23. April 2012

UNCTAD XIII: Spannungen trotz gelungenem Auftakt

Eigentlich könnte man zufrieden sein. Die XIII. UN-Konferenz für Handel und Entwicklung (UNCTAD) in Doha erlebte am Wochenende einen fulminanten Auftakt mit beeindruckenden Reden und Kulturdarbietungen der Gastgeber. Neben einer langen Liste von zivilgesellschaftlichen Organisationen aus aller Welt erhielt sie starke Solidaritätserklärungen der Gruppe der ärmsten Länder (LDCs), der Gruppe der 77 (Entwicklungsländer) und China sowie schließlich auch der wirtschaftlichen einflussreichen BRICS (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika). Doch unter dieser Oberfläche war Unruhe und Nervosität spürbar, da bislang völlig unsicher ist, wie das Hauptergebnis der Konferenz, die Ministerdeklaration, aussehen wird, in der die kommenden Aufgaben und Funktionen festgelegt werden müssen.

Der letzte Entwurf dieser Erklärung datiert vom 21. April und macht durch zahlreiche eckige Klammern deutlich, wie drastisch die Angriffe der Industrieländer, vor allem der JUSSCKANNZ-Gruppe (Japan, USA, Schweiz, Kanada, Südkorea, Australien, Norwegen, Neuseeland und Lichtenstein), aber auch der EU, auf UNCTADs Rolle sind. Sie wollen den Text an zahlreichen Stellen entweder verwässern oder ganze Passagen streichen. Statt den Accra-Akkord von vor vier Jahren zu bekräftigen, wollen sie lediglich „darauf aufbauen“, was indirekt bedeutet, dass das derzeitige Mandat von UNCTAD bestritten wird. Die beiden Absätze zur Finanzkrise sollen ganz gestrichen werden. UNCTAD Beitrag zur Bearbeitung der Ursachen und Folgen der wirtschaftlichen Krise soll völlig verwässert werden. Die Absätze zur Arbeit von UNCTAD zu Schulden, Schuldenrestrukturierung und verantwortlicher Kreditvergabe sollen ebenfalls verwässert werden oder aus dem Dokument ganz verschwinden.

Besonders dreist ist der Versuch der JUSSCKANNZ-Gruppe, die Zuarbeit von UNCTAD für das Global System of Trade Preferences (GSTP) zu unterbinden, des System der Süd-Süd-Handelspräferenzen, das teilweise als Alternative zur Allround-Liberalisierung der WTO fungiert. Auch der Absatz zu intellektuellem Eigentum soll nach dem Willen der Industrieländer gestrichen werden, ebenso wie das Plädoyer zur Industriepolitik. Weitere umstrittene Punkte betreffen die UNCTAD-Arbeit zu Umwelt und nachhaltiger Entwicklung, zu Nahrungsmittel- und Agrarfragen, zu LDC-Präferenzen und Technologietransfer. – Die Auflistung lässt erkennen, wie viel in dieser Woche für die Entwicklungsländer in Doha auf dem Spiel steht. Es sieht so aus, als wollten die Industrieländer noch einmal deutlich zeigen, wer der Herr im Hause ist, bevor sich ihr Abstieg in einer „neuen Konstellation der Weltwirtschaft“ weiter fortsetzt.

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