Von Los Cabos nach Rio: Fehlanzeige!
Kommt er, kommt
sie, oder kommen sie nicht? Am Vorabend des UNO-Gipfels Rio+20 jagen sich die
Gerüchte, welche Staats- und Regierungschefs kommen werden und welche nicht.
Offensichtlich haben die europäischen Leader besseres zu tun als sich um
nachhaltige Entwicklung zu kümmern. Abgesehen von den löblichen Ausnahmen
François Hollande (Frankreich), Manuel Barroso (EU) und dem Dimitri Medvedev
(Russland) werden sie nicht nach Rio reisen. Angela Merkel, David Cameron und
Mario Monti sind zu stark mit der Eurokrise beschäftigt, als dass sie sich noch
um die Zukunft des Planeten kümmern könnten. Auch Barack Obama bleibt zu Hause,
er schickt stattdessen Außenministerin Hillary Clinton an den Zuckerhut.
Enttäuschend auch
die Schweiz, die ursprünglich Bundespräsidentin Widmer-Schlumpf und
Umweltministerin Doris Leuthard schicken wollte. Die Bundespräsidentin hat ihre
Reise kurzfristig wieder abgesagt, da es nach den zahlreichen Absagen zu wenig
ebenbürtige Gesprächspartner gäbe. Als ob die zahlreichen Staats- und
Regierungschefs aus Entwicklungs- und Schwellenländern, die teilnehmen werden,
keine Reise wert sind. Nun dürften es rund hundert Staats- und Regierungschefs
und weitere TeilnehmerInnen sein, für die über Rio schon jetzt unablässig die
Helikopter rattern und Tausende von Polizisten patroullieren.
Die Chefs der
Industriestaaten glänzen also durch Abwesenheit. Ob sie sich bewusst sind, dass
wir nicht nur die schlimmste Wirtschaftskrise seit den 1930er Jahren erleben,
sondern auch eine noch nie dagewesene Klima- und eine gravierende
Ernährungskrise? Dass es sicher wichtig ist, die Wirtschaft wieder in Schwung
zu bringen, aber dass wir vor allem auch unsere Produktions- und Konsummuster
ändern sollten, soll der Planet nicht demnächst vor die Hunde gehen. Dass ihre
kurzfristige Politik blind ist gegenüber dem Hilfeschrei, der von den Gängen
des Rio-Centro verschluckt wird: Wir leben schon heute so, also hätten wir
eineinhalb Planeten zur Verfügung. Und dass wir, wenn wir so weitermachen, bis
2030 zwei Planeten und bis 2050 drei zur Verfügung haben müssen.
Noch bis heute
Abend weilen die Chefs und Chefinnen der 20 wichtigsten Staaten in Mexiko,
sechs Flugstunden von Rio entfernt. Es hätte nicht viel gebraucht, um auch hier
einen Halt zu machen. Einige hoffen noch, die brasilianische Präsidentin Dilma
Roussef könnte vom G20 ein „Geschenk“ mitbringen, eine Überraschung. Eine
Zusage, die sie in letzter Minute ihren Staatschef-Kollegen abgerungen hat, die
sich lieber um Wirtschaft- als um die nachhaltige Entwicklung kümmern.
*) Isolda Agazzi ist Mitarbeiterin von Alliance Sud und Mitglied der Schweizer
Verhandlungsdelegation bei der Konferenz Rio+20. Sie bloggt für Rio+20 und mehr von AllianceSud.
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