16. September 2010

Wider den Wilden Westen der Finanzmärkte

Gegen den „Wilden Westen“ der Finanzmärkte versteht die Europäische Kommission ihren neuen Richtlinienentwurf zur Regulierung des Handels mit Derivaten und zum Umgang mit den sog. Leerverkäufen („short sellings“). Und in der Tat ist es das erste Mal, dass der Handel mit diesen „finanziellen Massenvernichtungswaffen“ (Waren Buffet) in Europa einer gewissen Kontrolle unterzogen werden soll. Der Derivate-Handel soll künftig bei Transaktionsregistern registriert werden, die der neuen europäischen Börsenaufsichtsbehörde ESMA unterstellt werden.

Der bislang außerbörslich („over the counter“ – OTC) abgewickelte Handel kommt allerdings nicht direkt an die Börse, sondern soll über sog. Clearing-Stellen abgewickelt werden. Und es soll Ausnahmen geben, z.B. für Industrieunternehmen, die sich damit gegen Risiken absichern wollen. Leerverkäufe, vor allem ungedeckte Leerverkäufe, mit denen auf sinkende Preise spekuliert wird, sollen unter bestimmten Bedingungen verboten werden können.

Das alles ist besser als nichts, sollte es im Verhandlungsprozess mit Rat und Parlament nicht verwässert werden. Erstmals wird jetzt versucht, überhaupt detaillierte Informationen über den Derivatemarkt zu ermitteln. Die neue Richtlinie bleibt jedoch weit hinter den Erfordernissen zurück. So findet keine Zulassungsprüfung für hochriskante Derivate statt, etwa für CDOs („collateral debt obligations“) oder CDS (Kreditausfallversicherungen), die eine große Rolle beim Ausbruch der jüngsten Finanzkrise spielten. Es wird (im besten Falle) einfach nur registriert, was die Finanzmarktakteure so treiben.

Bei aller Vagheit zeigt die neue Initiative der Kommission doch, dass die Regulierung der Finanzmärkte nicht unbedingt zeitgleich überall auf der Welt stattfinden muss. Es ist durchaus möglich, dass bspw. die USA vorangehen, wie Nobelpreisträger Stiglitz vor einiger Zeit gefordert hat, und die Harmonisierung hernach stattfindet. In der Tat orientieren sich die in der europäischen Richtlinie vorgesehenen Maßnahmen teilweise an der Finanzmarktreform der USA, z.B. bei der Abwicklung des Derivatehandels über Clearing-Häuser. In anderer Hinsicht ist die EU den USA jedoch nicht gefolgt, etwa bei der Einschränkung des Eigenhandels der Banken, bei dem die Geldhäuser mit Geld spekulieren, das ihnen eigentlich für anderes anvertraut wurde. – Die „neue internationale Finanzarchitektur“ als globaler Flickenteppich?

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