29. Juni 2016

LuxLeaks-Urteile: Profitinteressen vor Gemeinwohl

Die heute verkündeten Urteile im LuxLeaks-Prozess werfen ein dunkles Licht auf das Großherzogtum. Einige mögen argumentieren, die zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafen (12 Monate für den ehemaligen PricewaterhouseCoopers-Mitarbeiter Antoine Deltour plus 1500 EUR Bußgeld; 9 Monate für den Ex-PwC-Mitarbeiter Raphael Halet und Freispruch für den Journalisten Antoine Perrin) seien milde Urteile. Es geht jedoch nicht um das Strafmaß, sondern ums Grundsätzliche. Die Verteidigung hatte argumentiert, Deltour hatte mit der Veröffentlichung der LuxLeaks-Dokumente im Interesse des Allgemeinwohls gehandelt. Es ging schließlich um Transparenz in einem der wichtigsten Wirtschaftszweige Luxemburgs. Das jetzige Urteil besagt somit, dass ein Gericht Steuervermeidungs- und Profitinteressen multinationaler Unternehmen (MNU) über das Gemeinwohl stellt.


Im Großteil der veröffentlichten Meinung Luxemburgs wird der Prozess gegen die Whistleblower als eine Art Nachspiel zu einer Affäre dargestellt, die der Vergangenheit angehört. Doch das ist falsch. Nirgendwo ist inzwischen belegt, dass die Sonderbedingungen, die MNU in Luxemburg eingeräumt wurden, inzwischen abgeschafft wurden. Das Land ist nach wie vor eine Profit- und Steuervermeidungsdrehscheibe für MNU. Seit Jahren lockt Luxemburg (im Vergleich zu seiner Wirtschaftsleistung extrem unverhältnismäßig hohe ausländische Direktinvestitionen an. Der neue Weltinvestitionsreport der UN-Konferenz für Handel und Entwicklung (UNCTAD), der die Steuervermeidungspraktiken der MNU untersucht, enthält eine Tabelle, die die Erträge von Auslandsfilialen in Prozent des BIP des Gastlandes auflistet. In Luxemburg beliefen sich diese im letzten Jahr auf über 114%. Höhere Werte wiesen nur die klassischen Steuerparadiese Cayman-Inseln und Bermudas auf (mehr dazu demnächst in >>> W&E 06/2016).

Nach Schätzungen der internationalen Hilfsorganisation Oxfam verlieren die EU-Mitgliedsstaaten durch die Steuervermeidung multinationaler Konzerne jedes Jahr etwa 50–70 Mrd. EUR, die Länder des Südens sogar insgesamt 100 Milliarden. Wie viel davon auf das Konto des Steuerdumpings geht, dass Luxemburg „ganz legal“ (so Finanzminister Gramegna) betreibt, ist nicht bekannt.

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