19. Juni 2012

Von Los Cabos nach Rio: Fehlanzeige!

Gastblog von Isolda Agazzi*)

Kommt er, kommt sie, oder kommen sie nicht? Am Vorabend des UNO-Gipfels Rio+20 jagen sich die Gerüchte, welche Staats- und Regierungschefs kommen werden und welche nicht. Offensichtlich haben die europäischen Leader besseres zu tun als sich um nachhaltige Entwicklung zu kümmern. Abgesehen von den löblichen Ausnahmen François Hollande (Frankreich), Manuel Barroso (EU) und dem Dimitri Medvedev (Russland) werden sie nicht nach Rio reisen. Angela Merkel, David Cameron und Mario Monti sind zu stark mit der Eurokrise beschäftigt, als dass sie sich noch um die Zukunft des Planeten kümmern könnten. Auch Barack Obama bleibt zu Hause, er schickt stattdessen Außenministerin Hillary Clinton an den Zuckerhut.

Enttäuschend auch die Schweiz, die ursprünglich Bundespräsidentin Widmer-Schlumpf und Umweltministerin Doris Leuthard schicken wollte. Die Bundespräsidentin hat ihre Reise kurzfristig wieder abgesagt, da es nach den zahlreichen Absagen zu wenig ebenbürtige Gesprächspartner gäbe. Als ob die zahlreichen Staats- und Regierungschefs aus Entwicklungs- und Schwellenländern, die teilnehmen werden, keine Reise wert sind. Nun dürften es rund hundert Staats- und Regierungschefs und weitere TeilnehmerInnen sein, für die über Rio schon jetzt unablässig die Helikopter rattern und Tausende von Polizisten patroullieren.

Die Chefs der Industriestaaten glänzen also durch Abwesenheit. Ob sie sich bewusst sind, dass wir nicht nur die schlimmste Wirtschaftskrise seit den 1930er Jahren erleben, sondern auch eine noch nie dagewesene Klima- und eine gravierende Ernährungskrise? Dass es sicher wichtig ist, die Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen, aber dass wir vor allem auch unsere Produktions- und Konsummuster ändern sollten, soll der Planet nicht demnächst vor die Hunde gehen. Dass ihre kurzfristige Politik blind ist gegenüber dem Hilfeschrei, der von den Gängen des Rio-Centro verschluckt wird: Wir leben schon heute so, also hätten wir eineinhalb Planeten zur Verfügung. Und dass wir, wenn wir so weitermachen, bis 2030 zwei Planeten und bis 2050 drei zur Verfügung haben müssen.

Noch bis heute Abend weilen die Chefs und Chefinnen der 20 wichtigsten Staaten in Mexiko, sechs Flugstunden von Rio entfernt. Es hätte nicht viel gebraucht, um auch hier einen Halt zu machen. Einige hoffen noch, die brasilianische Präsidentin Dilma Roussef könnte vom G20 ein „Geschenk“ mitbringen, eine Überraschung. Eine Zusage, die sie in letzter Minute ihren Staatschef-Kollegen abgerungen hat, die sich lieber um Wirtschaft- als um die nachhaltige Entwicklung kümmern.

*) Isolda Agazzi ist Mitarbeiterin von Alliance Sud und Mitglied der Schweizer Verhandlungsdelegation bei der Konferenz Rio+20. Sie bloggt für Rio+20 und mehr von AllianceSud.

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