Lamy vs. De Schutter: WTO contra Nahrungssicherheit
Rechtzeitig vor Beginn des derzeit tagenden Ministertreffens der WTO in Genf hat der Generaldirektor der Organisation, Pascal Lamy, auf einen Report des UN-Sonderberichterstatters für das Recht auf Nahrung, Olivier De Schutter, reagiert, in dem dieser fordert, die WTO solle das Menschenrecht auf angemessene Ernährung an die Spitze ihrer Agenda setzen (>>> The World Trade Organisation and the Post-Global Food Crisis Agenda). In dem Bericht räumt De Schutter zwar ein, dass die WTO in Bezug auf Ausnahmeregelungen zwar flexibler geworden sei, kritisiert aber, dass ihre Regeln den Entwicklungsländern immer noch zu wenig Spielraum ließen, um Maßnahmen zur Gewährleistung der Ernährungssicherheit zu ergreifen. Dazu zählen etwa höhere Zölle, zeitweilige Importrestriktionen, staatliche Aufkaufgarantien für Kleinbauern, aktive Vermarktungsbehörden etc.
„Selbst wenn solche Politiken nicht verboten sind,“ so De Schutter, „werden sie (die Entwicklungsländer) durch die Komplexität der (WTO-)Regeln und die Androhung rechtlicher Schritte entmutigt.“ Die derzeitigen Versuche, beispielsweise in Afrika Nahrungsmittelreserven aufzubauen, müssten peinlich genau das Regelwerk der WTO beachten. Dabei sollte es genau umgekehrt sein: Dieses Regelwerk sollte entlang des Menschenrechts auf Nahrung aufgebaut sein und nicht umgekehrt. Doch „die WTO verfolgt weiterhin das altmodische Ziel der Steigerung des Handels um seiner selbst willen, statt mehr Handel nur insoweit zu ermutigen, wie er der Steigerung des menschlichen Wohlergehens dient“.
Das Antwortschreiben des WTO-Direktors an den „dear Professor De Schutter“ liest sich wie eine ausgewogene Mischung aus Zurückweisung und Beschwichtigung. Einerseits erweckt Lamy den Eindruck, die Debatte des Themas in der WTO und anderen etablierten Institutionen sei auf dem besten Weg. Andererseits widerspricht er scharf der These, Länder müssten ihre Abhängigkeit vom internationalen Handel (mit Agrargütern) begrenzen, um das Ziel der Ernährungssicherheit zu erreichen. Einerseits betont auch Lamy, dass die internationale Governance im Sinne von mehr Ernährungssicherheit verbessert werden müsse. Andererseits holt er gegen De Schutter die übliche Protektionismuskeule auf der Tasche und unterstellt ihm die Unterminierung ökonomischer Effizienz und die Verzerrung von Marktstrukturen. Als ob nicht gerade andersherum ein Schuh draus wird: „Wenn die Doha-Runde Fortschritte machen will, dann muss sie alle politischen Zwänge aufheben, die dem Recht auf Nahrung im Wege stehen und Maßnahmen für seine Gewährleistung zulassen, etwa Nahrungsmittellager, die auf die Reduktion der Preisvolatilität und die Sicherung des Zugangs zu adäquaten Nahrungsmitteln auf lokaler Ebene zielen.“ – Leider steht nicht zu erwarten, dass die WTO dazu auf absehbare Zeit einen Beitrag leistet.
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