WTO-Ministerial: Langweilig trotz tiefer Differenzen
Die 8. Ministertagung der WTO Ende letzter Woche in Genf ging ohne die sonst üblichen Spannungen und Auseinandersetzungen über die Bühne. Das hängt damit zusammen, dass diesmal von vorneherein auf die Aushandlung einer Abschlusserklärung verzichtet wurde (>>> Ein Begräbnis dritter Klasse). Die Veranstaltung war so unspektakulär, dass selbst NGOs – die sonst voller Argwohn nach Genf blickten – begannen, den „drohenden Bedeutungsverlust der Welthandelsorganisation“ zu beklagen. Doch hinter der entspannten Atmosphäre verbergen sich nach wie vor tiefe Gegensätze, wie Martin Khor vom Konferenzort berichtet:
„Alle bekunden immer noch ihr Bekenntnis zum Abschluss der Doha-Runde. Während die meisten sie auf der Basis der Texte zu landwirtschaftlichen und industriellen Gütern vom Dezember 2008 abschließen möchten, wollen die USA, dass die großen Entwicklungsländer ihre Märkte viel stärker öffnen, was diese nicht fair finden.
Die meisten Industrieländer haben ein neues Herangehen an die Doha-Runde vorgeschlagen, bei dem Verhandlungen auf einer plurilateralen Basis (die nur die willigen Mitglieder einbezieht) geführt werden sollen. Aber dies wurde von rund 100 Entwicklungsländern förmlich zurückgewiesen, die in einem Statement (>>> The Friends of Development Declaration) zum Ausdruck brachten, dass dies gegen die Prinzipien des Multilateralismus und der Inklusion verstoßen würde.
Ein anderer Vorschlag läuft auf eine „Early harvest“ („frühe Ernte“) hinaus, anstatt auf eine Übereinkunft in allen Fragen zu warten. Obwohl viele Länder dafür offen sind, besteht keine Übereinstimmung darüber, was denn „früh geerntet“ werden soll. Vor ein paar Monaten wurde schon die bloße Ankündigung, eine early harvest auf dem Ministrial anzukündigen, abgelehnt.
Fast alle Mitglieder stimmten darin überein, dass es ein „Paket“ für die am wenigsten entwickelten Länder (LDCs) sein sollte, so dass Doha wenigstens für die ärmsten Mitglieder Ergebnisse liefern würde. Doch zwei Kernpunkte (zollfreier Marktzugang für LDC-Produkte und der Abbau der Baumwollsubventionen) waren für die USA nicht akzeptabel.
Nächstes Jahr, wenn die Doha-Verhandlungen wieder aufgenommen werden, wollen die Industrieländer einen Vertrag über Handelserleichterungen als early harvest durchsetzen. Doch die meisten Entwicklungsländer bestehen darauf, dass jegliche „frühe Ernte“ die entwicklungspolitischen Fragen beinhalten solle, einschließlich einem LDC-Paket, einer erweiterten besonderen und differenzierten Behandlung, eine Lösung der Umsetzungsprobleme der bisherigen WTO-Abkommen und einer Reduzierung der Agrarsubventionen.
Eine ebenso tiefe Spaltung gibt es in Bezug auf Fragen, die kein Bestandteil der Doha-Agenda (mehr) sind. Die Industrieländer wollen Diskussionen über neue Issues beginnen, die möglicherweise zu neuen Regeln führen. Dazu gehören Investitionen und Wettbewerb (die bereits jahrelang diskutiert, dann aber 2004 von der Doha-Agenda genommen wurden), Klimawandel, Energie- und Ernährungssicherheit. Gleichwohl ist die Mehrheit der Entwicklungsländer gegen die Top-down-Einführung neuer Issues. Die Deklaration der Friends of Development betont, dass alle handelsbezogenen Fragen in Übereinstimmung mit den Prozessen und Konsensverfahren in den geeigneten WTO-Einrichtungen diskutiert werden sollten.
Viele glauben, dass die Einführung neuer Issues von den entwicklungspolitischen Komponenten der Doha-Agenda ablenken würde und daher nicht im Interesse der Entwicklungsländer wäre. Stattdessen schlagen die Entwicklungsländer vor, die entwicklungspolitischen Aspekte der WTO voranzubringen, einschließlich der Stärkung des WTO-Ausschusses für Handel und Entwicklung und einer entwicklungspolitischen Überprüfung der WTO-Bestimmungen für besondere und differenzierte Behandlung.
So werden Differenzen und Spannungen wieder auftauchen, wenn die WTO im nächsten Jahr ihre Arbeit wieder aufnimmt.“
Martin Kohr ist Direktor des South Centre in Genf.