5. März 2013

Boni-Debatte: Mehr Schweiz wagen oder Emmentaler essen?

Eigentlich hätte man noch ein Pressestatement von Attac erwarten dürfen. Denn selten waren die SprecherInnen links von der politischen Mitte so voll des Lobes für die Schweiz. Ausgerechnet die Schweiz! Da forderte die Linke „Mehr Schweiz wagen“. Die grünen Sprecher verlangten auch hierzulande eine strengere Regulierung der Managervergütungen. Und selbst der SPD-Kanzlerkandidat fand lobende Worte für die Schweiz. Dabei ist das Referendum vom Sonntag, in dem eine Mehrheit der SchweizerInnen für die Deckelung von Managergehältern, ein Verbot von Begrüßungsgeldern und Abfindungen und die jährliche Wahl der Direktoren durch die Aktionäre stimmte, vor allem ein Zeichen des Diskurs- und Stimmungswandels. Substanziell wird sich noch erweisen müssen, ob es sich um den Beginn einer neuen Ära handelt oder unter der Rubrik „Schweizer Käse“ abgehakt werden muss.

Verglichen mit dem EU-Kompromiss von letzter Woche, in der sich Parlament und Kommission auf die Begrenzung der Banker-Boni, zusätzliche Eigenkapitalpuffer und eine länderbezogene Berichtspflicht für Bankprofite, Steuern und Subventionen einigten, ist das Schweizer Modell insofern weitreichender, als es sich auf alle Wirtschaftsunternehmen bezieht, während die anvisierte EU-Regelung nicht einmal den gesamten Finanzsektor einbezieht. Andererseits wird die geplante EU-Regulierung, so sie denn nicht durch die Finanzlobby erneut verwässert wird, die Vergütung der Bankmanager einer verbindlichen und direkten gesetzlichen Regelung unterwerfen, während nach der Schweizer Initiative dies „die Aktionäre“ beschließen sollen. Letzteres ist der Pferdefuß, den die Marktanhänger aller Couleur sofort erkannt haben. Wenn Aktionäre entscheiden, entscheidet nicht „der Kleinaktionär“, sondern die großen Anteilseigner. „Und keine Krähe hackt der anderen ein Auge aus“, wie ein Berichterstatter von der Frankfurter Börse süffisant kommentierte.

Aber nicht nur das Schweizer Modell hat Schlupflöcher wie der sprichwörtliche Käse. Kurz nach Bekanntwerden des EU-Kompromisses kolportierten die Lex-Kolumnisten der Financial Times genüsslich, wie in den Großbanken alle Star-Banker neue Arbeitsverträge erhalten, die dem Umstand Rechnung tragen, dass die Boni der Banker künftig nur in Ausnahmefällen das Festgehalt übersteigen dürfen. Unter dem Strich ändert sich nach diesem Modell an den Bezügen der Top-Banker gar nichts. Und wenn schon die Finanzjournaille auf solche Ideen kommt – wie ausgeklügelt dürften dann die Tricks sein, mit denen die Branche die neuen Regulierungen umgehen kann?

Dennoch wäre die Umsetzung der neuen EU-Richtlinien ein Fortschritt, an dem man ansetzen könnte: Die Boni-Regelung könnte man nicht nur auf Hedgefonds und Aktienfonds, sondern auf alle Aktienkonzerne ausdehnen. Auch die länderweise Berichtspflicht sollte für alle Transnationalen Konzerne durchgesetzt werden. Und auf Basel III (Eigenkapitalbestimmungen) könnte Basel IV folgen. Je mehr in dieser Richtung umgesetzt wird, desto weniger wird ein Rückfall in die Ära der vollständigen Deregulierung möglich.

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