22. Juni 2016

Brexit? Die Banker haben schon gewonnen

Die Klage über die „Regulierungswut“ Brüssels gegenüber dem Finanzsektor ist eines der herausragenden „Argumente“ der Befürworter eines Brexits, wie der Austritt Großbritanniens aus der EU kurz genannt wird. Die Ironie der Geschichte ist nur: Ob Brexit oder Remain – die Banker der City of London setzen auf das Bleiben, denn im Windschatten der Kampagne haben sie schon gewonnen. Der Finanzsektor hat den durch das morgige Referendum drohenden Brexit systematisch genutzt, um seine Deregulierungsagenda gegenüber Brüssel voranzutreiben, zeigt eine neue Studie von Corporate Europe Observatory: How Cameron's referendum delivered victories to Big Finance.


Die Studie erzählt die Geschichte, wie der Finanzsektor vom ersten Tag an, als der britische Premier David Cameron vor drei Jahren das Referendum über den Verbleib Großbritanniens in der EU ankündigte, bedeutende Erfolge erzielte, und zwar dank der Bereitschaft der britischen Regierung und der EU, die City of London bei Laune zu halten. Der Autor der Studie, Kenneth Haar, hebt insbesondere vier „Errungenschaften“ des Finanzsektors hervor: erstens die Ernennung von Jonathan Hill zum EU-Kommissar für Finanzdienstleistungen, der unumstritten als Bollwerk des britischen Blicks auf die Finanzmärkte gilt; zweitens das politische Programm für Finanzdienstleitungen, vor allem die sog. Kapitalmarktunion, unter der eine neue Phase der Deregulierung der Finanzmärkte beginnt; drittens eine Review existierender finanzieller Regulierungen, die zur Zurückdrängung existierender Regulierungen führen könnte, die nach der Finanzkrise für mehr Finanzstabilität eingeführt wurden; und viertens die Neuverhandlung der britischen EU-Mitgliedschaft, in denen London neue Privilegien im EU-Entscheidungsprozess durchsetzte, wenn die Interessen des Finanzsektors gefährdet scheinen.

Oft sei es schwierig zu unterscheiden, wer unter den Akteuren ein regulärer Lobbyist und wer ein britischer Regierungsvertreter ist, heißt es in der Studie, die neben den Lobbyerfolgen der Banker auch die Methoden untersucht hat, die zur Durchsetzung weiterer Deregulierungen angewendet werden. Eine besondere Rolle spielt dabei die Arbeit der International Regulatory Strategy Group (IRSG). In diesem Zusammenhang wird auch gezeigt, die die Barclays Bank half, den Finanzkommissar Hill davon von der Notwendigkeit zu überzeugen, eine Konsultation über die Frage abzuhalten, welche Regulierungen angeschafft werden sollten. – Liest man die Studie, kommt einem nicht nur in den Sinn, dass das Gejammer der Brexit-Leute über die „Regulierungsflut“ nur vorgeschoben ist. Nachvollziehbar wird auch, warum sich kurz vor dem Referendum so viele Vertreter der Londoner City für einen Verbleib in der EU ausgesprochen haben. Was natürlich nicht als Argument für einen Brexit missverstanden werden sollte.

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