28. Februar 2008

Regulierungsdilemma der Finanzmärkte: Finanzflüsse wie Waffen

Wer die steigenden Finanzflüsse auf den internationalen Kapitalmärkten nur besser regulieren will, ist mit dem Dilemma konfrontiert, dass die Einführung entsprechender Regelungen immer mindestens einen Schritt hinter den sog. Finanzinnovationen hinterher hinkt. So argumentieren Dani Rodrik (Harvard University) und Arvind Subramanian (Peterson Institute for International Finance) in dieser Woche in einem bemerkenswerten Beitrag, der umso bemerkenswerter ist als er in der Financial Times erschien und tagsdrauf von FT-Chefökonon Martin Wolf gut geheißen wurde. Es führe kein Weg darum herum, die internationalen Kapitalströme direkt einzuschränken: „Wenn das risikoreiche Verhalten der Finanzintermediäre nicht perfekt reguliert werden kann, müssen wir Wege finden, das Volumen der Transaktionen zu reduzieren. Sonst würden wir uns derselben Täuschung hingeben wie die Gegner von Waffenkontrollen, die argumentieren, dass ‚nicht Waffen Menschen töten, sondern Menschen‘. Da wir unfähig sind, das Verhalten der Waffenbesitzer vollständig zu regulieren, haben wir keine andere Wahl als die Zirkulation der Waffen direkt zu begrenzen.“

Die Autoren benennen eine Reihe von Schritten, die zur Einschränkung übermäßiger Liquidität führen könnten. Sofern deren Quelle die hohen Zahlungsbilanzüberschüsse der ölexportierenden Länder und der ostasiatischen Staaten, allen voran Chinas, sind, schwebt ihnen zweierlei vor: eine Art Ölsteuer in den ölimportierenden Ländern, um die Ölnachfrage zu reduzieren, und eine gewisse Aufwertung der ostasiatischen Währungen. Letztere sei unumgänglich, wenn es im Interesse aller Beteiligten zu einer geordneten Rückführung der globalen Ungleichgewichte kommen soll. Die Aufwertung könne unilateral oder durch multilaterale Absprachen, z.B. innerhalb der WTO, erfolgen.

Im Falle von Schwellenländern, die sich übermäßigen Kapitalflüssen ausgesetzt sehen, käme man nicht um den Einsatz von Instrumenten herum, die den Kapitalverkehr direkt kontrollieren. Dazu gehörten Rücklage- bzw. Depotvorschriften bei Kapitalzuflüssen und die direkte Besteuerung von grenzüberschreitenden Kapitaltransaktionen. In dieser Hinsicht sei es gerade im Interesse der Entwicklungsländer notwendig, ein breites Menü von Optionen und Instrumenten zu entwickeln. Leider habe der IWF im Zeichen der jahrelangen Tabuisierung von Kapitalverkehrskontrollen wenig für ein besseres Management des Kapitalverkehrs getan.

Dem Einwand, dass derlei Interventionen die Vorteile der finanziellen Globalisierung mindern könnten, begegnen die Autoren frappierend simpel: Es sei sehr schwer, solche Vorteile zu entdecken, wenn man nicht zu indirekten oder spekulativen Argumenten Zuflucht nehme. Es sei höchste Zeit für ein neues Modell der finanziellen Globalisierung, das endlich anerkenne, dass mehr nicht notwendigerweise besser ist.

24. Februar 2008

Innovative Entwicklungsfinanzierung: Neuer UN-Sonderberater

Der Generalsekretär der Vereinten Nationen, Ban Ki-moon, hat in der letzten Woche den ehemaligen französischen Außenminister Philippe Douste-Blazy zu seinem Sonderberater für innovative Entwicklungsfinanzierung ernannt. Douste-Blazy (s. Foto) ist derzeit Vorstandsvorsitzender von UNITAID, einem bei der Weltgesundheitsorganisation (WHO) angesiedelten internationalen Fonds, in den die Erlöse aus der im vorletzten Jahr eingeführten Flugticket-Abgabe (>>> Es geht voran) fließen und aus dem Medikamente für die Bekämpfung von HIV/AIDS finanziert werden. Douste-Blazy trug in seiner Zeit als Außenminister selbst wesentlich dazu bei, die französische Initiative zur Einführung einer Solidaritätsabgabe auf Flugtickets voranzutreiben.

Zu den Aufgaben des neuen UN-Sonderberaters gehört es, UNITAID und andere Quellen innovativer Entwicklungsfinanzierung zu fördern, um die Umsetzung der Millennium-Entwicklungsziele der Vereinten Nationen zu beschleunigen. Man habe jetzt die Halbzeit auf dem Weg ins Jahr 2015 (in dem die MDGs verwirklicht sein sollen) überschritten, aber in Bezug auf die Ergebnisse hinke man hinterher, erklärte Douste-Blazy in New York. „Die Wahrheit besteht darin, dass wir zu spät sind.“ Um das zu ändern, plant Douste-Blazy für das nächste Jahr u.a. die erstmalige Einberufung einer Weltkonferenz über innovative Entwicklungsfinanzierung. Diese soll sich mit Finanzierungsformen für die Entwicklungszusammenarbeit beschäftigen und dabei zivilgesellschaftliche Kräfte, Stiftungen, Nichtregierungsorganisationen und den privaten Sektor einbeziehen.

Die Ernennung Douste-Blazys ist eine gute Nachricht für diejenigen, die in letzter Zeit mit Sorge die nachlassende Dynamik bei der Suche nach innovativen Finanzquellen für Entwicklung beobachten. Bereits im Rahmen des z.Zt. laufenden Vorbereitungsprozesses auf die UN-Konferenz für Entwicklungsfinanzierung im Dezember 2008 in Doha (>>> W&E 03-04/2007) sind neue Initiativen auf diesem Gebiet hoch willkommen. Auf einem Workshop des Global Policy Forum Europe am letzten Freitag in Bonn war berichtet worden, dass die Flugticket-Initiative selbst ins Stocken geraten und ihr Schicksal angesichts der neuen französischen Regierung und einer negativen Entscheidung des brasilianischen Parlaments – von der Enthaltsamkeit der deutschen Regierung (>>> NGOs fordern Flugticket-Abgabe) ganz zu schweigen – ungewiss ist.

21. Februar 2008

Ökobilanz von Biokraftstoffen: Mehr Risiken als Chancen

Mit einem Ölpreis von über 100 Dollar pro Barrel weist die Nachfrage nach Biomasse als Energieträger steil nach oben. Doch wie eine Anhörung der Bundestagsausschüsse für Entwicklungszusammenarbeit, Landwirtschaft und Umwelt am Mittwochnachmittag erbrachte, ist die Ökobilanz der sog. Biokraftstoffen höchst durchwachsen. Nach Prognosen der Welternährungsorganisation (FAO) wird die Weltbevölkerung bis 2050 um drei Milliarden Menschen wachsen. Der Zuwachs werde in den Entwicklungsländern stattfinden und zu 90% städtische Gebiete betreffen. Gleichzeitig sei mit veränderten Konsumgewohnheiten zu rechnen - hin zu mehr Fleischnachfrage. Diese Entwicklung wirft neue Fragen auf, wie bei gleichzeitigem Mehrbedarf an Energie die Nahrungsmittelsicherheit gewährleistet werden kann, sagte Alexander Müller von der FAO. Die Landwirtschaft wird laut Müller an die Grenzen der Verfügbarkeit von Land und Wasser stoßen. So steige der Wasserverbrauch bei Fleischproduktion um ein Vielfaches im Vergleich zur Pflanzenproduktion. Um ein Kilogramm Rindfleisch herzustellen, seien 15.000 Liter Wasser nötig, so Müller, der eine internationale Bioenergiecharta forderte.

Dies unterstützte auch Jürgen Maier (Forum Umwelt & Entwicklung), der gleichzeitig "grundsätzliche Bedenken" gegen die Zertifizierung von Biokraftstoffen äußerte. Freiwillige Standards seien keine Lösung. Nötig seien politische Vorgaben, die eine ökologische und soziale Regulierung der Bioenergienutzung fördern. So sollte die nachhaltigste und effizienteste Verwendung am stärksten unterstützt werden. Wenig Sinn mache etwa, wenn die EU-Richtlinie, wonach zehn Prozent des Endenergieverbrauchs im Verkehrssektor durch erneuerbare Energien erbracht werden sollen, vor allem durch den Einsatz von Biodiesel oder Ethanol erfüllt werde. Es gebe ökologisch viel effizientere Lösungen.

Scharfe Kritik übte Georg Gruber vom Bundesverband Pflanzenöle an dem Biokraftstoffquotengesetz, das die Beimengung von Biokraftstoffen vorsieht. Dieses Gesetz werde zum Problem für den Regenwald und die Artenvielfalt, so Gruber. Es übe großen Druck auf die Flächenmärkte aus. Die gewaltigen Gewinne, die sich derzeit damit erwirtschaften ließen, lockten Banken und Großinvestoren an, was wiederum die Entstehung von Monokulturen begünstige und zu sozialen Konflikten in den Entwicklungsländern führe. Die handwerklichen Fehler in der Gesetzgebung seien nicht durch die Zertifizierung in den Griff zu bekommen.

Norbert Rieder vom Zoologischen Institut der Universität Karlsruhe bezeichnete den Import von Biokraftstoffen als "ökonomischen und ökologischen Blödsinn". Es mache keinen Sinn, Biokraftstoffe aus Indonesien zu importieren, wenn in dortigen Motoren fossile Kraftstoffe zum Einsatz kämen. Mindestens ein Transportweg sei hier überflüssig und für die CO2-Bilanz negativ. Die Beimengungspolitik nannte Rieder scheinheilig. In der Frage der Standards für die Artenvielfalt mahnte Rieder: "Was wir weltweit fordern, müssen wir auch in Deutschland tun." Ein Zertifizierungssystem sei notwendig, es müsse aber praktikabel sein und deswegen nur die notwendigsten Punkte enthalten wie Nachhaltigkeit der Produktion, Teilhabe der Bevölkerung in den Entwicklungsländern an den Kapitalerträgen, Klimaschutz und Erhalt der Artenvielfalt. Auch Uwe Fritsche vom Institut für angewandte Ökologie forderte verbindliche Nachhaltigkeitskriterien. Sie müssten aber unbedingt von bilateralen und projektbezogenen Vereinbarungen flankiert werden. Kurzfristig sollten internationale verpflichtende Standards vereinbart werden. Martin Faulstich vom Sachverständigenrat für Umweltfragen sprach sich für stärkere Nutzung und Förderung von Biomasse bei der Erzeugung von Wärme und Strom, statt für die Produktion von Biodiesel oder Ethanol aus, weil dies deutlich effizienter sei.

Arnoldo Campos vom brasilianischen Agrarentwicklungsministerium stellte das brasilianische Biodieselprogramm vor. Es fördere gezielt Kleinbetriebe, die etwa 30% der Produktion lieferten. Die Regierung fördere auch besonders arme Regionen des Landes. Darüber hinaus habe Brasilien seit 2003 große Anstrengungen unternommen, um die Abholzung der Regenwälder zu verringern. Sie wolle auch Schluss machen mit der illegalen Abholzung. Dies sei ein riesiges Problem in Indonesien, beklagte Willie Smits von der deutschen Sektion der Borneo Orang utan Survival Foundation, einer Organisation zum Schutz der vom Aussterben bedrohten Affen. 80% der indonesischen Palmölplantagen würden auf Urwaldböden etabliert, obwohl diese Böden dafür nicht geeignet seien und es bessere Alternativen gäbe. Es gehe aber primär um Gewinne der Holzwirtschaft.

20. Februar 2008

Kampf gegen Steueroasen: Schützenhilfe von der OECD

Die Bemühungen um die Austrocknung von Steueroasen haben gestern Rückendeckung von der OECD erhalten. Die massive Steuerflucht deutscher Staatsbürger nach Liechtenstein verweise auf eine breitere Herausforderung in der globalisierten Wirtschaft, hieß es in einer Pressemitteilung in Paris. Es sei eine Frage von grundlegender Bedeutung, wie mit Ländern und Territorien umzugehen sei, die darauf aus sind, Vorteile aus der Steuerhinterziehung durch Bürger anderer Länder zu ziehen, sagte OECD-Generalsekretär Angel Gurría.

Die OECD bemühe sich seit langem, die Probleme anzugehen, die durch wettbewerbswidrige Steuerpraktiken innerhalb und außerhalb der OECD verursacht werden. Vor allem die Entwicklung von Transparenz-Standards und der Informationsaustausch in Steuerfragen stünden dabei im Mittelpunkt. Trotz dieser Anstrengungen befolgten einige Territorien die vorgegebenen Standards immer noch nicht. Im Jahre 2002 hatte die OECD eine Liste „nicht-kooperativer“ Steueroasen publiziert, die ursprünglich sieben Länder nannte. Nachdem einige sich gegenüber der OECD zur besseren Kooperation verpflichtet haben, stehen heute noch drei Territorien auf dieser Liste: Andorra, Monaco und Liechtenstein.

„Solange es Finanzzentren gibt, die eine Zusammenarbeit beim bilateralen Informationsaustausch in Steuerfragen ablehnen und internationale Transparenz-Standards missachten, werden Bürger anderer Länder versucht sein, ihren steuerlichen Verpflichtungen zu entgehen“, sagte Gurrìa. Die Offenheit der globalen Wirtschaft könne nur bewahrt werden, wenn ihre Teilnehmer gegenseitige Verantwortung ebenso übernähmen wie die Vorteile genießen. Exzessive Bankgeheimnisse und die Weigerung, Informationen über ausländische Steuerflüchtlinge auszutauschen, seien Überbleibsel vergangener Zeiten, die in den Beziehungen zwischen demokratischen Staaten keine Rolle spielen dürften. – Fragt sich nur, ob die beschworene „Offenheit der globalen Wirtschaft“ nicht ihrerseits einen Beitrag zur großangelegten Steuervermeidung durch Konzerne und Private leistet, angesichts derer die aktuellen Vorkommnisse um Zumwinkel & Co. nur die Spitze des Eisbergs sind.

Online-Aktionstipp: >>> Stoppt die Steuerflucht!

14. Februar 2008

IKB-Krise deutet erneut auf Regulierungsdefizit

Die jüngste Rettungsaktion für die IKB-Bank verweist erneut auf die fortbestehenden Regulierungsdefizite auf den Kapitalmärkten. Deshalb ist es gut, wenn Attac Deutschland heute effektivere Gesetze fordert. In der Kritik von Bundeswirtschaftsminister Michael Glos am Vorstand der Mittelstandsbank IKB kann Attac nur ein "heuchlerisches Schwarzer-Peter-Spiel" sehen. Mag sein, dass der IKB-Vorstand mit Finanzinstrumenten handelte, von denen er keine Ahnung hat. Die Verantwortung dafür, dass der Handel mit Krediten außerhalb der Bilanzen überhaupt möglich ist, trage aber die Politik, meint das Netzwerk.

Notwendig ist in der Tat ein Finanzmarktregulierungsgesetz, das solchen Geschäften Einhalt gebietet. Das riesige Kreditkarussell, das durch die einträgliche Weitergabe des Kreditrisikos von Bank zu Bank und andere Investoren immer mehr Schwung bekommt, muss durch gesetzliche Vorschriften gestoppt werden. Wie sich zeigt, ermöglichen die „innovativen Finanzinstrumente“ in Boomzeiten den Banken enorme Profite. Wenn die Blase dann - wie derzeit in Folge der massenhaften Insolvenzen von Immobilienbesitzern in den USA - platzt, trifft das die ganze Ökonomien und die breite Bevölkerung.

Wie Glos und Bundesfinanzminister Peer Steinbrück gestern bekannt gegeben haben, will der Bund seine Beteiligung an der IKB auf 43% aufstocken und sich zudem mit einer Milliarde Euro an dem Rettungspaket für die Bank beteiligen. Zur Begründung hieß es, sonst drohe ein "erheblicher Vertrauensverlust für den gesamten Finanzplatz Deutschland". "Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Jetzt müssen die Steuerzahler schon zum dritten Mal für die IKB bluten, weil eine Pleite einer solchen Bank viele andere Banken mit in den Untergang reißen würde und so eine noch viel größere Krise auslösen würde mit noch viel höheren Belastungen der arbeitenden Menschen", sagte Detlev von Larcher von Attac. Und noch etwas ist für den Außenstehenden nur schwer nachzuvollziehen: Während der Bund über die Kreditanstalt für Wiederaufbau derzeit nur ein Drittel und die Privatbanken zwei Drittel der IKB-Anteile halten, soll der Staat für zwei Drittel der Stützungsaktion aufkommen, die Privatbanken aber nur für ein Drittel. Und selbst dabei zieren sich letztere noch.

11. Februar 2008

Das dicke Ende kommt noch: 100 Mrd., 400 Mrd. oder 1 Billion Dollar Kreditverluste?

Das sind wahrlich nicht die besten Zeiten für die Mainstream-Ökonomen. Erst haben sie die Subprime-Krise schlicht übersehen, dann ihre Konsequenzen herunter gespielt und jetzt, wo sich die globalen Rezessionsgefahren kaum noch leugnen lassen, möchten sie am liebsten darunter hindurch tauchen. Wie gut, dass es ein paar Journalisten gibt die gelegentlich genauer hinsehen.

In der Nachberichterstattung zum Treffen der G7-Finanzminister am letzten Samstag bringen gleich mehrere internationale Zeitungen (>>> Financial Times, New York Times, Wall Street Journal) das wohl wichtigste Ergebnis des Treffens: Das dicke Ende der Kreditkrise kommt noch. Kein geringerer als der deutschen Finanzminister Peer Steinbrück gab nach dem G7-Meeting bekannt, die Mitglieder des Gremiums seien sich einig gewesen, dass sich die Abschreibungen der Banken im Zuge der Subprime-Krise auf 400 Mrd. US-Dollar belaufen könnten, etwa vier mal so viel wie noch vor ein paar Monaten geschätzt wurde.

Einer, der als einer der wenigen schon ganz früh vor dem Krach in der US-Immobilienbranche gewarnt hatte, war Dean Baker vom Center for Economic Policy Research in Washington. Er erwartet inzwischen, dass sich die Verluste des Finanzsektors in der jüngsten Krise auf nahezu 1 Billion Dollar belaufen werden.

10. Februar 2008

Steinbrück gratuliert Ackermann, und Ackermann fordert mehr Freiheit

Er freue sich mit Josef Ackermann (l.) über den neuen Rekordgewinn der Deutschen Bank, gibt der deutsche Finanzminister Peer Steinbrück (u.) heute im Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung zu Protokoll. Deutsche-Bank-Chef Ackermann revanchiert sich in der Welt am Sonntag mit einem Gastbeitrag, in dem er für Hedge-Fonds und Private-Equity-Fonds und allgemein für mehr Freiheit für das Finanzkapital wirbt. Ackermann: „Gerade Deutschland wäre schlecht beraten, auf die aktuellen krisenhaften Entwicklungen im Finanzsektor jetzt damit zu reagieren, dass es Finanzmärkte, moderne Finanzinstrumente und –akteure noch geringer schätzt und ihren Freiraum ungebührlich beschneidet.“

Ackermanns Mahnung folgt der Devise, auch unter den Banken gebe es solche und solche, nicht zuletzt die eigene, die bislang relativ ungeschoren durch die Finanzkrise gekommen ist. Steinbrück freilich denkt andersherum: „Nur weil die Deutsche Bank es richtig gemacht hat, machen es alle anderen Banken ja nicht auch schon richtig. Das anzunehmen wäre eine Verharmlosung der Situation.“ Und Steinbrück erklärt, warum beispielsweise die Eigenkapitalvorschriften von Basel II weiter verschärft werden müssen: „Auch unter den Basel-II-Regeln sind Umgehungen möglich, dass Banken sich außerhalb der Bilanz in solchen Produkten (sog. innovativen Finanzinstrumenten; RF) engagieren können. Wenn wir feststellen, dass weite Teile dieser Krise damit zu tun haben, dass Institute sich der Aufsicht entziehen, dann müssen wir dafür Sorge tragen, dass dies unterbrochen wird.“

Ob er dafür bei seinen amerikanischen und britischen Gesprächspartnern allerdings eine so große Offenheit findet, wie er sagt, darf auch nach dem jüngsten Treffen der G7-Finanzminister bezweifelt werden: Man diskutiert zwar über Konsequenzen der Krise, aber zu konkreten Maßnahmen mag man sich (noch?) nicht durchringen. Vom „Scheitern der Finanzminister“ spricht da das Wall Street Journal: Es fehle den Politikern einfach an „effektiven Optionen“, der Kreditkrise und ihren weltwirtschaftlichen Auswirkungen zu begegnen. Doch andersherum wird ein Schuh draus: Nicht die „effektiven Optionen“ fehlen, sondern der gemeinsame politische Wille.

9. Februar 2008

Finanzminister im Tokio-Hotel: Keine Sicherheit vor der Weltwirtschaft

Wie sich die Zeiten doch ändern! Noch im letzten Herbst waren die Finanzminister der G7 geradezu versessen darauf, den Druck auf China zu erhöhen (>>> Druck auf China, Laissez-faire beim Dollar, Hedgefonds Fehlanzeige). In ihrem Tokio-Statement, das sie zum Abschluss ihrer heutigen Beratungen herausgaben, wird die Forderung nach „beschleunigter Aufwertung“ des chinesischen Wechselkurses nur noch routinemäßig unter „Ferner liefen“ wiederholt. Im Zentrum steht die Feststellung, dass die Aussichten der weltwirtschaftlichen Entwicklung seit dem letzten Treffen unsicherer geworden und die Risiken einer weiteren Verschlechterung der Lage („downside risks“) unübersehbar sind. Aber eine gemeinsame konjunkturpolitische Strategie haben die sieben wichtigsten Industriestaaten nicht. Praktiziert wird wie schon so oft das „Sinatra-Prinzip“ („I do it my way“): „Jeder von uns ist entsprechend unserer heimischen Umstände aktiv geworden…“, sagt das Statement.

Ansonsten freuen sich die G7-Minister, auf ihrer nächsten Tagung im April endlich den Bericht des Forums für Finanzstabilität entgegen nehmen zu dürfen, den sie im letzten Jahr in Auftrag gegeben haben. Der Report steckt die Handlungsfelder ab, in dessen Rahmen sich das Krisenmanagement gegenüber den Finanzmärkten bewegen soll. Da ist viel von der Umsetzung der Basel-II-Richtlinien zu den Eigenkapitalstandards der Banken die Rede, die im übrigen ihre Risiken besser offenlegen sollen. Immerhin finden auch die Rating-Agenturen Erwähnung, deren potentielle Interessenkonflikte bei der Bewertung von Papieren untersucht werden sollen. – Auch bei der IWF-Reform müssen wir bis April warten, wobei die Finanzminister schon mal deutlich gemacht haben, dass eine Demokratisierung, die über die Anpassung der Quoten an die veränderten weltwirtschaftlichen Kräfteverhältnisse hinaus geht, nicht in Frage kommt.

Von der Mainstream-Presse kaum noch registriert, enthält das Statement auch einen vielsagenden Absatz zu den Millennium-Entwicklungszielen. Dort heißt es: „Wir unterstreichen erneut die Notwendigkeit, das vom Privatsektor geführte Wachstum in den Entwicklungsländern zu fördern, um die MDGs zu erreichen. Deshalb stimmen wir darin überein, dass es wichtig ist, mit der Unterstützung der afrikanischen Länder bei der Verbesserung des Investitionsklimas, der Förderung der privaten Unternehmen, der Stärkung der Finanzsysteme und dem Aufbau einer verlässlichen Infrastruktur fortzufahren.“ – Die Agenda von Heiligendamm lässt grüßen!

G7-Finanzminister in Tokio: Mas de lo mismo?

„Mas de lo mismo“, sagten die Mexikaner, als ihnen Anfang 1994 während der Peso-Krise die IWF-Medizin verschrieben wurde. „Mas de lo mismo“ heißt so viel wie „Mehr vom Gleichen“. Der Bericht des Forums für Finanzstabilität, den die G7-Finanzminister schon im letzten Herbst in Auftrag gegeben hatten und der ihnen jetzt in einer vorläufigen Version vorliegt, empfiehlt, sie sollten unverzüglich auf zwei Ebenen aktiv werden: Erstens sollten sie die Banken zwingen, ihre Verluste aus Fehlspekulationen mit den Subprime-Produkten möglichst umgehend offen zu legen. Und zweitens sollten sie den Handel mit den sog. komplexen Produkten des Finanzsektors, der in letzter Zeit zum Erliegen gekommen war, wieder ermutigen. Im Klartext also: Möglichst schnell wieder zu dem gefährlichen Status vor dem Ausbruch der Kreditkrise des letzten Sommers zurückkehren!

Es gibt noch ein paar andere Empfehlungen in dem Bericht, aber darüber soll noch mindestens bis zur Frühjahrstagung von IWF und Weltbank im April nachgedacht werden. Bei dieser ersten wichtigen Zusammenkunft der Industrieländer unter der japanischen G8-Präsidentschaft herrschen vor allem Gegensätze zwischen den sieben Finanzmächten: Für ein global koordiniertes Konjunkturprogramm gibt es keinen Konsens. Ernsthafte Regulierungsschritte gegenüber den Finanzmärkten scheitern nach wie vor an den Regierungen, die sich der Wall Street oder der Londoner City verpflichtet fühlen. Da mag der deutsche Finanzminister Peer Steinbrück noch so stark mit Alleingängen drohen.

Ein Zentralproblem der gehandelten Vorschläge besteht darin, dass sie teilweise zutiefst anachronistisch sind. So ist die immer wieder zitierte Idee, die Kapitalhinterlegungsrichtlinien von Basel II jetzt endlich zügig umzusetzen, schon deshalb nicht sehr erfolgversprechend, weil die meisten Geschäfte mit den innovativen Finanzprodukten inzwischen gar nicht mehr in den Bilanzen der Banken auftauchen bzw. „over the counter“ abgewickelt werden. – Geradezu rührend ist es da, wenn wohlmeinende Medien wie die Frankfurter Rundschau doch noch einen Hoffnungsschimmer ausmachen: „Die IWF-Reform kommt voran“, schreibt heute das linksliberale Blatt vom Main. In Wirklichkeit wird man auch hier mindestens bis zur Frühjahrstagung warten müssen (>>> W&E 01/2008).

8. Februar 2008

Oxfam warnt G7: MDGs nicht auf dem Altar des Krisenmanagements opfern!

Die internationale Finanzkrise wird im Mittelpunkt stehen, wenn morgen das erste wichtige Treffen der japanischen G8-Präsidentschaft, das G7-Finanzministertreffen, in Tokio stattfindet. Dennoch, so fordert Oxfam International in einem Brief an die Finanzminister am Vorabend ihres Treffens, müsse jetzt ein klarer Zeitplan verabschiedet werden, wenn man zu den Hilfeversprechen, die von den G8 in Gleneagles 2005 gemacht worden seien, zurückkehren wolle. Die G7-Finanzminister dürften es nicht zulassen, dass die Sorgen über die schlechten wirtschaftlichen Aussichten die Fragen von Armut und internationaler Hilfe von der Tagesordnung verdrängen.

Im Gegenteil: Für Oxfam-Sprecher Max Lawson machten es die schlechten Wirtschaftsaussichten wichtiger denn je, dass die Hilfeversprechen und die Folgen des Klimawandels für die Armen auf der Agenda zu behalten. „Die japanischen Politiker haben sich verpflichtet, den globalen Gesundheitsproblemen einen besonderen Platz auf ihrer G8-Agenda einzuräumen. Jetzt ist es an der Zeit zu beweisen, dass sie es ernst damit meinen, den Fahrplan zur Umsetzung der Millennium-Entwicklungsziele wieder einzuholen und ehrgeizige Gesundheitsziele festzulegen, besonders mit Blick auf die Bedürfnisse von Frauen und Mädchen.“

Zu den vorab bekannt gewordenen Plänen einiger G7-Staaten zur Einrichtung eines Internationalen Fonds zur Finanzierung sauberer Energietechnologien sagte Lawson, man begrüße Ankündigungen dieser Art grundsätzlich, legen aber Wert darauf, dass solche Finanzmittel zusätzlich zu den Hilfeversprechen bereit gestellt werden und die Entwicklungsländer klare Mitspracherechte bei ihrer Verwendung haben. Der von den USA, Japan und Großbritannien lancierte Technologiefonds soll von der Weltbank verwaltet werden – keine gute Idee, um solchen Forderungen gerecht zu werden.

Gewerkschaftliche Rückendeckung für Strauss-Kahn vor G7-Treffen

Der Internationale Gewerkschaftsbund (ITUC), der Europäische Gewerkschaftsverband (ETUC) und der Gewerkschaftliche Beirat bei der OECD (TUAC) haben am Vorabend des G7-Finanzministertreffens, das morgen in Tokio stattfindet, die Forderung von Dominique Strauss-Kahn (IWF) nach einer koordinierten haushaltspolitischen Antwort auf die aktuelle Rezessionsgefahr in den Industrieländern unterstützt. Die Gefahr einer tiefen Rezession in den USA und anderen OECD-Ländern sei real und berge auch die Möglichkeit des Übergreifens in die Entwicklungsländer. Bei ihren Beratungen sollten die G7-Finanzminister und –Notenbankpräsidenten jedoch von einem erweiterten konjunkturpolitischen Ansatz ausgehen, der sich nicht auf steuerliche Erleichterungen (wie das in dieser Woche verabschiedete 150-Mrd.-Dollar-Paket der Bush-Administration) beschränkt. Einbezogen werden müssten auch andere Aspekte der Nachfrageseite, z.B. die Unterstützung für Lohnerhöhungen.

Nach Ansicht der Gewerkschaftsverbände bildet die Stagnation der Lohneinkommen den Kern der wirtschaftlichen Probleme, mit denen die arbeitenden Familien im OECD-Raum konfrontiert sind. Der Anteil der Löhne am nationalen Einkommen sei nunmehr seit Jahren rückläufig. Auch strukturelle Probleme müssten die G7-Minister angehen, etwa die Ungleichgewichte im Handel und die mangelhafte Regulierung der internationalen Finanzmärkte, die für die gegenwärtige globale wirtschaftliche und finanzielle Unruhe verantwortlich seien.

Erneut faire Regeln in der Spielzeugproduktion gefordert

Aus Anlass der Nürnberger Spielwarenmesse hat die Aktion „fair spielt“ Markenhersteller und Handel dazu aufgefordert, ihren Teil der Verantwortung für gesundheitsschädliches Spielzeug und miserable Arbeitsbedingungen in den asiatischen Spielzeugfabriken zu übernehmen. Der Verhaltenskodex des Weltverbandes der Spielzeugindustrie (ICTI) ist nach Einschätzung der Aktion ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Seit 2003 kontrolliert eine vom Weltverband gegründete Stiftung die Fabriken, legt Verbesserungsmaßnahmen fest und erteilt ein Zertifikat, wenn alle Kriterien eingehalten werden. Dem Bündnis „fair spielt“ gehören das Bischöfliche Hilfswerk Misereor, die Kath. Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd), die Kath. Arbeitnehmer-Bewegung Deutschlands (KAB), das Nürnberger Bündnis Fair Toys und die Werkstatt Ökonomie an.

Für die Einbeziehung der gesamten Handelskette in die Umsetzung des Kodex plädiert auch die frühere Verbraucherschutzministerin Renate Künast, heute Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen. Ver-braucherInnen erwarteten zu Recht sichere Spielzeuge und faire Produktionsbedingungen von der Fabrik in China bis zum Spielwarengeschäft in der City. Nicht nur die Lieferanten trügen dafür die Verantwortung, sondern auch Markenfirmen und Handel durch Lieferverträge, Preise und Fristen.

Für Suki Chung von der Arbeitsrechtsorganisation Labour Action China in Hongkong ist wichtig, dass bei der Überprüfung und Gestaltung der Arbeitsbedingungen die Arbeiterinnen und Arbeiter in den Fabriken mehr Mitspracherechte bekommen. „Das neue chinesische Arbeitsvertragsgesetz, das seit Jahresbeginn in Kraft ist, eröffnet dafür Möglichkeiten, indem es erstmals Kollektivverträge ermöglicht. Darauf muss künftig auch beim ICTI-Kodex geachtet werden.“ Die Aktion „fair spielt“ verlange nichts Unmögliches von Handel und Herstellern, so Elisabeth Stroscheidt von Misereor. Es gehe um nicht mehr und nicht weniger als um die Einhaltung nationaler Gesetze und international anerkannter Arbeits- und Menschenrechtsstandards.

Aktuell haben 43 deutsche Hersteller mit der Umsetzung des ICTI-Kodex bei ihren Lieferanten begonnen. Weit mehr als die Hälfte der Mitglieder des deutschen Branchenverbandes verweigert sich dem Thema noch. Von den 30 deutschen Herstellern, die laut Selbstverpflichtung nur noch bei ICTI-zertifizierten Lieferanten einkaufen dürften, setzen bisher nur 15 ihre Zusage um.

1. Februar 2008

Sind wir jetzt alle Keynesianer? Wieder einmal?

„Sind wir jetzt wieder alle Keynesianer?“, fragt Mark Weisbrot (Photo links) in einem Kommentar, der gerade in der englischen Ausgabe von W&E (>>> Are We ‚All Keynesians Now‘ – Again?) erschienen ist. Die auf ein berühmtes Nixon-Zitat anspielende Frage stellt sich in der Tat anlässlich des gigantischen Konjunkturpakets, das die Bush-Administration in nur zwei Wochen mit dem US-Kongress schnürte. Es ist die keynesianischste Antwort auf eine Rezession, die es offiziell noch gar nicht gibt, und dazu von einer konservativen Politikertruppe in Szene gesetzt. Nimmt man die beiden Zinssenkungen der US-Notenbank (erst 0,75%, dann in dieser Woche nochmals 0,5%) hinzu, dann sieht es tatsächlich so aus, als sei die aktive Konjunkturpolitik, die kurz nach Nixons Abgang von Ronald Reagan und Margaret Thatcher in die Wüste geschickt wurde, wieder da.

Die Gunst der Stunde nutzend, hat der selbst ernannte „Marktwirtschaftssozialist“ Dominique Strauss-Kahn unverzüglich dazu aufgerufen, dass andere Industrieländer dem US-Beispiel Folge leisten. „Länder mit haushalts- und währungspolitischen Spielräumen sollten ein gezieltes, zeitlich begrenztes fiskalisches Anreizprogramm in Erwägung ziehen“, schrieb Strauss-Kahn Mitte der Woche in der Financial Times. Für einen französischen Sozialisten ist das nicht verwunderlich, für einen Geschäftsführenden Direktor des IWF aber schon – galt doch bis vor kurzem als wirtschaftspolitische Kernempfehlung des Fonds, die Regierungen mögen Haushaltsdefizite um jeden Preis vermeiden.

Bleiben da noch die deutschen Ökonomen. Hier muss Weisbrots Frage mit "Nein" beantwortet werden. Denn dieses „kuriose Völkchen“ (Thomas Fricke) hat im Boom der neoliberalen Ideologieproduktion der letzten Jahrzehnte die Konjunkturpolitik so gründlich entsorgt, dass jetzt kaum noch einer weiß, was das überhaupt ist. Natürlich ist noch nicht ausgemacht, was die Keynsianische Trendwende in den USA bewirkt. „Die US-Debatten wirken aber beruhigender als das gruselige deutsche Gequassel darüber, dass man in Zeiten akuter Konjunkturabsturzgefahr am besten spart, also noch weniger Geld ausgibt – und irgendetwas reformiert“, schreibt Thomas Fricke in der Financial Times Deutschland. Recht hat er.