24. Mai 2012

Wechsel an der ILO-Spitze: Neue Impulse gegen die Krise?

Am 28. Mai wählt die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) einen neuen Generaldirektor. Der Wechsel an der Spitze ist kein reines Routineereignis. Denn mit ihrer einzigartigen Governance-Struktur der Tripartite, die neben den Regierungen auch Gewerkschaften und Unternehmervertretern jeweils ein Drittel der Stimmrechte gibt, ist die Organisation in der Lage, über die Positionen anderer internationaler Institutionen, wie IWF, Weltbank oder OECD, hinauszugehen. Der scheidende Generaldirektor, Juan Somavia, hatte sich beispielsweise als Vorsitzender des Weltsozialgipfels 1995 einen Namen gemacht und in seiner Amtszeit einen starken Akzent auf die internationale Beschäftigungspolitik gelegt.

Die wichtigsten Weichenstellungen in der ILO-Politik der letzten Jahre waren die Verabschiedung einer Deklaration zur sozialen Dimension der Globalisierung 2008, eines „Global Jobs Pacts“ in der Krise 2009 und zuletzt der Forderung nach einem „Sockel sozialer Sicherung“ („Social Protection Floor“). Die Initiativen fanden Eingang in die Vereinten Nationen und auch die G20, wenngleich sich über die praktische Bedeutung dieser Vorgänge streiten lässt. Immerhin aber modifizierten sie ein Stück weit die Debatte über internationale Wirtschaftspolitik.

Zur Wahl des Generalsekretärs in der kommenden Woche stehen nicht weniger als neun Kandidaten, vier aus Europa, drei aus Afrika, einer aus Lateinamerika (Kolumbien) und einer aus Asien (Malaysia). Als Favorit unter den Kandidaten gilt der ehemalige Generalsekretär des Internationalen Gewerkschaftsbundes (ITUC), Guy Ryder, der sich schon früh die Zustimmung des gewerkschaftlichen Teils der Trpartite gesichert hat. Bei dem kolumbianischen Kandidaten, Angelino Garzón, ist nur schwer vorstellbar, dass sich die lateinamerikanischen Regierungen geschlossen hinter ihn stellen, auch wenn er der einzige Kandidat aus der Region ist. Anders sieht dies bei Jomo Kwame Sundaram aus, der ebenfalls als einziger Kandidat für eine Region, nämlich Asien, antritt.

Jomo ist derzeit Untergeneralsekretär der Vereinten Nationen und quasi deren Chefökonom und damit auch verantwortlich für die Entwicklungshilfe-Programme der UN. Er ist Ökonom, wurde in Harvard ausgebildet und hat bereits gezeigt, dass er sich in dem komplizierten und komplexen Personaltableau der UNO durchzusetzen vermag. Vor allem aber sind seine inhaltlichen Positionen bestens geeignet, um die Rolle der ILO in der internationalen wirtschaftspolitischen Debatte weiter voranzutreiben. Er teilt weitgehend die Positionen des Stiglitz-Reports von 2009 zur Reform des internationalen Finanzsystems. Er wies zusammen mit anderen UN-Ökonomen frühzeitig auf die Gefahr der drohenden globalen Finanzkrise hin und durchschaut die Fallstricke einer neoliberalen Politik der Liberalisierung der Arbeitsmärkte. Sein Vision Statement zur Wahl und seine neueste Kolumne zeigen, dass er den unter Somavia begonnenen Weg nicht nur weitergehen, sondern über ihn hinausgehen würde.

Nachtrag 30.5.2012: Zum neuen Generaldirektor der ILO wurde der ehemalige ITUC-Generalsekretär Guy Ryder gewählt. Er erhielt im Governing Body 30 von 56 Stimmen. Ryder tritt sein Amt Anfang Oktober für fünf Jahre an.

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