22. September 2014

Absurdes Wachstumstheater in Cairns

Nichts scheint der australischen G20-Präsidentschaft so wichtig wie mehr Wachstum. Doch je lauter die Wachstumsrufe, desto düsterer die Wachstumsaussichten, so scheint es. Da wird auf der einen Seite proklamiert, die Weltwirtschaft solle bis 2018 zusätzlich (d.h. über den aktuellen Wachstumspfad hinaus) um 1,8% wachsen. Auf der anderen Seite korrigieren die relevanten internationalen Institutionen, wie OECD und IWF, reihenweise ihre Wachstumsprognosen nach unten. Doch als sei diese Realität nicht existent, wird weiter angekündigt, bei ihrem Gipfel im November in Canberra wollten die G20 zusätzliche Maßnahmen beschließen, um doch noch die zusätzlichen 2% Wachstum zu erreichen, die sich Australien zu Beginn ihrer G20-Präsidentschaft auf die Fahnen geschrieben hat.

Selten waren Ankündigung und Wirklichkeit weiter auseinander! Auch beim „Wie“ hapert es. Der Wachstumsfetischismus soll durch „Strukturreformen“ befriedigt werden – Konjunkturstimuli, die angesichts der drohenden Deflation in der Eurozone und der abnehmenden Wachstumsraten in den Schwellenländern dringend notwendig wären, kommen nicht in die Tüte. Und die lautstark gepriesene globale Infrastrukturinitiative der G20 enthält erstens nur Maßnahmen, die ohnehin von den Mitgliedsländern bereits geplant waren, und kapriziert sich – nicht zuletzt auf deutsche Intervention hin – ganz auf den privaten Sektor, der auf kurzfristige Gewinne aus und deshalb für langfristige Investitionen kaum brauchbar ist.

Immerhin hat das Treffen der Finanzminister erneut die Spaltung zwischen den USA und der von Deutschland dominierten Eurozone in Konjunkturfragen deutlich gemacht. Dies beinhaltet in Europa jetzt eine andere Konstellation als noch vor einem Jahr, da mit Frankreich und Italien zwei wichtige Länder auf eine Lockerung der Sparziele drängen. Völlig aus der Welt sind die G20-Finanzminister also nicht. Und in ihrem gestern veröffentlichten Kommuniqué heißt es immerhin: „Abwärtsrisiken halten an, darunter auf den Finanzmärkten und aufgrund geopolitischer Spannungen. Die Weltwirtschaft sieht sich immer noch einer anhaltenden Nachfrageschwäche gegenüber, und Zwänge auf der Angebotsseite hemmen das Wachstum.“

Dennoch: Der Wachstumsfetischismus von Cairns ist hohl; den wirklichen Risiken der Weltwirtschaft wird er nicht gerecht. Auch nicht den neuen Gefahren, mit denen die aufstrebenden Ökonomien im Süden konfrontiert sind. In ihrem jüngsten Vierteljahresbericht beispielsweise warnt die Baseler Bank für internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), die „Mutter aller Zentralbanken“, vor überraschendem Kapitalabzug aus den Schwellenländern und vor neuer Währungsvolatilität. Diesen Problemen haben sich die G20 – bei allem sonstigen Aktivismus – noch nicht einmal angenähert.

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