Wechsel an der ILO-Spitze: Neue Impulse gegen die Krise?
Am
28. Mai wählt die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) einen neuen
Generaldirektor. Der Wechsel an der Spitze ist kein reines Routineereignis.
Denn mit ihrer einzigartigen Governance-Struktur der Tripartite, die neben den
Regierungen auch Gewerkschaften und Unternehmervertretern jeweils ein Drittel
der Stimmrechte gibt, ist die Organisation in der Lage, über die Positionen
anderer internationaler Institutionen, wie IWF, Weltbank oder OECD,
hinauszugehen. Der scheidende Generaldirektor, Juan Somavia, hatte sich
beispielsweise als Vorsitzender des Weltsozialgipfels 1995 einen Namen gemacht
und in seiner Amtszeit einen starken Akzent auf die internationale
Beschäftigungspolitik gelegt.
Nachtrag 30.5.2012: Zum neuen Generaldirektor der ILO wurde der ehemalige ITUC-Generalsekretär Guy Ryder gewählt. Er erhielt im Governing Body 30 von 56 Stimmen. Ryder tritt sein Amt Anfang Oktober für fünf Jahre an.
Die
wichtigsten Weichenstellungen in der ILO-Politik der letzten Jahre waren die
Verabschiedung einer Deklaration zur sozialen Dimension der Globalisierung 2008, eines „Global Jobs Pacts“ in der Krise 2009 und zuletzt der Forderung nach
einem „Sockel sozialer Sicherung“ („Social
Protection Floor“). Die Initiativen fanden Eingang in die Vereinten Nationen
und auch die G20, wenngleich sich über die praktische Bedeutung dieser Vorgänge
streiten lässt. Immerhin aber modifizierten sie ein Stück weit die Debatte über
internationale Wirtschaftspolitik.
Zur
Wahl des Generalsekretärs in der kommenden Woche stehen nicht weniger als neun
Kandidaten, vier aus Europa, drei aus Afrika, einer aus Lateinamerika
(Kolumbien) und einer aus Asien (Malaysia). Als Favorit unter den Kandidaten
gilt der ehemalige Generalsekretär des Internationalen Gewerkschaftsbundes
(ITUC), Guy Ryder, der sich schon früh die Zustimmung des gewerkschaftlichen
Teils der Trpartite gesichert hat. Bei dem kolumbianischen Kandidaten, Angelino
Garzón, ist nur schwer vorstellbar, dass sich die lateinamerikanischen
Regierungen geschlossen hinter ihn stellen, auch wenn er der einzige Kandidat
aus der Region ist. Anders sieht dies bei Jomo Kwame Sundaram aus, der
ebenfalls als einziger Kandidat für eine Region, nämlich Asien, antritt.
Jomo
ist derzeit Untergeneralsekretär der Vereinten Nationen und quasi deren
Chefökonom und damit auch verantwortlich für die Entwicklungshilfe-Programme
der UN. Er ist Ökonom, wurde in Harvard ausgebildet und hat bereits gezeigt,
dass er sich in dem komplizierten und komplexen Personaltableau der UNO
durchzusetzen vermag. Vor allem aber sind seine inhaltlichen Positionen bestens
geeignet, um die Rolle der ILO in der internationalen wirtschaftspolitischen
Debatte weiter voranzutreiben. Er teilt weitgehend die Positionen des Stiglitz-Reports von 2009 zur Reform
des internationalen Finanzsystems. Er wies zusammen mit anderen UN-Ökonomen frühzeitig
auf die Gefahr der drohenden globalen Finanzkrise hin und durchschaut die
Fallstricke einer neoliberalen Politik der Liberalisierung der Arbeitsmärkte.
Sein Vision Statement zur Wahl
und seine neueste Kolumne zeigen, dass er den unter Somavia begonnenen Weg nicht nur weitergehen, sondern
über ihn hinausgehen würde.
Nachtrag 30.5.2012: Zum neuen Generaldirektor der ILO wurde der ehemalige ITUC-Generalsekretär Guy Ryder gewählt. Er erhielt im Governing Body 30 von 56 Stimmen. Ryder tritt sein Amt Anfang Oktober für fünf Jahre an.