktionsplan kann die Bundesregierung jetzt zeigen, wie ernst sie es mit dem Menschenrechtsschutz meint.

10. März 2016

8. März 2016

Investitionen in die Care Economy als Wachstumsstimulus

Eine pünktlich zum 8. März erschienene Studie des Internationalen Gewerkschaftsbunds (ITUC), Investing in the Care Economy. A gender analysis of employment stimulus in seven OECDcountries, zeigt, dass Investitionen in die Sorgeökonomie in Höhe von 2% des Bruttoinlandsprodukts (BIP) in nur sechs Ländern 21 Mio. Arbeitsplätze schaffen und die beiden Herausforderungen von alternder Bevölkerung und wirtschaftlicher Stagnation bewältigen helfen könnten. Der Bericht analysiert das Wachstums- und Beschäftigungspotential in Australien, Dänemark, Deutschland, Italien, Großbritannien und den USA und demonstriert, wie Investitionen in Sorgeeinrichtungen zugleich die Lohnkluft zwischen Mann und Frau sowie die allgemeine Ungleichheit verringern und auch den Ausschluss von Frauen aus menschenwürdiger Beschäftigung angehen könnten.


Eine stärkere Finanzierung der Sorgeökonomie ist zugleich ein wirksames Gegenmittel zu den gescheiterten Austeritätspolitiken, meint die Generalsekretärin von ITUC, Sharan Burrow. Denn die Hauptlast der Kürzungen bei Dienstleistungen tragen die Frauen, was seinerseits die Haushaltseinkommen drückt, und dies in Zeiten, in denen die Stärkung von Kaufkraft und Nachfrage wesentlich für die Wiederherstellung des Wachstums ist. Die Sorgeökonomie selbst weist eine hohe Rate prekärer und schlecht bezahlter Arbeit auf und muss in Übereinstimmung mit internationalen Standards unter den vollen Schutz der Arbeitsgesetzgebung kommen.

Expertinnen der britischen Women’s Budget Group haben ermittelt, wie hoch die Beschäftigungseffekte wären, wenn 2% des BIP in die ‚soziale Infrastruktur‘ wie Bildung, Gesundheit und soziale Sorgeeinrichtungen investiert würden. Die Ergebnisse:
* In Abhängigkeit vom jeweiligen Land würde die allgemeine Beschäftigung zwischen 2,4 und 6,1% steigen.
* Zwischen 59 und 70% der neu geschaffenen Arbeitsplätze würden von Frauen eingenommen.
* Aufgrund der Multiplikatoreffekte der neuen Jobs würde auch die männliche Beschäftigung wachsen, je nach Land zwischen 1,4 und 4%.
* In absoluten Zahlen würde dies bedeuten: 13 Mio. mehr Jobs in den USA, 3,5 Mio. mehr in Japan, 2 Mio. in Deutschland, 1,5 Mio. in Großbritannien, 1 Mio. in Italien, 600.000 in Australien und 120.000 in Dänemark.

Die Ergebnisse der Studie belegen in der Tat, dass viel von der Art der Investitionen abhängt, wenn sozialen Krisen begegnet werden soll. Entscheidend ist aus der Sicht von ITUC vor allem, dass die Regierungen von der Obsession lassen, durch ihre Wirtschaftspolitik einfach den Finanzsektor bei Laune zu halten. Das Arbeitskräftepotential von Investitionen in die Care Economy besteht übrigens weltweit: Die G20 hat sich zum Ziel gesetzt, den Anteil der Frauen an der Beschäftigung in den nächsten Jahren um 25% zu steigern. Dies wird nur möglich sein, wenn der Sorgesektor angemessen finanziert wird. Der Bericht bringt zusätzliche Belege aus Südafrika und der Türkei und zeigt so, dass wirtschaftliche Anreize über die Sorgeökonomie keineswegs nur in den reichsten Ländern möglich sind.

4. März 2016

Argentinien: Sieg der Geier?


4,65 Mrd. US-Dollar will die Regierung des neuen argentinischen Präsidenten Mauricio Macri an vier Geierfonds, darunter auch der berüchtigte Elliott Management Paul Singers, zahlen, die sich weigerten, der Restrukturierung der argentinischen Schulden nach dem Default von 2001 zuzustimmen und stattdessen argentinische Schuldtitel auf dem Sekundärmarkt zu Spottpreisen aufkauften. Geht man davon aus, dass die Geierfonds, die sog. Holdouts, nur 50 Mio. Dollar in die alten argentinischen Papiere „investierten“, auf die sie bisher volle Zins- und Rückzahlungen forderten, dann wäre dies wahrlich ein supergutes Geschäft: der Gewinn wäre nahezu 100 Mal so viel wie der ursprüngliche Einsatz. Es wäre die erfolgreichste Geierattacke in der Finanzgeschichte. Und noch ein anderer Einsatz hätte sich gelohnt: die Wahlkampfunterstützung Singers für Macri würde sich jetzt kräftig auszahlen.


Damit nicht genug: Den Deal mit den Geierfonds, der dem Land den Weg zurück auf die Kapitalmärkte öffnen soll, will die Regierung Macri mit der erneuten Ausweitung der Auslandsverschuldung finanzieren. Dazu sollen Staatsanleihen von rund 15 Mrd. Dollar ausgegeben werden – die größte Schuldenaufnahme eines Entwicklungslandes seit 1996, als Argentinien schon einmal einen Disput mit den Gläubigern durch Neuverschuldung löste. (Der geplante Anleihebetrag ist gut dreimal so hoch wie die Zahlungen an Singer und Konsorten, da die Regierung damit auch Löcher im Staatshaushalt stopfen will, ohne die Währungsreserven des Landes anzugreifen.)

Während über die Zinssätze, die die „Investoren“ für die neuen Mega-Anleihen verlangen werden, noch spekuliert wird – angesichts der Schuldengeschichte Argentiniens werden bis zu 10% genannt, setzt die gesamte Operation die Zustimmung des argentinischen Kongresses zu dem Deal mit den Geierfonds voraus. Hier haben die Leute Macris bekanntlich nicht die Mehrheit (>>> Die Linke Lateinamerikas im Abschwung), doch die Vertreter der ihn stützenden Parteienallianz geben sich zuversichtlich, Teile der Peronisten auf ihre Seite ziehen zu können. Ob es so gelingt, eine Mehrheit zu zimmern, der den Sieg der Geier besiegeln würde, war heute Mittag freilich noch nicht absehbar, aber auch nicht undenkbar.

3. März 2016

Im Visier der Konzerne: Gemeindeland ohne Rechtsschutz

Nur ein Fünftel des Landes, das ländliche und indigene Gemeinden in Entwicklungsländern bewirtschaften, ist rechtlich vor Landraub durch Regierungen und Unternehmen geschützt. Infolge gewaltsamer Landkonflikte wurden seit 2002 fast 1000 Menschen getötet. Dies geht aus dem Bericht Common Ground hervor, den die International Land Coalition (ILC), Oxfam und die Rights and Resources Initiative (RRI) herausgegeben hat. Damit verbunden ist ein Aktionsaufruf zum Schutz von Landrechten, dem sich weltweit mehr als 300 Organisationen angeschlossen haben, darunter Oxfam und die Deutsche Welthungerhilfe. Von der Bundesregierung fordern die beiden Organisationen mehr internationale Anstrengungen, um Landrechte zu schützen.

Dem Bericht zufolge nutzen weltweit rund 2,5 Milliarden Menschen 50% der Landfläche nach dem Gewohnheitsrecht. Aber nur ein Fünftel dieser Landrechte ist formell abgesichert. „Mehr Gerechtigkeit und weniger soziale Ungleichheit auf dem Land kann nur mit sicheren Landrechten erreicht werden“, erklärt Oxfams Agrarexpertin Marita Wiggerthale. Der fehlende Schutz dieser Landrechte  hat gravierende Folgen: Konflikte über Landrechte standen seit 1990 vielfach im Mittelpunkt von Bürgerkriegen. In Darfur beispielsweise hat die Zerrüttung der traditionellen Landbesitzverhältnisse Konflikte zwischen Hirten und Bauern ausgelöst. Weltweit spitzen sich Landkonflikte immer mehr zu, besonders in Brasilien, Honduras, Peru und auf den Philippinen. Seit 2002 steigt die Zahl der Menschen, die im Kampf für Landrechte getötet werden.

Zudem bedeuten unsichere Landrechte verminderten Schutz vor Landraub  durch Minen- oder Agrarunternehmen, die sich unter Mithilfe von Regierungen und lokalen Eliten Wälder, Weidegründe oder Ackerland aneignen. Ziel des Aktionsaufrufes ist es, den Anteil der formell abgesicherten Landrechte von indigenen und ländlichen Gemeinden bis 2020 zu verdoppeln. Landrechte sind nicht nur ein Menschenrecht, sondern auch eine wichtige Voraussetzung für die Armuts- und Hungerbekämpfung, den Schutz natürlicher Ressourcen und der biologischen Vielfalt. Oxfam und die Welthungerhilfe fordern deswegen die deutsche Bundesregierung dazu auf, verstärkt Programme zum Schutz von Landrechten zu unterstützen. Außerdem müssen die 2012 verabschiedeten UN-Leitlinien für eine verantwortliche Landpolitik konsequent umgesetzt werden.

Es gibt keine umfassenden Daten zum Ausmaß des Landraubes. Eine Datenbank, die Land-Matrix, dokumentiert mehr als 1000 großflächige Landakquisitionen mit einem Flächenumfang von 41,8 Mio. ha, eine Fläche größer als Deutschland. In der Mehrheit der Fälle, war das Land bereits im Besitz von ländlichen Gemeinden und Indigenen oder wurde von ihnen besetzt oder genutzt. Afrikanische Länder, in denen die Landrechte am unsichersten sind, sind besonders im Visier der Konzerne.