30. Juni 2008

Wie die Versprechen von Gleneagles zu Schall und Rauch werden

Die Staats- und Regierungschefs der G8 sind jetzt auch kollektiv dabei, von ihrem vor zwei Jahren in Gleneagles gegebenen Versprechen abzurücken, die Entwicklungshilfe für Afrika bis 2010 jedes Jahr um 25 Mrd. US-Dollar zu erhöhen. Im Entwurf des Kommuniqués für den kommenden G8-Gipfel in Hokkaido/Japan, den die Financial Times in ihrer heutigen Ausgabe zitiert, wird lediglich allgemein auf „unsere Versprechen von Gleneagles“ hingewiesen, das Ziel von 25 Mrd. Dollar jährlich jedoch nicht mehr erwähnt. Im letzten Jahr in Heiligendamm war dies noch im Kommuniqué enthalten.

Ein ähnliches scheibchenweises Abrücken der G8 von ihren eigenen Zusagen betrifft die Verpflichtung, bis 2010 den universellen Zugang zu Behandlung und Prävention von HIV/AIDS zu gewährleisten. Hier spricht das Kommuniqué jetzt nur noch allgemein vom Kampf gegen HIV/AIDS, nennt aber das Zeitziel 2010 nicht mehr explizit. Umstritten soll unter den G8-Führern auch sein, wie man es mit den in Heiligendamm „für die kommenden Jahre“ versprochenen 60 Mrd. US-Dollar für den Kampf gegen Malaria, Tuberkulose und AIDS hält.

Zwar betonen G8-Diplomaten, dass die Formulierungen des Gipfelkommuniqués noch verändert werden könnten, jedoch ist jetzt schon ziemlich deutlich, wie sich die Versprechungen von Gleaneagles nach und nach in Schall und Rauch auflösen. Für die Umsetzung der UN-Millenniumsziele ist dies unmittelbar gleichbedeutend mit weiteren Abstrichen.

G8-Proteste in Japan (Video)

27. Juni 2008

Entwicklungshilfe: Merkel vor dem Wortbruch

Kurz vor dem G8-Gipfel, der vom 7.-9. Juli auf Hokkaido in Nordjapan stattfindet, ist die Bundeskanzlerin dabei, ihre internationalen Versprechen in Sachen Aufstockung der Entwicklungshilfe zu brechen. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung wird sich die Bundesregierung nicht an ihre Ankündigung halten, die Entwicklungshilfe bis 2010 drastisch zu erhöhen. Das geht aus dem Entwurf des Bundeshaushalts 2009 und der mittelfristigen Finanzplanung hervor, die das Kabinett in der nächsten Woche verabschieden will. Als Grund gilt das Bemühen der Koalition, die Neuverschuldung bis 2011 auf Null zu reduzieren.

Deutschland hatte sich bereits vor Jahren dazu verpflichtet, die Entwicklungshilfezahlungen bis 2010 auf 0,51% des Bruttonationaleinkommens (BNE) anzuheben. Merkel hat dies mehrfach bekräftigt, u.a. auf dem G8-Gipfel im vergangenen Jahr in Heiligendamm. Die Haushaltsplanung von Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) zeigt jedoch jetzt, dass der Etat Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) zwar überdurchschnittlich erhöht werden soll, aber längst nicht im notwendigen Maße. So wächst Wieczorek-Zeuls Budget wie schon im Vorjahr um über zehn Prozent. Dennoch wird die sogenannte ODA-Quote, also das Verhältnis von Entwicklungshilfe zum BNE, bei 0,37% verharren oder allenfalls marginal steigen. Grund dafür sind das starke Wirtschaftswachstum in Deutschland und auslaufende Schuldenerlassprogramme zugunsten armer Länder, die die Regierung auf die Quote anrechnet.

"Wir brauchen fast das gesamte Geld, um die 0,37% zu stabilisieren. Damit wird es unmöglich, ein Jahr später 0,51% zu erreichen", zitiert die SZ Regierungskreise. Hinter den unscheinbar wirkenden Prozentzahlen verbirgt sich eine Finanzierungslücke von mehr als 3 Mrd. €. Wieczorek-Zeul hofft nun, zusätzliche Geldquellen zu finden. So soll etwa ein Teil der Einnahmen aus dem Verkauf von Luftverschmutzungszertifikaten in die Entwicklungshilfe fließen.
Auf Merkel könnten damit schon beim G8-Treffen in Japan kritische Fragen zukommen. Allerdings hinken auch viele andere G-8-Staaten weit hinter ihren Versprechen her. Das optimalste künftige Szenario bestünde noch darin, wenn der Haushaltsengpass bei der Entwicklungshilfe einen Durchbruch bei der Mobilisierung alternativer und innovativer Finanzierungsquellen zur Folge hätte. Ob da aber die CDU mitmacht, ist fraglich.

26. Juni 2008

Seuchenherd Wall Street

Mit Seuchenherd Wall Street hat das Wiener Südwind-Magazin meinen jüngsten Kommentar zur Finanzkrise überschrieben. Der kurze Artikel beschreibt, wie die offiziellen Reaktionen zwischen Marktfundamentalismus und Re-Regulierung hin- und herpendeln und den Grundproblemen der Krise dennoch nicht gerecht werden. Hier ist der Text:

Der finanzielle Schaden, der mit der im letzten Sommer ausgebrochenen Immobilien- und Kreditkrise einher geht, übertrifft alles, was die Finanzwelt in den letzten beiden Jahrzehnten erlebt hat. Auf nahezu 1 Billion US-Dollar beziffert ihn der Internationale Währungsfonds (IWF) in seinem neuesten Bericht zur Finanzstabilität. Für den US-amerikanischen Starökonomen Nouriel Roubini markiert diese Zahl ein Mindestmaß und keineswegs eine Obergrenze.
Jedenfalls übertroffen werden die Verlustdimensionen, die mit der Japankrise in der ersten Hälfte der 1990er Jahre und der Asienkrise einhergingen. Größer als die Kapitalvernichtung im Gefolge des Zusammenbruchs des US-Hedgefonds LTCM 1998 oder des Platzens der Internetblase Anfang 2000 sind sie sowieso. Und dabei sind hier bloß die direkten Verlustabschreibungen der Banken und anderer Finanzinstitutionen eingerechnet - die indirekten Kosten für die Realwirtschaft sind noch gar nicht absehbar. Umso wichtiger wird die Frage nach den Ursachen.
Von der Asienkrise unterscheidet sich die aktuelle Krise u.a. dadurch, dass die Ursachenanalyse nicht zu irgendeinem crony capitalism (eine Art Kumpanei-Kapitalismus; Anm. d. Red.) in den aufstrebenden Ökonomien des Südens führt, sondern direkt in das Herz der Weltfinanzen, an die Wall Street, mit ihren komplexen, innovativen "Produkten" wie der Verbriefung von Schuldtiteln und Anlagewerten. Gemeinsam mit ihren Vorgängern hat sie das allgemeine Muster von steigenden Anlagepreisen, expandierender Kreditvergabe, zunehmender Spekulation bis zum Exzess und dann fallenden Preisen, Zahlungsinsolvenzen und schließlich ausbrechender Panik der "Anleger".

Dass die Krise im Immobiliensektor der USA ihren Ausgang nahm, ist kein Zufall. Lange und oft ist auf das bevorstehende Platzen der Immobilienblase hingewiesen worden. Das unmittelbare Übergreifen auf den Finanzsektor erklärt sich daraus, dass die Ansprüche der Banken auf die von ihnen ausgegebenen Hauskredite minderer Bonität ("Subprime-Kredite") umgehend weitergereicht wurden, und zwar in Form von Schulden- bzw. Anlagen-besicherter Papiere, den sog. ABS ("Asset Backed Securities") oder CDO ("Collateralized Debt Obligations"). Zum Alphabet der aktuellen Finanzkrise gehören jedoch auch die LBO ("Leveraged Buy-Out"). Diese sind eng mit der jüngsten Welle von Firmenübernahmen und -zusammenschlüssen verbunden, bei der in einem Ausmaß kreditfinanziert wurde, das bei weitem nicht mehr durch den Wert der übernommenen Firmen gedeckt war.
Alle diese Titel wurden und werden von den Banken verbrieft und international gehandelt, wodurch das Gläubigerrisiko internationalisiert wird, was seinerseits ein hohes internationales "Ansteckungspotenzial" erzeugt.

Verbunden mit der jüngsten Finanzkrise ist ein überdurchschnittlich hohes Niveau an Unsicherheit und Misstrauen der Marktteilnehmer untereinander und daher ein höheres Risiko einer Kettenreaktion. Der US-Ökonom Paul Krugman hat diese Mechanismen so beschrieben: "Die Finanzinstitution A kann ihre Immobilien-gedeckten Wertpapiere nicht verkaufen, so dass sie nicht genug Barmittel aufbringen kann, um ihre Verbindlichkeiten bei der Institution B zu bedienen. Die wiederum hat dann nicht mehr die Mittel, um die Institution C zu bezahlen. Und die, die Barmittel haben, sitzen auf ihnen, weil sie niemandem mehr zutrauen, einen Kredit zurückzahlen zu können, was die Situation noch mehr verschlimmert."
Das ist die Situation, die vor allem die Europäische Zentralbank, aber auch die US-amerikanische FED und die Bank of England veranlasst hat, weit mehr Liquidität in den Interbankenmarkt zu pumpen als bei allen anderen Krisen zuvor. Dabei ist längst klar, dass es sich um wesentlich mehr als um eine Liquiditätskrise handelt. Vielmehr verknüpfen sich mit den Liquiditätsproblemen Elemente einer Insolvenz- und Schuldenkrise, die nach tiefer greifenden Lösungsansätzen verlangen.

Zentral für die aktuelle Krise ist, dass ihr Entstehungspotenzial sich weitgehend außerhalb der durch staatliche Regulierungsmechanismen erfassten Bereiche der Finanzwirtschaft entwickelt hat. Wie George Soros schreibt, bestand das Grundübel darin, dass einem "Marktfundamentalismus" gehuldigt wurde, dessen zentraler Glaubenssatz die Fähigkeit der Märkte zur Selbstkorrektur ist. Insofern signalisiert die aktuelle Krise auch den Zusammenbruch dieses neoliberalen Glaubensgebäudes.
Die aktuellen Versuche des Krisenmanagements werden dieser Diagnose keineswegs gerecht. Sie konzentrieren sich auf den Versuch, in den Handel mit den "neuen Produkten" mehr Transparenz zu bringen, um zu ihrer besseren Bewertung, einschließlich eines besseren Risikomanagements, zu gelangen. Gefordert wäre jedoch eine direkte Regulierung der Märkte, und da Regulierungsmaßnahmen immer die Gefahr bergen, den "Innovationen" der Märkte hinterherzulaufen, auch direkte Interventionen und Verbote in besonders gefährlichen und risikoträchtigen Marktsegmenten.
Gefragt, ob derlei Interventionen nicht die Vorteile der finanziellen Globalisierung erheblich mindern könnten, antwortete der US-Ökonom Dank Rodrik von der Harvard-Universität mit frappierender Offenheit: Es sei sehr schwer, solche Vorteile zu entdecken, wenn man nicht zu indirekten oder spekulativen Argumenten Zuflucht nehme. Es sei höchste Zeit für ein neues Modell der finanziellen Globalisierung, das endlich anerkenne, dass mehr nicht notwendigerweise besser ist.

25. Juni 2008

G8-Reform: Abgekühlte Debatte

Mit dem näher kommenden G8-Gipfel im japanischen Hokkaido im nächsten Monat (7.-9. Juli) nehmen auch die Meinungsäußerungen wieder zu, wie der exklusive Klub reformiert, d.h. erweitert werden könnte. Allerdings ist die Debatte im Vergleich zum letzten Gipfel in Heiligendamm deutlich abgekühlt. Der Druck, auf den die Bundesregierung mit dem sog. Outreach-5-Prozess (d.h. der regelmäßigen Einladung von fünf Schwellenländern zu ausgewählten G8-Themen) reagierte, hat deutlich nachgelassen. Vier Beispiele:


* Um Fragen wie die geordnete Rückführung der globalen Ungleichgewichte und ein „Asiatisches Plaza-Abkommen“ vorzubereiten, hat der US-Ökonom Fred Bergsten kürzlich dafür plädiert, eine „neue G5“ zu schaffen, zu der neben den USA, Japan und der Eurozone auch China und Saudi-Arabien gehören sollten.

* Interessanterweise hat sich der republikanische Präsidentschaftskandidat dafür ausgesprochen, die G8 um Indien und Brasilien zu erweitern und dafür Russland auszuschließen – ein Vorschlag, der zwar nach dem Geschmack der „political correctness“ der US-Konservativen sein, jedoch keine Realisierungschance haben dürfte – schon deshalb, weil die Chinesen fehlen.

* Eine andere Überlegung steuerte dieser Tage die Times of India bei: Eine repräsentativere G8 sei möglicherweise realistischer zu erreichen als eine Reform des UN-Sicherheitsrats. Während die alten Mächte im Sicherheitsrat an ihren Ständigen Sitzen mit Vetorecht kleben, müsse die G8 perspektivisch daran interessiert sein, die weltwirtschaftlichen Machtverhältnisse widerzuspiegeln, und zwar so, wie sie wirklich sind und nicht, wie sie sich einige wünschen.

* Der Politologe Anthony Payne schreibt in einem Aufsatz für International Affairs, zwar seien Länder wie China, Indien und Brasilien stark daran interessiert, sich internationalen Institutionen anzuschließen, aber nicht um jeden Preis. Zwar reiche das deutsche Outreach-Konzept zwei Jahre über den Heiligendamm-Gipfel hinaus. Auf der anderen Seite machten die japanische und die im nächsten Jahr folgende italienische G8-Präsidentschaft bislang nicht gerade den Eindruck, als wären sie daran interessiert, die G8-Reform über die Katzentisch-Perspektive hinauszutreiben.

Letzteres ist der entscheidende Punkt. Eine Reform der G8 muss aufgrund der Klubstruktur aus ihr selbst kommen; sie lässt sich nicht einfach von außen aufzwingen oder vorschreiben. So weit haben die Gründungsväter gedacht – dass ihnen nicht dasselbe widerfahren kann wie in der UNO. Doch das war ja für viele G8-Kritiker der Konstruktionsfehler von Anfang an.

21. Juni 2008

Grüne: Es geht nicht nur um Staatsfonds

Die Debatte um die sog. Staatsfonds aus Schwellenländern („souvereign wealth funds“) ist für die Bundestagsfraktion der Grünen nur ein Anlass, durch multilaterale Regeln Rahmenbedingungen für eine nachhaltige internationale Investitionspolitik zu schaffen. In einem Antrag (16/9612) wird die Bundesregierung aufgefordert, sich für ein multinationales Investitionsabkommen einzusetzen, in dem Rechte und Pflichten von Investoren klar definiert werden. Die Regierung müsse dafür sorgen, dass die Menschenrechte sowie ökologische und soziale Standards eingehalten werden und diese Standards auch in allen bilateralen Handelsabkommen der Welthandelsorganisation (WTO) verankert werden.

Die Abgeordneten plädieren zudem für mehr Transparenz in den Führungsstrukturen und bei der Investitionspolitik von Staatsfonds und anderen Fonds. Durch eine politische Initiative solle die Bundesregierung in der EU eine Harmonisierung der Regeln zur Investitionskontrolle anstoßen. Darüber hinaus wünschen sich die Grünen eine staatliche Kontrolle von Monopolen, die aus technischen Gründen notwendig sind, etwa der Stromnetze. Ein Zugriff von Investoren, die aus machtpolitischen Gründen handeln, müsse ebenso verhindert werden wie eine Ausnutzung dieser Monopole durch Unternehmen mit großer Marktmacht. Ebenso müssten Kriterien entwickelt werden, wonach Investoren als "marktgefährdend" eingestuft werden können. Dazu zählten auch Faktoren wie Korruptionsanfälligkeit und die Verflechtung mit politischen Institutionen. Für erfolgversprechend halten die Abgeordneten die Einführung eines Korruptionsregisters.

Die Sorge vor einer unkontrollierten Machtkonzentration auf den Kapitalmärkten sei nicht unbegründet, heißt es in dem Antrag weiter. Eine Beschränkung der Diskussion auf die Staatsfonds ergebe jedoch keinen Sinn. Die Rolle von Hedgefonds und Private-Equity-Fonds gehöre mit in die Debatte um Macht auf den Finanzmärkten, um Systemrisiken und um die Rolle über Unternehmen. – Mit dem Plädoyer für ein multilaterales Investitionsabkommen fassen die Grünen ein heißes Eisen an. Eine entsprechende Initiative Mitte der 1990er Jahre für ein MAI in der OECD, das allerdings einseitig auf die Absicherung der Investorenrechte ausgerichtet war, stieß damals auf großen Widerstand in der Zivilgesellschaft und bei Entwicklungsländern. Zwar lässt sich durchaus ein Regelungsdefizit bei grenzüberschreitenden Investitionen konstatieren, ob die Zeit allerdings reif ist für ein ausgewogeneres Regelwerk als das gescheiterte MAI, müsste erst noch getestet werden.

19. Juni 2008

IFIs unter Reformdruck von innen

Zwei neue interne Evaluierungsberichte des IWF und der Weltbank dürften dazu beitragen, den Druck auf die Reform der beiden Finanzinstitutionen zu erhöhen. Ein Bericht des Unabhängigen Evaluierungsbüros (IEO) des IWF vom 28.5. untersucht die Governance-Strukturen des Fonds und kommt zu dem Ergebnis, dass diese auch nach der jüngsten Stimmrechtsreform viel zu wünschen übrig lassen. Als schwächste Punkte werden die geringe Effizienz, die mangelnde Repräsentativität und schwache Rechenschaftsmechanismen herausgestellt.

Der Bericht der Unabhängigen Evaluierungsgruppe (IEG) der Weltbank kritisiert den jährlichen „Doing Business“-Report der Weltbank-Tochter IFC (International Finance Corporation), der das Investitionsklima in den Entwicklungsländern messen soll, als einseitig auf Deregulierung und Privatisierung ausgerichtet. Besonders von Gewerkschaftsseite war immer wieder beklagt worden, dass Länder mit rigorosen Hire-and-Fire-Praktiken von der IFC als Investitionsziele angepriesen werden. Jetzt spricht der Internationale Gewerkschaftsbund (ITUC) der IFC und den „Doing Business“-Autoren generell das Recht ab, über arbeitspolitische Fragen zu urteilen (>>> WDEV Newsblog).

Vor allem der IEG-Bericht der Weltbank illustriert ein weiteres Mal die anhaltenden Differenzen in der Bank über ihren weiteren Kurs nach dem Ende des Washington Consensus. Eine von der Weltbank eingesetzte Kommission für „Wachstum und inklusive Entwicklung“ war kürzlich zu dem Ergebnis gekommen, die bislang geltende neoliberale Einheitsrezeptur der Bank durch einen flexibleren Policy-Mix zu ersetzen. Eine Vorstellung des Berichts der Wachstumskommission enthält die neue Ausgabe des Informationsbriefs Weltwirtschaft & Entwicklung (s. ABbb.; >>> W&E 06/2008).

15. Juni 2008

G8-Finanzminister in Osaka: Weichen falsch gestellt

In einem Kommentar für die Juni-Ausgabe des Wiener Südwind-Magazins kritisiere ich zum wiederholten Male die Unzulänglichkeit des westlichen Krisenmanagements in der akuten Finanzkrise, die mittlerweile um eine Öl- und eine Nahrungsmittelkrise ergänzt wurde. Auf ihrem Treffen im japanischen Osaka an diesem Wochenende haben die G8-Finanzminister wenig getan, um solcherlei Kritik zu entkräften. In ihrem gemeinsamen Statement beschworen sie die hohen Öl- und Lebensmittelpreise als Gefahr für die Weltwirtschaft, hatten jedoch keine Rezepte im Angebot, um der Gefahr zu begegnen. Uneinigkeit herrschte über die Rolle der Spekulation an den Rohstoffmärkten, so dass wieder einmal lediglich eine Studie in Auftrag gegeben wurde, diesmal beim IWF und der Internationalen Energieagentur. In puncto Reform der Finanzmärkte lobten die Minister einfach sich selbst, indem sie auf die Fortschritte bei der Umsetzung der bereits beim letzten Treffen verabschiedeten Maßnahmen des Forums für Finanzstabilität hinwiesen.

Das Treffen sollte traditionsgemäß den G8-Gipfel vorbereiten, der vom 7.-9. Juli in Hokkaido stattfinden wird. Wenn bei den finanzpolitischen Beschlüssen im engeren Sinne Fehlanzeige konstatiert werden musste, so wurden die Weichen in Bezug auf den Gesamtgipfel schlicht falsch gestellt. In einem weiteren Statement und einem G8-Aktionsplan zum Klimawandel drückten die Finanzminister ihre Rückendeckung für die Klimainvestitionsfonds aus, die die Weltbank im nächsten Monat ins Leben rufen will. Die von den G8-Mächten USA, Großbritannien und Japan ausgehende Initiative ist auf scharfen Widerspruch bei NGOs gestoßen, da sie sich außerhalb des UN-Verhandlungsrahmens für die Post-Kyoto-Zeit und des projektierten UN-Adaptation-Fonds bewegt (>>> Erklärung von 121 NGOs). In Osaka formulierten die Minister zwar, die Fonds hätten Interimscharakter; doch die unter Führung der Weltbank geschaffenen Fakten werden nicht so schnell zu korrigieren sein.

Wenig originell ist schließlich der in Osaka verabschiedete Aktionsplan zur Förderung des Wachstums in Afrika, der mit seiner einseitigen Ausrichtung auf den Privatsektor dieselbe Handschrift trägt wie die diesbezüglichen Beschlüsse des G8-Gipfels von Heiligendamm. – Auch in Bezug auf die Öffnung der G8 gegenüber dem Rest der Welt produzierten die Japaner eher Kopien als Originale. So fand in Osaka ein weiteres sog. Outreach-Treffen statt, diesmal als Abendessen und als Frühstück. Teilnehmer waren die Finanzminister Australiens, Thailands, Brasiliens, Chinas, Koreas und Südafrikas. Zu den Ergebnissen gab es keine Verlautbarungen. Von den Versprechen des G8-Gipfels in Gleaneagles zur Aufstockung der Entwicklungshilfe war keine Rede mehr.

14. Juni 2008

US-NGOs: Kein IWF-Goldverkauf ohne Politikwechsel

Rund 80 zivilgesellschaftlichen Gruppen in den USA sehen derzeit eine reele Chance – wahrscheinlich die größte in diesem Jahrzehnt und in der absehbaren Zukunft, über den US-Kongress einen echten Politikwechsel beim Internationalen Währungsfonds herbeizuführen. Mit einer neuen Kampagne zielen sie auf die Beendigung der schädlichen Kreditvergabebedingungen des IWF, die vor allem ärmere Länder oft davon abhalten, ihre öffentlichen Investitionen im Bildungs- und Gesundheitswesen zu erhöhen. Nachdem die Großkunden des IWF ihre Kredite vorzeitig zurückgezahlt haben, sucht der IWF dringend nach neuen Einnahmequellen. Das wichtigste Vorhaben in diesem Zusammenhang ist der geplante Verkauf eines Teils der Goldvorräte des IWF, um aus den Erlösen einen Trustfonds einzurichten, dessen Einnahmen zur Finanzierung der laufenden Verwaltungskosten des IWF verwendet werden sollen. Der Verkauf des IWF-Goldes bedarf jedoch in den USA der Zustimmung des Kongresses – der entscheidende Ansatzpunkt der NGOs.

In einem Offenen Brief an den Kongress rufen die US-NGOs jetzt dazu auf, dem Goldverkauf nur zuzustimmen, wenn zugleich der Inhalt der politischen Konditionen bei der IWF-Kreditvergabe geändert wird. Derzeit steht bei vielen US-Abgeordneten das Interesse an der IWF-Politik gegenüber Staatsfonds aus Schwellenländern oder der chinesischen Währungspolitik im Mittelpunkt. Die NGOs wollen jedoch darauf hinarbeiten, dass sich die Kongressmitglieder stärker auch für das Los der ärmsten Länder, die nach wie vor zur Klientel des IWF gehören, interessieren. In dem Offenen Brief wird u.a. gefordert, dass Entwicklungsländer Auslandshilfe für die vorgesehenen Zwecke (und nicht für die Schuldenrückzahlung) verwenden dürfen und dass Kürzungen im Bildungs- und Gesundheitssektor von Budgetvorschriften ausgenommen werden.

Es ist nicht das erste Mal, dass NGOs versuchen, über pragmatische Koalitionen mit Kongressabgeordneten Reformen in den internationalen Finanzinstitutionen durchzusetzen. Diesmal gelten die Erfolgschancen jedoch als besonders real, weil bei den kommenden Wahlen mit einer weiteren Stärkung der Mehrheit der Demokraten gerechnet wird und mit Dominique Strauss-Kahn an der Spitze des IWF ein Politiker steht, der sich einer Überprüfung der IWF-Konditionalität nicht verschließen dürfte, wenn er zu seinen öffentlichen Bekundungen steht.

13. Juni 2008

G8 vor Glaubwürdigkeitskrise: Spiel mit 5 Millionen Menschenleben

Einen ersten Glaubwürdigkeitstest im diesjährigen Reigen der G8-Treffen sehen NGOs wie Oxfam an diesem Wochenende, wenn sich die Finanzminister im Rahmen der japanischen G8-Präsidentschaft in Osaka treffen. Ein von Oxfam veröffentlichter Bericht Credibility Crunch: Food, Poverty and Climate Change – An agenda for rich country leaders weist darauf hin, dass ein Loch von 30 Mrd. US-Dollar gestopft werden muss, wenn die G8 ihren Versprechen aus den vergangenen Jahren gerecht werden wollen. Im Jahre 2005 haben die G8 in Gleneagles ein Wachstum der Entwicklungshilfe um 50 Mrd. US-Dollar jährlich zugesagt, doch die jetzt entstandene Entwicklungshilfe-Lücke wird 5 Millionen Menschenleben kosten, sagt Oxfam. Dabei geht die Hilfsorganisation davon aus, dass mit dem von der OECD im April bestätigten Rückstand von 30 Mrd. US-Dollar allein 2010 überlebenswichtige Hilfeleistungen für 5 Millionen Kinder, Mütter und an HIV/AIDS Erkrankte zur Verfügung gestellt werden könnte, wenn man die Bedarfssätze internationaler Organisationen wie WHU und UNAIDS zugrunde legt.

In Osaka treffen sich an diesem Wochenende „dieselben Minister, die in sechs Monaten mehr als eine Billion Dollar ausgaben, um ihre eigenen Banken zu retten, doch sie sind nicht in der Lage, einen Bruchteil davon für die Rettung von Menschenleben abzuzweigen“, erklärte der Autor des Oxfam-Reports, Max Lawson. Die drohende Rezession dürfe keine Ausrede sein, um von den gegebenen Versprechen abzurücken.

Der Oxfam-Bericht ruft die G8 dazu auf, der derzeitigen Nahrungsmittelkrise mit energischer Nothilfe zu begegnen und sicherzustellen, dass dieses Geld – einschließlich der in der letzten Woche auf dem Gipfel in Rom zugesagten 6 Mrd. US-Dollar – zusätzlich zu den bereits zugesagten Hilfeleistungen zur Verfügung gestellt wird. In dem Bericht wird die anteilige Verantwortung der Biosprit-Expansion für den aktuellen Anstieg der Nahrungsmittelpreise auf 30% beziffert. In Bezug auf den Klimawandel weist Oxfam darauf hin, dass viele Zusagen an die armen Länder zur Milderung der Konsequenzen des Klimawandels einfach Umwidmungen bestehender Entwicklungshilfe-Budgets sind. – In der Tat sehen sich die Entwicklungsländer derzeit einer dreifachen Ungerechtigkeit gegenüber: Sie zahlen den Preis für die Erdverschmutzung durch die reichen Länder. Das wenige Geld, das ihnen als Kompensation zugesagt wird, zweigt man von der bereits zugesagten und bitter notwendigen Entwicklungshilfe ab. Und als Krönung verlangt der Norden dann, dieses Geld mit Zins und Zinseszins zurückzuzahlen.

12. Juni 2008

Merkel und Finanzmärtke: Wiedervorlage für Hokkaido

Rechtzeitig zum G8-Gipfel im Juli in Hokkaido/Japan und vor dem G8-Finanzministertreffen an diesem Wochenende hat sich die deutsche Bundeskanzlerin, Angela Merkel, mit einem unerledigten Tagesordnungspunkt von Heiligendamm zurückgemeldet. Gegenüber der Financial Times gab sie gestern zu Protokoll, das angelsächsische Modell der Regulierung der Finanzmärkte sei gescheitert. Der G8-Gipfel, auf dem erwartungsgemäß das Thema Finanzmarktreform eine größere Rolle spielen dürfte, müsse anerkennen, dass das aktuelle Modell die wachsende Bedeutung der Eurozone grob unterbewerte. Kontinentaleuropa solle die Führung bei der Entwicklung neuer Regeln für die Finanzmärkte übernehmen.

Im Rückblick ist es frappierend, wie schnell die Finanzmärkte wieder ganz ob auf die globale Agenda geschnellt sind, nachdem der deutschen Hedgefonds-Initiative auf dem G8-Gipfel in Heiligendamm eine Beerdigung dritter Klasse zuteil wurde. Zwar standen die Hedgefonds nicht im Zentrum der sog. Subprime-Krise, doch die Gefährlichkeit der sog. innovativen Finanzinstrumente bestreitet seither kaum noch jemand. Und zwischen der Niederlage der Bundesregierung in Heiligendamm und dem Ausbruch der neuerlichen Kreditkrise lagen gerade mal fünf Wochen.

Nicht ohne Genugtuung kann die Kanzlerin da darauf hinweisen, dass die Deutschen schließlich als erste im G8-Kreis für neue Regulierungsschritte gegenüber den Finanzmärkten geworben haben – auch wenn sich Finanzminister Steinbrück stets darum bemühte, die deutsche Initiative als Bemühen um mehr Transparenz herunterzuspielen. Auch was jetzt im Gepäck für die G8-Events in Japan ist, glänzt nicht gerade durch Originalität, aber immerhin. Geht es nach dem FT-Interview, schwebt der Kanzlerin die Gründung einer europäischen Ratingagentur vor, die die Dominanz die Dominanz von Moody’s und Standard and Poor’s brechen soll. Den Ratingagenturen soll grundsätzlich untersagt werden, Finanzprodukte zu bewerten, an deren Schaffung sie selbst beteiligt waren. Außerdem hat die Bundesregierung den Vorschlag im Gepäck, die Rücklagevorschriften für die Banken zu verschärfen. Neu nachgedacht werden müsse über das Verhältnis zwischen Kapital und Risiko. „Doch diese Regeln können nur auf internationaler Ebene diskutiert werden“, so die Merkel. Wiedervorlage in Hokkaido also.

11. Juni 2008

Somavia: Globalisierung ohne soziale Gerechtigkeit unhaltbar

Die internationale Gemeinschaft müsse dringend Gegenmaßnahmen ergreifen, um sich einer „Globalisierung ohne soziale Gerechtigkeit“ entgegenzustellen, sagte der Generaldirektor der ILO, Juan Somavia (s. Foto), gestern in seiner Hauptrede auf der 97. Jahreskonferenz der Internationalen Arbeitsorganisation in Genf. „Globalisierung ohne soziale Gerechtigkeit … schafft Wachstum ohne genügend hochwertige Arbeitsplätze … ein stetes Wachstum der Produktivität, aber nicht der Löhne … Fortschritte im Kampf gegen die extreme Armut, vertieft aber gleichzeitig die Ungleichheit“, so Somavia.

Laut Somavia habe die ILO die einmalige Chance, eine zentrale Rolle beim Aufbau eines Systems der Global Governance zu spielen, das finanzielle Stabilität und Investitionen für Entwicklung mit fairem Handel und menschenwürdiger Arbeit kombiniert. In Anspielung auf die aktuelle Finanzkrise sagte der ILO-Direktor: „Wir haben viel über die Suprime-Krise der Finanzmärkte gehört. Aber es gibt auch eine Krise, die ich Krise der ‚Subprime-Arbeit‘ nennen würde – minderwertige und verwundbare Jobs, ohne grundlegende Rechte, ohne Grundsicherheit, ohne Aussicht auf Aufstieg und Würde.“

Die internationale Gemeinschaft solle – aufbauend auf den Millenniumszielen (MDGs) – eine wirksame „soziale Barriere“ entwickeln, die die Menschen davor bewahrt, in die Not abzurutschen und ihnen hilft, Armut zu überwinden und auf der Leiter der Chancen aufzusteigen. „Wir können die Beschäftigungsmöglichkeiten für die drei Milliarden Menschen, die in Armut leben, beträchtlich ausweiten. Wir können zur Schaffung eines arbeitsintensiven und nachhaltigen Wachstumsmusters beitragen“, so Somavia. – Sicher enthält die Rede des ILO-Generaldirektors substantiell nichts, was er nicht schon früher gesagt hätte. Vielleicht passt sie heute aber etwas besser in die Landschaft, seit die „inklusive Globalisierung“ auch in das rhetorische Standardrepertoire der Weltbank aufgestiegen ist und der Abgesang auf den Washington Consensus zu ihrer offiziellen Linie gehört (>>> Beerdigung des Washington Consensus).

6. Juni 2008

Rohstoffspekulation: Soros warnt vor Gefahr einer Superblase

In der Auseinandersetzung um die Ursachen der jüngsten Explosion der Nahrungsmittel- und Rohstoffpreise haben die Protagonisten der Spekulationsthese einen prominenten Kronzeugen bekommen. Vor dem Handelsausschuss des US-Senats hat der Finanzmagnat George Soros, der sein Vermögen zum großen Teil selbst der Spekulation verdankt, den institutionellen Investoren in dieser Woche vorgeworfen, durch verstärkte Investitionen in Rohstoffpreisindices zum Aufbau einer Spekulationsblase beigetragen zu haben. Zusammen mit der gegenwärtig platzenden Immobilienblase in den USA hätten wir es mit einer „Superblase“ zu tun, so Soros, deren Resultat immer neue Instabilität sein könne.

Nach Angaben der Bank Lehman Brothers sind die in Rohstoffindices investierten Vermögenswerte seit Anfang 2006 von 70 Mrd. US-Dollar auf 235 Mrd. US-Dollar Mitte April 2008 nach oben geschnellt. Soros warnt in diesem Zusammenhang vor einem Crash wie im Oktober 1987, wenn dieses Kapital sich plötzlich und en masse wieder aus dem Rohstoffbereich zurückzieht.

Um die Rohstoffspekulation zurückzudrängen, hält Soros einige Vorschläge bereit: So sollte der Gesetzgeber die Spekulation auf Rohstoffindices entmutigen, indem er die Rücklagevorschriften bei solchen Anlagen verschärft. Den Pensionsfonds sollte die Spekulation in diesem Bereich ganz untersagt werden. Und auch verschiedene Techniken, die von den Spekulanten genutzt werden, um Finanzmarktregulierungen zu umgehen, sollten ganz verboten werden. – Könnte es sein, dass George Soros so nach und nach zu einem Kandidaten für die attac-Mitgliedschaft wird? In ein gerade erschienenes attac-Papier zur „demokratischen Kontrolle der Finanzmärkte“ würden seine Vorschläge jedenfalls gut hineinpassen.

4. Juni 2008

50 Jahre EIB: Hoffnung auf Reformen

Wäre die Europäische Investitionsbank (EIB) selbst so transparent und ökologisch wie ihr neues Gebäude (auf dem Foto links), das sie Anfang dieser Woche pünktlich zu ihrem 50. Jahrestag einweihte, hätte sie alle Chancen, eine Art „Everybody’s Darling“ der NGO-Szene zu werden. Diese feierte den Jahrestag der europäischen Hausbank mit dem Slogan “Weise mit 50 Jahren - hoffen wir" und der Verteilung einer dem „Luxemburger Wort“ nachempfundenen Zeitung („Luxemburger Wahl“), die ausführt, wie die EIB in einer schönen, neuen, nachhaltigen Zukunft mit Kleinprojekten und starker Beteiligung lokaler Bevölkerung aussehen könnte. Die von dem Netzwerk „Counter Balance“ organisierte Aktion fand parallel zum Jahrestreffen der EIB-Gouverneure statt.

Counter Balance-Mitglied Anders Lustgarten schlüpfte für einen Tag in die Rolle des Politikchefs der EIB und stellt die positive Vision für die EIB in zwei Pressekonferenzen vor: “Die neue Vergabepolitik bedeutet das Ende der EIB-Beteiligung an fossilen Energie- und Bergbau-Projekten; ausschließliche Unterstützung für Projekte, die EU Politiken entsprechen und lokaler Bevölkerung zugute kommen; Ausschluss jeglicher Finanzierung für die Atomindustrie und die Zusicherung, dass zukünftige Investitionen im Verkehrssektor zur Verringerung des Kohlendioxidausstoßes führen." In der „Luxemburger Wahl“ wird u.a. berichtet, dass die EIB ihre Umweltabteilung bis zum Jahresende von 4 auf 400 Mitarbeiter aufstockt.

Die europäische Hausbank hat im vergangenen Jahr fast 50 Mrd. € vergeben – rund doppelt so viel wie die Weltbank. Bisher haben Umweltorganisationen sowohl in Europa als auch weltweit die EIB immer wieder kritisiert, weil die Institution zu wenig transparent sei, ihr verbindliche Umwelt- und Sozialstandards fehlten - vor allem für ihre zunehmenden Aktivitäten in Afrika, Asien und Lateinamerika - und sie große Projekten im Bereich fossiler Brennstoffe finanziere. Dies widerspreche den willkommenen Bemühungen der Bank, vermehrt in Erneuerbare Energien zu investieren. Inzwischen werden Fortschritte bei der Reform der EIB-Vergabepolitik aber durchaus eingeräumt.

Auch die Botschaft der Counter Balance-Aktion zum 50. Jahrestag war klar: Man hoffe auf weitere Reformen in der Zukunft. Prince Kumwamba von der kongolesischen NGO ACIDH, die Mitglied bei Countrer Balance ist, sagte: “Die angekündigten Änderungen der EIB-Vergabepolitik wären wunderbar. Sie entsprächen endlich dem, was die Wirtschaft und die Gesellschaft im Süden wirklich brauchen. Viel mehr als große Ölfelder oder Tagebergbau, bei denen die natürlichen Ressourcen abgeschöpft werden und uns wenig mehr bleibt als die Aufräumarbeiten. Wenn diese Politiken Wirklichkeit würden, hätten wir wirklich etwas zu feiern."

Wenig amüsiert war freilich das „Luxemburger Wort“, das sich heute formell von der „Luxemburger Wahl“ distanzierte und sich sogar rechtliche Schritte gegen die Urheber vorbehielt. Dabei könnte die Aktion der NGOs durchaus einen Beitrag dazu geleistet haben, einen Missstand zu beheben, den das „Wort“ gestern noch beklagte: „Die Bedeutung der EIB wird in ihrem Gastland größtenteils ignoriert.“

Weitere Informationen auf der Everyone's Investment Bank-Webseite: http://www.eib50.org/

3. Juni 2008

Gipfel in Rom: „Failure as usual“ oder nachhaltige Agrarwende?

Unisono fordern die NGOs – von FIAN bis zur Welthungerhilfe – anlässlich des heute in Rom beginnenden Ernährungsgipfels eine nachhaltige Agrarwende statt kurzatmiges Krisenmanagement. Statt immer neuer Notprogramme müsse eine langfristige internationale Agrarstrategie entwickelt werden, fordert die Deutsche Welthungerhilfe. In ihrem Mittelpunkt müsse die ländliche Entwicklung stehen, die auch in der Entwicklungshilfe der letzten Jahre sträflich vernachlässigt wurde. Kleinbauern müssten in die Lage versetzt werden, sich selbst und ihre Länder mit genügend Nahrungsmitteln zu versorgen. So heißt es u.a. in einem Aufruf mit dem Titel „No More Failures as Usual“, den über 800 zivilgesellschaftliche Organisationen auf der ganzen Welt unterschrieben haben. Und UBUNTU, das Weltforum zivilgesellschaftlicher Netzwerke, zieht in einem Aufruf sogar den Bogen von der aktuellen Nahrungsmittelkrise zur Notwendigkeit der Errichtung eines demokratischen Systems der Global Governance.

Es gehört nicht viel Sehergabe dazu um vorauszusagen, dass der Gipfel in dieser Woche kaum eine dieser Forderungen erfüllen wird. Zwar besteht weitgehende Einigkeit darin, dass kein Weg um die Steigerung der landwirtschaftlichen Produktivität herumführt, zumal in Afrika. Ob diese „Neue Grüne Revolution“ jedoch auf agroindustriellem Weg oder durch die Aufwertung und das Empowerment von Kleinbauern geschehen soll, ist hochgradig umstritten. Im Geberkonzert auf dieser neu entdeckten Agrarbühne ist die Weltbank bestens positioniert. Und auch die Konzerne sind wieder dabei: Die Financial Times weist heute darauf hin, wie weit der US-Konzern Monsanto bereits wieder an der Entwicklung neuer Maissorten für Afrika beteiligt ist. Andere Kontroversen kreisen um die Verdrängung der Nahrungsmittelproduktion durch den Biosprit oder die Zurückdrängung der Spekulation mit Lebensmitteln.

Die Kontroversen um die Weltagrarfrage haben inzwischen die vordersten Sendeplätze der elektronischen Medien und die Schlagzeilen der Printmedien erreicht. Wer eine kritische Durchleuchtung des Themas will, kann wie immer auf W&E zurückgreifen. In W&E 05/2008 (s. Abb.) habe ich den Faktor Spekulation analysiert, Katarina Wahlberg diskutiert Ursachen und Strategien gegen den Welthunger, und Susanne Gura beschreibt das Dilemma nachhaltiger Tierproduktion. Diese und weitere Beiträge gibt es auch im Paket: als W&E-Dossier „Das neue Gesicht des Welthungers“.