Die Zukunft, die sie sich gekauft haben
Tage- und
nächtelang wurde unaufhörlich verhandelt. Hundert Staats- und Regierungschefs
und 50‘000 weitere TeilnehmerInnen reisten an. Zehntausende Polizisten
patroullierten in der Stadt, Helikopter ratterten unablässig über der
Metropole, Schnellboote bewachten die Küste. All das für was? Wie so oft bei
solchen UNO-Monsterkonferenzen hat der Elefant ein Mäuslein geboren. Der für
die Zukunft des Planeten so dringend notwendige Paradigmenwechsel wurde nicht
eingeleitet, die Endlichkeit der natürlichen Ressourcen nicht anerkannt, und
der Versuch wurde nicht gewagt, ein Entwicklungsmodell hinter sich zu lassen,
das auf Wachstum basiert.
Vielleicht ist es
tatsächlich so, dass das Schlussdokument „Die Zukunft, die wir wollen“, das
heute Abend am Rio+20-Gipfel verabschiedet wird, angesichts der
Wirtschaftskrise, in der viele Länder stecken, der einzig mögliche Kompromiss
war. Aber ich und viele AktivistInnen von NGOs und sozialen Bewegungen sind
trotzdem enttäuscht. Man fragt sich, ob diese Riesentreffen tatsächlich der
richtige Ort sind, um die Welt zu verändern. Viele haben daran geglaubt.
Soziale und religiöse Bewegungen haben sich dafür eingesetzt, dass auch die
Rechte der Natur, die kulturellen Rechte, die Ökospiritualität Eingang in den
Schlusstext finden. Aber die RegierungsvertreterInnen haben ein ambitionsloses,
technokratisches Dokument verabschiedet.
Gewiss, die
Entwicklungsländer ließen sich nicht einfach in die Zwangsjacke der Grünen
Wirtschaft drängen. Sie haben gerettet, was noch zu retten war. Aber von einem
solchen Reiseanlass hätte man etwas mehr erwarten dürfen. In Rio sind Ideale
und Realpolitik frontal aufeinandergestoßen. Am Donnerstag wies die
„Versammlung der Völker“, von vielen Kameras und Medienleuten beobachtet, die
Schlusserklärung als „Die Zukunft, die sie sich gekauft haben“ zurück. Sie? Die
multinationalen Konzerne. Die Schlusserklärung gibt ihnen viel Raum, ohne sie
im Gegenzug auf einige verbindliche Regeln zu behaften. Petrobras, Vale und
andere Großfirmen – waren sie nicht die offiziellen Sponsoren dieser Konferenz?
*) Isolda Agazzi ist Mitarbeiterin von Alliance Sud und Mitglied
der Schweizer Verhandlungsdelegation bei der Konferenz Rio+20. Sie bloggt für Rio+20 und mehr von AllianceSud.
1 Kommentar:
"Gewiss, die Entwicklungsländer ließen sich nicht einfach in die Zwangsjacke der Grünen Wirtschaft drängen. Sie haben gerettet, was noch zu retten war"
Hmmm, klingt, als habe die Welt gerade noch einmal Glück gehabt.
Nur:
Woraus bestand eigentlich genau diese "Zwangsjacke" vor denen uns "die Entwicklungsländer" gerettet haben? Ich meine: Wer sollte mit was zu was gezwungen und was konnte da genau abgewehrt werden?
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