Millennium-Entwicklungsziele: Blamable Defizite
Mit dem für September geplanten MDG-Gipfel in New York nimmt auch in der deutschen Politik das Interesse an der Umsetzung der international vereinbarten Entwicklungsziele wieder zu. So berät der Bundestag heute diverse MDG-Anträge der Opposition (17/2018, 17/2024). Kritisch hatten sich gestern Vertreter von Nichtregierungsorganisationen, der Vereinten Nationen und der Industrie in einer öffentlichen Anhörung des Entwicklungsausschusses zu den Chancen, die MDGs bis 2015 erreichen zu können, geäußert.
Die Ziele drohten weitgehend nicht erreicht zu werden, sagte etwa Renate Bähr von der Deutschen Stiftung Weltbevölkerung. Der UN-Diplomat Thomas Stelzer bezeichnete die Bilanz als „geteilt“. Negative Auswirkungen der Wirtschafts- und Finanzkrise seien zum Teil noch nicht absehbar. Zur Frage der Abgeordneten, ob die MDGs noch erreichbar seien, meinte er: ”Yes we can – unter bestimmten Bedingungen.“ Mit den gemachten Erfahrungen sei es möglich, mit besserer Effizienz „die verbleibenden fünf Jahre zu nutzen“. Klaus Seitz von „Brot für die Welt“ bezweifelte, dass eine Halbierung des Hungers bis 2015 noch zu erreichen sei. Er wies darauf hin, dass auch Erwerbstätige häufig unter der Armutsgrenze lebten. Angesichts der verbleibenden Zeit forderte Seitz von der Bundesregierung einen „konkreten Aktionsplan und die volle Bereitstellung der zugesicherten Mittel“.
Antje Schultheis vom Global Policy Forum Europe kritisierte, Deutschland zeige angesichts der Tatsache, dass für 2010 ein Anteil von 0,51% des Bruttonationaleinkommens für die Entwicklungszusammenarbeit angepeilt war, wahrscheinlich aber nur 0,40% erreicht würden, „ein blamables Defizit“. Schultheis ist zugleich Lead-Autorin des ersten Teils einer neuen Sonderserie des Informationsbriefs Weltwirtschaft & Entwicklung, die in diesen Tagen beginnt (s. Abb.). Assibi Napoe, Vorsitzende der Global Campaign for Education, bemängelte vor allem große Finanzierungslücken im Bildungsbereich, die alle anderen MDGs gefährdeten.
Interessant einige Reaktionen der Politiker: Die Parlamentarische Staatssekretärin im BMZ Gudrun Kopp (FDP) sagte, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zu den von Deutschland gemachten finanziellen Zusagen stehe. Die CDU/CSU-Fraktion merkte demgegenüber an, dass angesichts der derzeitigen Haushaltslage Forderungen nach mehr Geld nicht immer umsetzbar seien. Angesichts des Problems der „Working Poor“ betonte die SPD-Fraktion die Notwendigkeit, neben Beschäftigung auch funktionierende soziale Sicherungssysteme zu schaffen. Die Fraktionen von Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke wiesen darauf hin, dass Armutsbekämpfung nicht primär durch Förderung der Privatwirtschaft erreicht werden könne und Entwicklungspolitik sich vor allem an den Bedürfnissen der Ärmsten orientieren müsse. Im Vorfeld der Anhörung hatten die Mitglieder des Unterausschuss des Auswärtigen Ausschusses „Vereinte Nationen, internationale Organisationen und Globalisierung“ fraktionsübergreifend mehr politisches Engagement für die Umsetzung der MDGs eingefordert.
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