4. November 2011

Cannes: Der IWF als lachender Dritter

Zwischen der Dominanz der Eurokrise und der mindestens halb entgleisten französischen Agenda erweist sich wieder einmal der Internationale Währungsfonds (IWF) als lachender Dritter. Zwar kam es nicht zu der erneuten Verdoppelung seiner „Feuerkraft“, über die noch gestern Abend und heute früh spekuliert wurde. Doch sichtlich gut gelaunt erläuterte IWF-Chefin Christine Lagarde hier auf dem Gipfel, dass die G20 künftig für unbegrenzte finanzielle Ressourcen des Fonds gerade stehen werde, damit dieser seine „systemischen Aufgaben“ wahrnehmen könne, „whatever it costs“. Sie bezog sich dabei auf die folgende Passage im Gipfel-Kommuniqué:

„Wir werden sicherstellen, dass der IWF auch in Zukunft über die Ressourcen verfügen wird, um seine systemische Rolle zum Vorteil seiner gesamten Mitgliedschaft zu spielen, aufbauend auf den substanziellen Ressourcen, die wir bereits seit London 2009 mobilisiert haben. Wir stehen bereit, um sicherzustellen, dass zusätzliche Ressourcen rechtzeitig mobilisiert werden können und beauftragen unsere Finanzminister, bis zu ihrem nächsten Treffen eine Reihe verschiedener Aufbringungsoptionen auszuarbeiten, darunter bilaterale Beiträge zum IWF, Sonderziehungsrechte und freiwillige Beiträge zu einer IWF-Sonderstruktur, etwa ein Sonderkonto.“

Das sei zwar kein Blankoscheck, aber doch ein starkes Votum für den IWF, dessen Bedeutung in den kommenden Finanzkrisen sicher nicht abnehmen werde. Überhaupt nehme Lagarde aus Cannes viel mit zurück nach Washington, vom vierteljährigen Monitoring der Berlusconi’schen Reformen, um die die Italiener gebeten haben, bis hin zur Schaffung einer neuen Kreditlinie, die sie schon bald im Executive Board beantragen werde.

Und auf eine weitere Innovation im Kommuniqué wies Lagarde hin, den Aufruf an internationale Organisationen, vor allem die UN, die WTO, die ILO, die Weltbank, den IWF und die OECD, „ihren Dialog und ihre Zusammenarbeit voranzubringen, einschließlich der sozialen Konsequenzen ihrer Wirtschaftspolitiken, und ihre Koordination zu intensivieren.“ Die Berücksichtigung der sozialen Konsequenzen sei eine besondere Herausforderung für IWF und ILO, die im letzten Jahr – noch unter Lagardes Vorgänger Strauss-Kahn – eine neuartige Kooperation vereinbart haben. Recht hat sie – doch es bleibt abzuwarten, wie dieser neue Zungenschlag vor Ort, „on the ground“, bei der Durchführung der diversen IWF-Missionen, ankommen wird.

1 Kommentar:

Eric B. hat gesagt…

Offenbar glauben Madame Lagarde und die G20-Führer einschießlich Kanzlerin Merkel nicht mehr, dass Europa sich selbst helfen kann.

Tatsächlich kommt die geplante Aufstockung des Rettungsschirms EFSF nicht voran. China hält sich bedeckt, auch die G20 ziehen nicht mit, wie Merkel in Cannes einräumte. Der Schirm wäre also nicht in der Lage, Auch die Überwachung durch die EU-Kommission scheint nicht mehr auszureichen. Obwohl Währungskommissar Rehn gerade zum Vizepräsidenten ernannt wurde, hat er offenbar nicht genug Macht.

Nun soll also Lagarde über Berlusconis Reformeifer wachen. Angeblich soll allein schon die Ankündigung einer IWF-Kontrolle die Märkte beruhigen und die bedrohlich steigenden Spreads senken. Es könnte jedoch auch genau andersherum kommen: Man könnte die IWF-Kuratel auch als Zeichen für den dramatischen Ernst der Lage werten - und erst recht auf eine Pleite Italiens spekulieren.
mehr auf lostineurope.posterous.com