12. August 2007

China-Debatte: Mißtrauen und irrationale Ängste

Ganz entgegen der Deregulierungswut der vergangenen Jahre beginnt derzeit im Westen eine Debatte über die Regulierung von staatlichen Investitionsfonds aus Schwellenländern wie China („Souvereign Wealth Funds“ – SWF), die auf der Suche nach rentablen Anlagemöglichkeiten für ihre hohen Zahlungsbilanzüberschüsse im Ausland sind. Die meisten Beiträge zu dieser Debatte sind von Mißtrauen bestimmt. Doch, so fragt Julian Jessop von Capital Economics in der Financial Times vom letzten Freitag, warum sollte die chinesische Regierung ein weniger verläßlicher Investor sein als die launischen Hedgefonds mit ihrem viel kürzeren Horizont?

Einen Schritt weiter geht Robert H. Wade von der London School Economics in derselben Ausgabe: Staatliche Investitionsfonds könnten ein nützliches Instrument zur Stärkung der Verhandlungsmacht der Entwicklungsländer sein, um die Spielregeln, die heute überwiegend zugunsten des Westens funktionieren, etwas zugunsten von Unternehmen aus dem Süden zu verbessern.

Irrationale Ängste beherrschen bislang auch die Debatte, ob China weiterhin Mittel aus der Entwicklungszusammenarbeit bekommen soll, mit der sich Thomas Fues in der neuen Ausgabe des Informationsbriefs Weltwirtschaft & Entwicklung (>>> W&E 08/2007) auseinandersetzt. Weitere Themen der Ausgabe sind die neue Initiative Gordon Browns zur Rettung der Millennium-Entwicklungsziele und die Rolle von Wissen und Innovation im Kampf gegen die Armut in den am wenigsten entwickelten Entwicklungsländern (LDCs). Wissenschaft und Technologie für die LDCs rangieren in der westlichen EZ übrigens ganz hinten, als wollten wir hier schon ganz früh dafür sorgen, daß deren Aufstieg von vorneherein unmöglich gemacht wird. - Ob die Entwicklungshilfe an China eingestellt werden soll, ist übrigens auch Gegenstand unserer Umfrage (siehe rechte Spalte), die noch bis zum 31. August läuft. Sagen Sie Ihre Meinung!

11. August 2007

Strauss-Kahn: 'Ich will den IWF verändern'

Der designierte neue Geschäftsführende Direktor des Internationalen Währungsfonds (IWF), Dominique Strauss-Kahn, will den Fonds verändern und gewinnt so auch Sympathien bei denjenigen, die bislang zu den heftigsten Kritikern des überkommenen Auswahlverfahrens für die Spitzenposition gehörten. Auf einer Rundreise durch zahlreiche Länder im Süden des Globus (China, Indien, Südkorea, Ägypten, Saudi-Arabien, Mexiko, Chile, Brasilien und Argentinien) wirbt Strauss-Kahn derzeit für seine eigene Kandidatur und für Reformen in drei Schlüsselbereichen. Dazu gehören die Verteilung der Stimmrechte, das Auswahlverfahren für die Spitzenposition und die operative Programmpolitik des Fonds.

Nach einem Treffen mit dem brasilianischen Präsidenten Lula ließ dieser erklären, er stimme „sehr“ mit den Reformvorschlägen des europäischen Kandidaten überein. Strauss-Kahn wiederum sagte, er sei „deshalb Kandidat, weil ich den IWF verändern will“. Er sei sich dessen bewußt, daß das Image des Fonds gerade in Lateinamerika in den letzten Jahre sehr in Mitleidenschaft gezogen worden sei. Er wolle eine stärkere Rolle für den IWF bei der „Förderung von Wachstum und Entwicklung durch finanzielle Stabilität“.

In Bezug auf dieses Ziel könnten angesichts der aktuellen Turbulenzen auf den Finanzmärkten schon bald große Herausforderungen auf den Kandidaten zukommen. Was die Stimmrechtsreform betrifft, so wird Strauss-Kahn vor allem über seinen europäischen Schatten springen müssen. Doch trauen ihm viele das notwendige diplomatische Geschick zu, um die Europäer von ihrer Blockadeposition (s. Eintrag vom 8.8.2007) abzubringen.

8. August 2007

Stimmrechte im IWF: Europa gegen den Rest der Welt?

Die Ankündigung des vorzeitigen Rücktritts des Geschäftsführenden Direktors des Internationalen Währungsfonds (IWF), Rodrigo de Rato, hat nicht nur die Diskussionen über ein transparentes und an der Qualifikation orientiertes Auswahlverfahren für die Führungspositionen der Bretton-Woods-Institutionen neu belebt, sondern zieht auch andere Bereiche der IWF-Reform in Mitleidenschaft. Nachdem die USA ihre Unterstützung für den europäischen Kandidaten, den ehemaligen französischen Finanzminister Dominique Strauss-Kahn zugesagt haben, gilt als unwahrscheinlich, daß bis zum Ablauf der Nominierungsfrist Ende August noch andere Kandidaten in den Ring gehen werden.

Presseberichten zufolge ist das Führungsgremium des IWF, der Executive Board, in Bezug auf die anstehende Stimmrechtsreform, die vor allem den „emerging economies“ eine bessere Position verschaffen soll, zutiefst gespalten. Unter Führung von Frankreich, Großbritannien und Deutschland lehnen die Europäer eine Schmälerung ihres Einflusses im IWF ab, die für eine Reform nötig wäre. London und Paris haben Formeln für die Neuzuteilung von Stimmrechten zurückgewiesen, die u.a. den Einfluß Brüssels und Amsterdams (die heute über jeweils einen eigenen Sitz im Executive Bord verfügen) reduzieren würden. Mit seinem Widerstand stehen die Europäer gegen die USA und die Mitgliedsländer mit mittlerem Einkommen.

Über die derzeit kursierenden internen Vorschläge für die neuen Stimmrechtsformeln soll schon im nächsten Monat im Board entschieden werden. Die Europäer schlagen vor, daß die Stimmrechte insgesamt um 6% aufgestockt und die neuen Stimmrechte unter den unterrepräsentierten Ländern aufgeteilt werden. Das würde bedeuten, daß sich an der absoluten Zahl der europäischen Stimmen nichts ändern müßte. Die USA und Kanada favorisieren ein Modell, bei dem der Stimmanteil von Ländern wie China, Mexiko, Südkorea und die Türkei entsprechend ihrem rasch wachsenden wirtschaftlichen Gewicht überdurchschnittlich stark erhöht würde, was nur möglich wäre, ein die Europäer auf Stimmen verzichteten.