Show-down vor Toronto: Wachstum oder Konsolidierung oder beides?
Es ist normal, dass sich die Beteiligten vor einem Gipfel positionieren. Doch einen so heftigen öffentlichen Schlagabtausch wie im Vorfeld dieses G20-Gipfels hat es selten gegeben. Es begann mit einem Brief Obamas an die Gipfelkollegen, in dem davor gewarnt wurde, in Missachtung historischer Lehren Konjunkturpakete zu schnell zurückzuziehen und so den höchst fragilen Aufschwung abzuwürgen. Es folgte ein Brief von Sarkozy und Merkel und später ein Brief der EU, in denen die europäischen Konsolidierungsbemühungen verteidigt wurden, zugleich aber auch die Forderung nach einer globalen Einführung einer Finanztransaktionssteuer und nach einer international koordinierten Bankenabgabe erhoben wurde. Der kanadische Gastgeber griff seinerseits in einem Brief an die Gipfelteilnehmer das umstrittene Thema der Fiskalpolitik auf und schlug vor, man solle beschließen, die Haushaltsdefizite bis 2013 mindestens zu halbieren und die Staatsverschuldung bis 2016 zu stabilisieren oder zurückzuführen – nach Ansicht vor allem deutscher Regierungspolitiker längst nicht ehrgeizig genug.
Der Streit um die Sparpolitik wirft vor allem die Frage auf, in welcher Welt die deutschen Politiker eigentlich leben. Da warnt Merkel vor einem „aufgeblähten Wachstum“, als hätten wir schon längst wieder eine überhitzte Hochkonjunktur. Da pocht Schäuble darauf, die Europäer seien zu Recht „mit den Implikationen exzessiver Defizite und der Gefahr hoher Inflation beschäftigt“. Welche Inflation bitte? Selbst ein Falke wie der EZB-Vize Jürgen Stark räumte dieser Tage ein, dass es auf absehbare Zeit im Euroraum kein Inflationsproblem gäbe. Und die gestiegene Staatsverschuldung ist ja nicht nur auf die Konjunkturpakete zurückzuführen, sondern auch darauf, dass den Staaten in der Rezession die Einnahmen weggebrochen sind.
Es verwundert nicht, dass der Nobelpreisträger Paul Krugman den Berliner Hausfrauen-Ökonomen widerspricht und sagt, dass jetzt keine Zeit sei, um Defizite zurückzuführen. Inzwischen sagt aber auch Finanzmagnat George Soros unumwunden, es müsse etwa „grundlegend falsch“ sein an der deutschen Haltung zur Europäischen Union. „Durch sein Insistieren auf pro-zyklischer Politik, gefährdet Deutschland die EU“, so Soros in seiner Vorlesung in der Berliner Humboldt-Universität.
Nach den jüngsten Meldungen dürfte auf dem Gipfel das bewährte Mittel des Formelkompromisses zur Anwendung kommen, um das Finale des Show-downs in Toronto selbst zu verhindern. Einem inzwischen an die Öffentlichkeit gelangten Entwurf des Kommuniqués zufolge, soll dort davor gewarnt werden, den Aufschwung der Weltwirtschaft bereits für eine ausgemachte Sache zu halten, und zugleich soll betont werden, dass die hohen Kosten auch eine Belastung für das langfristige Wachstum darstellen können. Das passt dann auch wieder zur Position der US-Regierung: „Wir müssen die Entschlossenheit zur Reduzierung langfristiger Defizite demonstrieren, aber nicht auf Kosten des Kosten des kurzfristigen Wachstums“, schrieben US-Finanzminister Geithner und Obama-Berater Summers im Wall Street Journal.
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